Lauda-Königshofen. So mancher Spaziergänger und Radfahrer bleibt stehen und betrachtet sich das ungewöhnliche Schauspiel. Vereinzelt werden Handys gezückt und Fotos gemacht: Schließlich sieht man nicht alle Tage, wie Stromleitungen von einem Mast auf den anderen kommen.
Die Deutsche Bahn erneuert bis Mitte 2023 einige Stahlkolosse zwischen den Unterwerken Osterburken und Rohrbach. Die Trasse stammt aus dem Jahr 1975 und wird auf den Stand der Technik gebracht. Auf rund 95 Kilometern Länge müssen nach Bahn-Angaben 79 Masten ersetzt und damit auch die Leiterseile umgehoben werden.
Einer davon steht direkt am Radweg zwischen Lauda und Distelhausen. Der neue Mast mit dem schmaleren Gestänge wurde auf der gleichen Stelle wie sein Vorgänger errichtet. Der musste dafür weichen und wurde per Kran quasi „zur Seite geschoben“. Nun folgt der Tausch der stromführenden Leiterseile. Von den vier Doppelbündeln werden dafür jeweils zwei abgeschaltet. Mehrere Stunden dauert die Prozedur, bis der Umbau schließlich – zumindest auf einer Seite – vollzogen ist. „In der Regel wird ein Stromkreis für die Baumaßnahmen abgeschaltet. Die Arbeiten erfolgen unter Einhaltung aller relevanten Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt eine Bahnsprecherin.
Seelen aus Stahl
Der Ausleger des Autokrans ist bis zum Anschlag ausgefahren. An seiner Spitze baumelt ein Flaschenzug, der eine spezielle Aufgabe hat: Er hält die Aluminium-ummantelten Seile mit Stahlkern, im Fachjargon Stahlseelen genannt, die bereits vom alten, bis zu zehn Tonnen schweren Tragmast abmontiert wurden. Auf Zug hängen sie in sicherer Entfernung in der Luft, um den Monteuren auf der 110-Kilovolt-Freileitung die nötige Bewegungsfreiheit auf der Traverse des neuen Masts zu ermöglichen. Sicher und natürlich schwindelfrei verrichten die Männer ihre Arbeit. Zeit, um die Ausblicke in rund 25 Meter Höhe zu genießen, gibt es nicht. Dort oben müssen die Vorbereitungen getroffen werden, damit die Leiterseile wieder eingeklinkt werden können.
Die neuen Langstab-Isolatoren für die Stromleitungen sind bereits am neuen Mast vormontiert. Daneben wird am Träger gerade eine Leiter eingehängt. Über dieses freischwingende Gerüst klettert der Monteur nach unten. Ein zweiter Kran liefert bei ihm in luftiger Höhe die Rollen ab, an denen schließlich das Leitungsbündel befestigt werden soll. Mit geübten Griffen hat sich der Mann rasch das Bauteil geangelt und macht sich daran, die Seile in die Klemmen einzuhängen. Der einsetzende Nieselregen macht der eingespielten Truppe nichts aus. Gut gesichert werden die Leiterseile und die Schutzspiralen festgeschraubt, die dann mithilfe des Autokrans in Position gezogen werden.
Trägerarm abgetrennt
Bevor die Spezialisten mit dem zweiten Bündel ebenso verfahren, haben sie auf dem neuen Mast eine kleine Pause. Sicherheit wird großgeschrieben. Denn erst wird die Traverse des alten Kolosses abgetrennt. Mit dem Winkelschleifer rückt ihr Kollege dem alten Stahl zu Leibe, bis der mehr als eine Tonne schwere Träger endlich nachgibt. Die langen Stahlketten des Autokrans, die am Arm des Masts befestigt wurden, verhindern, dass sich das Teil unkontrolliert lösen und herabfallen kann. Am Haken des Krans wird es dann langsam zu Boden gelassen.
Immer informiert sein
Danach ist „freie Fahrt“ für den Tausch des zweiten Strombündels, das nun nicht mehr am Vorgängermast hängenbleiben kann. Der Sicherheitsabstand ist wieder hergestellt.
Präzision gefragt
Mehrere Stunden sind vergangen, bis auch dieses Seil am Platz ist. Langsam senkt sich die Dunkelheit über das Taubertal, doch die Spezialisten haben noch einiges zu tun, bis der Strom wieder fließen und die Leitung in Betrieb gehen kann. Die Erdungen müssen noch ausgebaut werden, damit die Männer aufgrund der Restspannung keinen Stromschlag erhalten. Und auf dem alten Mast müssen zur Sicherheit noch Isolatoren eingebaut werden, damit aufgrund der Hochspannung kein Lichtbogen entsteht und somit kein Funke überspringen kann.
Am nächsten Tag steht der Umbau der restlichen beiden Leiterstränge und der Erdung am rund 30 Meter hohen neuen Mast an.
Zu guter Letzt wird der tonnenschwere Koloss Stück für Stück zerlegt. Auch bei der Demontage ist Präzision gefragt: Der Autokran hievt die schweren Einzelteile des Mittelstücks zwischen den Strombündeln nach oben und legt sie auf dem Boden ab.
Nach rund zwei Arbeitstagen ist der Tausch der Stromleiterseile an diesem neuen Mast beendet, ohne dass die Bahnkunden davon Notiz genommen haben. Über die Hälfte ist bereits geschafft, teilt eine Bahnsprecherin mit. Damit liege man im Zeitplan. Dann ist die Trasse zwischen Osterburken und dem bayerischen Rohrbach, die von Frankfurt aus gesteuert wird, auf dem neuesten Stand der Technik. Insgesamt, teilt die Bahn, wird dafür ein zweistelliger Millionenbetrag ausgegeben.
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