Auftakt zur Aktionswoche

Odenwald-Tauber: „Wie beim Schachspiel: Die Bauern sollen zuerst geopfert werden“

Friedliches Tun der Landwirte stößt überwiegend auf Zustimmung und Solidarität. Es gibt aber auch vereinzelt kritische Stimmen.

Von 
Elisabeth Englert und Klaus T. Mende
Lesedauer: 

Odenwald-Tauber. Zum Auftakt der bundesweiten Aktionswoche am Montag haben sich auch die Landwirte in den Kreisen Main-Tauber und Neckar-Odenwald aufsehenerregend in Szene gesetzt. In einer konzertierten Aktion brachten sie nach eigenen Angaben mehr als 2000 Trecker auf die Straße und legten teilweise den Verkehr lahm, um so gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu protestieren. Zwar hat die „Berliner Ampel“ die jüngsten ad hoc getroffenen Entscheidungen – Einschnitte bei Agrardiesel-Subventionnen und Kfz-Steuer – zum Teil korrigiert. Schlussendlich haben diese Ankündigungen das Fass zum Überlaufen gebracht.

Viele Bauern kritisieren zwar die aktuelle Agrarpolitik der „Ampel“, sehen aber auch frühere Bundesregierungen in der Verantwortung, mit ihrem Tun die Basis dafür geschaffen zu haben, dass es jetzt soweit gekommen ist.

Ungeduld deutlich spürbar

„Schluss mit dem Geh-Ampel“ forderten die Teilnehmer der Aktion an der A 81-Anschlussstelle Boxberg. Auf Plakaten waren Unmut und Ungeduld über die Bundesregierung deutlich zum Ausdruck gebracht: „Sie pflügen nicht, sie säen nicht, sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser“, „Zukunft Deutschland, Kontrollwahnsinn und Bürokratie“, „Der Hof brennt, die Politik pennt“, „Ohne Bauern keine Zukunft“ sind nur einige wenige Beispiele von Kreativität. Mehr als 200 Fahrzeuge nahmen teil, weit mehr als erwartet.

Martin Bauer, Biolandwirt und Organisator der Versammlung: „Es geht unter anderem um den Erhalt der regionalen, bäuerlichen Familienbetriebe, auch um Nahrungsmittelproduktion mit höchsten Standards in Tierhaltung und Pflanzenbau. Die Kürzungspläne beim Agrardiesel sowie der Kfz-Steuer bilden nur das Ende einer Kette bereits vollzogener Kürzungen, wie etwa die vierprozentige Stilllegung.“ Sein Fazit lauter deshalb: „Bei der aktuellen Situation ist für mich ganz klar, dass ich meinen Kindern von diesem Beruf abraten werde.“

Mehr zum Thema

Protestaktion

Landwirte tragen Frust auf die Straße

Veröffentlicht
Von
dpa
Mehr erfahren

Raumausstatter Enrico Meyer nahm sich extra Urlaub, um mit seiner Teilnahme das Zusammengehörigkeitsgefühl zu unterstützen und mitzubekommen, was er 1989 in Dessau erlebte, als er auf die Straße gegangen war. „Es betrifft uns alle, wir müssen zusammenstehen.“

Steffen Adelmann, Inhaber eines Metallbearbeitungsbetriebs, beteiligt sich am Protest, weil man nicht mehr alles mit sich machen lassen dürfe. „Es wandert so viel Geld ins Ausland und beim Landwirt und auch in anderen Bereichen wird gespart. Wir kämpfen für uns alle.“

Erschwerte Bedingungen

Für Wolfgang Weber, Nebenerwerbslandwirt, sei es eine Berufung, bezahlbare, hochwertige, regionale Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu produzieren. „Die Bedingungen wurden so sehr erschwert, dass dies nicht mehr möglich ist und man auf billige Importe aus Drittländern zugreifen muss“, ärgert er sich. Durch die Beschlüsse werde die Nahrungs- und Geschäftsgrundlage zerstört. „Wenn eine Regierung innerhalb kürzester Zeit so viele Menschen auf die Straße bringt, sollte ihr das zu denken geben“, richtet er seinen Appell Richtung Bundesregierung, die mit Gedächtnislücken zu kämpfen habe. Denn als zu Pandemiezeiten, Mehl, Öl und weitere Lebensmittel knapp gewesen seien, „waren wir systemrelevant“.

Der Erzieher und dreifache Familienvater Dirk Berner beteiligte sich an der Aktion, weil er weiterhin, hochwertige, regionale und bezahlbare Lebensmittel konsumieren möchte. „Es kann nicht sein, dass die Kartoffel aus Ägypten billiger ist als die von hier. Und wo bitte bleibt die Nachhaltigkeit?“

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Eine Frau verlässt gerade einen Supermarkt in Tauberbischofsheim und schüttelt beim Anblick der blinkenden Traktoren und der Autoschlange hinter ihnen den Kopf: „Die Löcher im Haushalt sind nun einmal da, und alle, auch die Landwirte, müssen mithelfen, sie zu stopfen. Die Bauernproteste sind völlig unverhältnismäßig. Rechtskonforme Demonstrationen sehen anders aus.“ Hier würden tausendfach Schüler daran gehindert, zum Unterricht zu kommen, tausendfach Bürger daran gehindert, ihrer Arbeit und ihren Geschäften nachzugehen. Nötigung sei eine Straftat. Die Polizei sichere dies auch noch ab, anstatt Anzeigen zu schreiben und die Verkehrsbehinderungen aufzulösen.

Forderungen deutlich gemacht

Um die Mittagszeit hatte am Wildpark in Bad Mergentheim eine Kundgebung des Kreisbauernverbandes Main-Tauber stattgefunden. Dessen Vorsitzender Reinhard Friedrich machte Forderungen der Agrarbranche deutlich. „Die Landwirte haben eine weit überdurchschnittliche Belastung zu tragen. Während andere Berufsgruppen für mehr Lohn kämpfen, sollen wir stärker belastet werden, und das lassen wir uns nicht gefallen“, rief er unter dem Applaus hunderter Teilnehmer.

Mit von der Partie auf seinem Traktor war mit Alois Gerig auch der frühere Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag. Im FN-Gespräch äußerte er sich wie folgt: „Die friedlichen Bauernproteste sind gerechtfertigt und nachvollziehbar. Wie beim Schachspiel sollen wieder einmal die Bauern zuerst geopfert werden, wenn die Regierung Fehler gemacht hat.“ Täglich schlössen Höfe und der Importanteil bei Lebensmitteln steige permanent. Dies sei weder ökologisch sinnvoll noch gesund, weil „unsere Bauern Lebensmittel mit den höchsten Standards weltweit produzieren“. Bis auf Weiteres müssten sowohl biologisch als auch konventionell arbeitende Betriebe ihre Äcker mit Dieseltraktoren bewirtschaften, so Alois Gerig gegenüber unserer Zeitung.

Viel Zustimmung

Insgesamt stießen die Landwirte in der Region auf viel Zustimmung und Solidarität unter den „normalen“ Bürgern, wie einem FN-Reporter in zahlreichen Gesprächen immer wieder bestätigt wurde. Zum Großteil wurde es begrüßt, dass eine ganze Branche nun das Heft in die Hand nehme, um den politisch Handelnden in Berlin zu zeigen, dass es so nicht mehr weitergehen könne. „Und wenn dies alles friedlich und gewaltfrei über die Bühne geht – umso besser“, formulierte es ein Mann mittleren Alters.

Viele wohnen buntem Treiben bei

Trotz Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts waren im Verlauf des Montags viele Menschen auf den Beinen, um dem bunten Treiben der Landwirte am Straßenrand oder auf Brücken beizuwohnen. Eine Frau meinte mit einem Augenzwinkern: „Ich hoffe, dass die Bauern auch gegen Nachmittag noch unterwegs sind. Mein Sohn ist nämlich noch im Kindergarten. Und der ist ein ganz großer Traktorfan . . .“

Die Landwirte werden – in kleinerem Umfang – ihre Aktionen die ganze Woche fortsetzen. Am Montag, 15. Januar, findet vor dem Brandenburger Tor in Berlin die Abschlusskundgebung statt, bei der auch viele Bauern aus der Region dabei sind.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke