Berlin. Lange Konvois von Traktoren und Lastwagen ziehen sich durch zahlreiche Städte, zig Autobahnauffahrten sind bundesweit zeitweise blockiert: Die Aktionswoche der Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung hat am Montag in Deutschland für Aufsehen gesorgt. Gemessen an den Teilnehmerzahlen fanden vor allem in Großstädten größere Demonstrationen statt. Hunderte Traktoren und andere Zugmaschinen sorgten aufgrund ihrer Größe für beeindruckende Bilder, viel Aufmerksamkeit – und etliche Verkehrsbehinderungen.
Am Brandenburger Tor in Berlin wurden fast 700 Fahrzeuge gezählt, in Erfurt sprach die Polizei von mehr als 2000 Traktoren und anderen Zugmaschinen. Im VW-Werk Emden wurde die Produktion gestoppt, weil die Beschäftigten nicht zur Arbeit kommen konnten. In einigen Städten erhielten die Bauern Unterstützung – etwa von Lastwagenfahrern und Handwerkern. Nach Angaben des Innenministeriums in Stuttgart nahmen in Baden-Württemberg etwa 25 000 Fahrzeuge an 270 Aktionen teil.
Sorge um Zukunftsfähigkeit
Zu Unterstützern gehörten mancherorts auch Personen aus dem extremen Spektrum, die in der Vergangenheit beispielsweise auch bei Demos gegen Corona-Maßnahmen oder sogenannten Montagsspaziergängen aufgefallen waren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor einer Kaperung der Bauernproteste durch solche extremen Kräfte.
„Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt“, sagte der Grünen-Politiker in einem auf sozialen Medien verbreiteten Video. Darin forderte er auch eine Debatte über einen Wandel der Landwirtschaft.
Die Proteste sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Der Bauernverband hat zu einer Aktionswoche aufgerufen, die am kommenden Montag in einer großen Demonstration in Berlin gipfeln soll. Dafür wurden 10 000 Teilnehmer angemeldet. Die Proteste richten sich gegen die Pläne der Ampel-Regierung, die Steuervergünstigung für Agrardiesel auslaufen zu lassen. Die Subvention soll schrittweise wegfallen und ab 2026 gar nicht mehr gezahlt werden. Die Bundesregierung brachte diese Pläne am Montag auf den Weg. Sie ging dabei aber bereits auf die Landwirte zu. Ursprünglich sollte das Ende der Agrardiesel-Subvention in einem Schritt kommen.
Nach Ansicht des Bauernverbands nehmen die Kürzungen beim Agrardiesel der Landwirtschaft die Zukunftsfähigkeit. „Vor allem gefährden wir am Ende die gesicherte Versorgung mit heimischen, hochwertigen Lebensmitteln“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied im RBB. Ein Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bedeutet laut Bundesregierung im Schnitt Mehrkosten von etwa 3000 Euro im Jahr pro Betrieb. Zusätzliche Auflagen für die Produktion und eine ungewisse Finanzierung für einen Umbau der Tierhaltung sorgen seit Jahren für Frust unter Landwirten.
Unterstützung erhielten sie am Montag von mehreren Ministerpräsidenten. Niedersachsens Landeschef Stephan Weil (SPD) forderte die Bundesregierung auf, die Kürzungen zurückzunehmen. Die zusätzlichen Belastungen beim Diesel seien „keine Peanuts“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). „Es ist eine Menge Geld, das da in Rede steht.“ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warf der Ampel mangelnde Dialogbereitschaft vor. dpa
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