Friseurbranche

Odenwald-Tauber: Friseure sehen sich in ihrer Existenz bedroht

Friseurmeister Volker Baumann hätte eigentlich Grund zum Feiern. Vor 25 Jahren hat er seinen Salon in der Franken-Passage eröffnet. Doch die Rückforderung der Corona-Soforthilfen hat ihm das Jubiläum gründlich vermiest.

Von 
Sabine Holroyd
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Viele Friseurbetriebe fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Die Rückforderung der Corona-Soforthilfen und gestiegene Kosten machen der Branche zu schaffen. © dpa

Tauberbischofsheim. „Mir ist nicht nach Feiern zumute“, sagt Volker Baumann, der sich vor 25 Jahren mit seinem Unternehmen in der Tauberbischofsheimer Franken-Passage niederließ. Vor 100 Jahren eröffnete sein Großvater am Marktplatz den ersten Salon Baumann am Marktplatz.

Die Rückforderung der Corona-Soforthilfe schlägt nicht nur Volker Baumann, sondern vielen seiner Kollegen auf den Magen. „Die Höhe der Rückforderung richtet sich nach dem Umsatz. Wenn jemand zum Beispiel 9000 Euro als Soforthilfe bekommen hat, muss er nun innerhalb von zwölf Monaten beziehungsweise bis 30. Juni 2024 die gesamte Summe zurückzahlen. Das wären 750 Euro im Monat. Woher soll derjenige dieses Geld nehmen – bei gestiegenen Energie- und Lohnkosten, bei höheren Einkaufspreisen? Das ist nicht akzeptabel“, sagt er und kommt noch auf ein weiteres Problem zu sprechen: „Die meisten in unserer Branche haben zudem noch nicht wieder die Umsätze wie vor der Pandemie erlangt.“ Was viele Friseure besonders ärgert, erzürnt auch ihn: „Der damalige Bundesfinanzmister Olaf Scholz hat erklärt, dass die Soforthilfe als einmalige Leistung nicht zurückgezahlt werden muss.“

Widerspruch eingelegt

Volker Baumann legte gegen die Rückzahlung Widerspruch ein, schloss sich der „Initiative Friseure für Gerechtigkeit“ an und tritt nun als Musterkläger in Baden-Württemberg auf. In Nordrhein-Westfalen hat die Interessengemeinschaft bereits einen Erfolg erzielt: Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied, dass die Rückforderung von Corona-Soforthilfen rechtswidrig war und die Rückforderungsbescheide deshalb aufzuheben seien. In der Begründung hieß es, dass das Land sich bei der Rückforderung nicht an die bindenden Vorgaben aus den Bewilligungsbescheiden gehalten habe, wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbesondere Finanzierungsengpässe zu überbrücken.

Eigentlich ist ihm nicht zum Lachen zumute: Friseurmeister Volker Baumann in seinem Salon in Tauberbischofsheim. © Sabine Holroyd

Wenn Zuwendungsempfänger die Corona-Soforthilfen in dem dreimonatigen Bewilligungszeitraum im Frühjahr 2020 nicht oder nur teilweise zu diesen Zwecken benötigt haben, dürfe das Land allerdings neue Schlussbescheide erlassen und überzahlte Mittel zurückfordern.

Baumann ergänzt, dass Betriebsinhaber diese Soforthilfe zum größten Teil nur für geschäftliche Kosten nutzen durften, nicht aber für die private Lebenshaltung oder die Bezahlung von Versicherungen. „Deshalb“, sagt er, „haben viele Kollegen auf eigene Vorsorgen zurückgegriffen oder nahmen Kredite auf. Es wusste ja auch niemand, wie es mit der Pandemie weitergehen wird.“

Bereits in einem früheren FN-Gespräch hatte die Friseur-Obermeisterin im Main-Tauber-Kreis, Michaela Hammer, gesagt: „Der Unmut ist riesig. Wir haben auch Mehrkosten gehabt. Die Beantragung der Hilfen ging nicht ohne Steuerberater. Wir hatten viel Aufwand, zusätzliche Kosten und stehen jetzt wahrscheinlich mit leeren Händen da.“ Bei einigen Kollegen sah sie bereits im September 2022 eine existenzbedrohende Lage.

Volker Baumann erklärt: „Wenn Betriebsinhaber in der Phase nach der insgesamt 17-wöchigen Schließung wegen der gestiegenen Kundennachfrage länger als gewöhnlich geöffnet hatten und in diesem einen Monat vielleicht nur einen Euro mehr erwirtschaftet haben, dann waren sie schon ein Fall für die Rückzahlung.“

Arbeiten mit „Sorgen-Rucksack“

Er weiß von Kollegen, die ihre Salons schließen – weil sie nicht mehr können, die Belastung zu groß wird und gibt zu, dass die Situation auch für ihn nicht einfach sei: „Früher hat man einfach seine Arbeit gemacht. Heute trägt man diesen Sorgen-Rucksack mit sich herum und weiß nicht, wie die Sache ausgeht.“ Er meint: „Kleinere Unternehmen werden von der Politik vergessen – das gilt nicht nur für Friseure. Mit der Zeit werden noch mehr verschwinden.“

In einem Brief an den Landtagsvizepräsidenten Professor Dr. Wolfgang Reinhart machte er seinem Ärger Luft und schrieb unter anderem: „Will man uns die Existenz nehmen? Weiß man in Stuttgart überhaupt, wie es nach drei Jahren Pandemie und Zwangsschließungen in der Friseurbranche aussieht? Altersvorsorgen wurden aufgelöst. Schlaflose Nächte und psychischer Stress sind zum Alltag geworden.“

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Die Antwort des Politikers ließ nicht lange auf sich warten. Sein persönlicher Referent schrieb ihm: „Wolfgang Reinhart äußert großes Verständnis für das von Ihnen geschilderte Anliegen. Als Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Landtags hat er genau auf die von Ihnen genannten Aspekte, insbesondere die Gefahr einer existenzbedrohenden Situation für die betroffenen Betriebe, bereits zuvor hingewiesen und entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen angemahnt. Erst kürzlich hat er diesbezüglich von der Wirtschaftsministerin persönlich die Rückmeldung erhalten, dass im Einzelfall auch in Baden-Württemberg im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben durch Niederschlagung und Erlass (anteilig oder vollständig) auf Rückforderungen verzichtet werden kann. Dies ist, so die Wirtschaftsministerin, zwar stets nachrangig zu Stundungen und Ratenzahlungen und nur unter engen haushaltsrechtlichen Vorgaben möglich, aber dennoch gibt es diese Möglichkeit, die beispielsweise etwa dann in Betracht kommen kann, wenn die Rückzahlung zu einer Existenzgefährdung führen würde.“

Bei der Entscheidung über den Erlass von Forderungen handele es sich demnach stets um eine Ermessensentscheidung nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls. Daher prüfe die L-Bank zuerst, ob nicht durch Stundungen und Ratenzahlung bereits eine Existenzgefährdung abgewendet werden kann. Mit den Worten: „Vor diesem Hintergrund können wir Ihnen empfehlen, einen entsprechenden Antrag auf Erlass zu stellen“, endet das Schreiben.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim

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