Tauberbischofsheim. Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen hat oberste Priorität. Bei diesem Punkt waren sich die Tauberbischofsheimer Gemeinderäte, die am Mittwoch im Gründerzentrum letztmalig in alter Besetzung tagten, einig. Der Ausstieg aus der Atomkraft, der Angriffskrieg auf die Ukraine mit dem damit verbundenem Wegfall der Gaslieferungen aus Russland und die dringend notwendige Reduktion des CO2-Ausstoßes aufgrund von Klimakrise und Erderwärmung lassen keinen anderen Schluss zu.
Das Land Baden-Württemberg hat Kommunen bereits 2017 über eine Freiflächenöffnungsverordnung die Möglichkeit eingeräumt, Solarparks nicht mehr nur auf Konversionsflächen oder Seitenrandstreifen von Autobahnen zu erlauben, sondern sie auch auf sogenannten „benachteiligte Gebieten“ auf Acker- und Grünlandflächen zu erlauben. Auf dieser Grundlage hat der Gemeinderat 2020 einen Rahmen- und Kriterienkatalog beschlossen, der jetzt überarbeitet wurde. Gerade vor dem Hintergrund des im Februar in Kraft getretenen Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes wurde das notwendig.
Plansoll wird wohl erreicht
Danach sollen in den Regionalplänen Gebiete in einer Größe von mindestens 0,2 Prozent der jeweiligen Regionalfläche für die Freiflächenphotovoltaik festgelegt werden. Tauberbischofsheim hätte bei einer Fläche von 6929 Hektar 13,85 Hektar mit Modulen zu belegen. Die Solarparks Dittwar mit 4,9 und 1,54 Hektar und der im Bau befindliche Fichtengrund mit 3,06 Hektar ergeben zusammen eine Fläche von 9,5 Hektar. Nimmt man den geplanten Solarpark Dittigheim mit 13,5 Hektar hinzu, käme man auf 23 Hektar und hätte damit das Plansoll sogar übererfüllt. Bis Ende September 2025 sollen entsprechende Teilpläne im Regionalplan als Satzung festgelegt sein.
Weil die Stadt die Dringlichkeit des Ausbaus sieht, schlug sie dem Gremium dennoch Änderungsvorschläge vor. Danach sollen Anträge und Anfragen nicht mehr nach Stichtag, sondern nach Eingang behandelt werden ohne Gutachten vorlegen zu müssen. Allein der Netzverknüpfungspunkt ist mitzuteilen. Außerdem soll der Zubau mit Photovoltaik bis Ende 2025 von 30 auf 50 Hektar erhöht werden. Im Einzelfall hat der Gemeinderat die Möglichkeit, eine Größenbeschränkung vorzunehmen, wenn eine einzelne Anlage 10 Hektar übersteigt.
Zwar ist die Bürgerbeteiligung erwünscht, dennoch soll sie bei einem Grundstückseigentümer, der selbst einen Solarpark baut, als erfüllt gelten. Weiter wird der Abstand zum Wald von 50 auf 30 Meter verringert, landwirtschaftliche Flächen mit höchster Qualitätsstufe sind ausgeschlossen, bei mehreren möglichen Flächen sollen die mit den Wertstufen vier oder fünf bevorzugt werden. Ausgenommen sind die priorisierten Flächen entlang der Autobahn bis zu 200 Metern Entfernung vom Fahrbahnrand.
Zwischen Wohnbebauung und Freiflächen-Photovoltaikanlagen soll es keine Sichtbeziehungen geben oder der Abstand mindestens zwei Kilometer betragen. Eine Lichtreflexion auf Wohnhäuser soll aber auch dann ausgeschlossen sein. Liegt eine schriftliche Einverständniserklärung vor, kann eine Solaranlage trotz Sichtbeziehung auch mit geringerem Abstand als zwei Kilometer gebaut werden.
Ein neues Kriterium ist die Direktvermarktung. Bewerben sich mehrere Interessenten, soll örtlichen Gewerbe- und Industriebetrieben der Vorrang eingeräumt werden, um ihnen eine sichere, nachhaltige und klimaneutrale Stromversorgung zu ermöglichen. Das, so die Argumentation, könne sich zu einem Standortfaktor für Betriebe in der Stadt entwickeln.
Neun Anfragen liegen vor
Bauordnungsamtsleiterin Sabine Oberst erläuterte, dass aktuell neun Anfragen für den Bau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen vorliegen. Gernot Seitz (Bürgerliste) begrüßte die Abarbeitung von Anträgen nach Eingang und den Vorrang der Bürgerbeteiligung. Er vermisste allerdings die genauere Klassifizierung der Böden.
Elmar Hilpert (CDU) regte an, die Neuerung bei der Priorisierung in die Pläne einzuarbeiten, worauf Sabine Oberst erläuterte, dass die 200 Meter blieben. Außerhalb der Vorrangflächen sei der Ausbau auf 50 Hektar gedeckelt. Kurt Baumann (CDU) sprach von einem guten Vorschlag der Verwaltung, die in Richtung Klimaschutz gehe. Eine Abstimmung mit dem Regionalverband erachte er als wichtig. Leonhard Haaf (Bürgerliste) sieht dringenden Bedarf beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik und sieht positiv, dass in diesem Zuge neues Gewerbe entstehen könnte. Er habe keine Bedenken, dass etwas zugepflastert werden könne, weil unter den Modulen Gemüse angebaut werden könne. Der Ertrage aus solchen Anlagen sei zudem höher als wenn Mais für Biogasanlagen gepflanzt werde. Den Abstand von zwei Kilometern zur nächsten Wohnbebauung hält er allerdings für zu groß. 700 Meter bei ausgeschlossener Blendwirkung erachte er als ausreichend, so dass er einen entsprechenden Antrag stellte. Johannes Benz (Bürgerliste) meinte, dass die Festlegung der Sichtbeziehung überflüssig sei. Zudem spiele für ihn der Bodenwert nur eine untergeordnete Rolle, weil ohnehin nur 22 Prozent des Anbaus in die menschliche Nahrung fließe, das meiste aber verfüttert werde.
Christian Stolz (Freie Wähler) wertete die Konzentration auf Flächen an der Autobahn positiv, denn wenn die Landschaft komplett geöffnet würde, führe das zu einer Zerstückelung. Er appellierte, weiter auf Dächer zu setzen und Eigentümer aller Couleur zu motivieren, Solaranlagen zu installieren. Er beantragte an der Autobahn die möglichen 500 Meter Freiflächen-Photovoltaikanlagen aufzunehmen.
Beide Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt. Letztlich fiel die Entscheidung bei 14 Ja-, und zwei Nein-Stimmen sowie einer Enthaltung für die von der Verwaltung erarbeiteten Änderungen.
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