Impfingen. Ganz oben in 149 Meter Höhe auf der Rosette des Kölner Doms zu stehen, ist schon etwas Besonderes. Einen solch freien Blick vom Wahrzeichen der Rheinmetropole hat kein Besucher. Für Louis Mauder ist die Kontrolle der Blitzableiter auf dem historischen Bauwerk auch nichts Alltägliches. Von der Dombauhütte engagiert zu werden, ist auch für seine Firma – das Kölner Seil Kommando (KSK) – eine Art Ritterschlag.
Aufgewachsen ist Louis Mauder in Impfingen. Nach seinem Realschulabschluss in Tauberbischofsheim absolvierte er eine Schreinerausbildung in Großrinderfeld und reiste im Anschluss ein halbes Jahr durch Südamerika. Zurück in Deutschland, fand er einen Arbeitsplatz in einer Holz-Fertighaus-Firma in Uttrichshausen. Seinen Plan, Industriekletterer zu werden, begrub er allerdings nicht.
Aufmerksam geworden auf diesen eigenwilligen Job in schwindelerregender Höhe war er durch eine TV-Dokumentation. Was er da sah, hatte ihn fasziniert. Er las über die Anforderungen, informierte sich über die Ausbildung. Der Abschluss eines Handwerksberufs ist zwar nicht Voraussetzung, durchaus aber von Vorteil. Darüber hinaus ist körperliche Fitness ein unbedingtes Muss.
„Offiziell heißt unser Beruf Seilzugangs- und Positionierungstechniker“, berichtet der 23-Jährige. Die Ausbildung ist in drei Levels untergliedert, wobei nach jedem eine theoretische und eine praktische Prüfung abzulegen ist. Hinzu kommt eine arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchung für „Arbeiten mit Absturzgefahr“, die jährlich wiederholt werden muss. Auch ein Erste-Hilfe-Kurs ist Pflicht.
Der Kurs für Level 1 dauert eine Woche und findet in einer Kletterhalle statt, in der es bis etwa vier Meter in die Höhe geht. Sicherungstechnik und Rettungsverfahren spielen hier eine zentrale Rolle. Nach bestandener Prüfung bewarb sich Louis Mauder in Köln und schaffte den nahtlosen Übergang von einer Firma zur nächsten. „Als ich das erste Mal auf 75 Meter im Seil hing, hatte ich schon ein wenig Schiss“, erinnert er sich an seinen ersten Außeneinsatz. Es war Herbst und ziemlich windig – Arbeitsort war eine Raffinerie eines großen Erdölkonzerns in Gelsenkirchen.
Arbeitstage dokumentiert Louis Mager per Logbuch
Nach einem halben Jahr absolvierte der junge Mann dann den Level-2-Kurs, in dem horizontale Zugangstechniken und die Kombination mit Vertikalen erlernt werden. Mit dem Level 3, das Louis Mauder anstrebt, erwirbt man die Eignung, Verantwortung für bis zu fünf Mitarbeitende zu übernehmen. Voraussetzung sind 240 Arbeitstage im Seil. Dokumentiert werden die in einem elektronischen Logbuch. Diese Zeiten müssen gegengezeichnet werden. Derzeit hat der junge Mann 44 Einsatztage im Logbuch stehen.
„Den Beruf einzuschlagen, war auf jeden Fall die richtige Entscheidung“, berichtet Mauder. Der Job macht ihm einfach Spaß. „Wenn ich am Sonntagabend auf dem Sofa sitze, freue ich mich schon auf die Arbeit am Montag“, beschreibt er seinen Wochenbeginn und ist sich sicher: „Diese Freude an der Arbeit ist unfassbar viel Wert.“ Er schätzt das gewisse Maß an Freiheit, das Arbeiten im fantastischen Team, die Zuverlässigkeit und das Vertrauen unter den Kolleginnen und Kollegen. In der Tat: Sein direkter Teamchef ist eine Frau.
Sicherheit hat bei seiner Arbeit als Industriekletterer Priorität
„Die Arbeit ist abwechslungsreich und herausfordernd“, sagt Louis Mauder über seinen Alltag. Und sie ist anstrengend. „Im Seil muss die ganze Zeit die Körperspannung gehalten werden“, erzählt er. Ein anderer Aspekt, weshalb Industriekletterer grundsätzlich mindestens als Zweier-Team unterwegs sind, ist die Sicherheit. Der Partnercheck gehört zum Standard, bevor es nach unten oder oben geht. Seile und Karabiner werden geprüft, der richtige Sitz der angegurteten Werkzeuge kontrolliert. Jede Lasche ist wichtig. „Es gibt da so einen Spruch“, erzählt Louis Mauder: „Partnercheck oder Partner weg“. Etwas makaber zwar, aber realitätsnah und lebenswichtig.
Normalerweise wird von oben eingestiegen und zunächst nach zwei Anschlagpunkten geschaut. Das sind die Punkte, um die Stahl- oder Bandschlingen gelegt werden, um dann Karabiner und Seil zu befestigen. Für eine doppelte Sicherung sollte es immer zwei solcher Punkte geben. Mauder: „Redundanz ist bei uns oberstes Gebot.“
Für Industriekletterer und alle anderen, die im Seil arbeiten, besteht ein weiteres Risiko – der orthostatische Schock. Bei diesem, auch als Hängetrauma bezeichneten, lebensbedrohlichen Schockzustand, versackt das Blut in den Beinen, so dass das Gehirn nicht ausreichend durchblutet wird und es zur Ohnmacht kommen kann. Deshalb gilt: Es muss immer gewährleistet sein, dass jemand innerhalb von 15 Minuten am Boden ist.
Einsatzgebiete eines Industriekletterers sind vielfältig
Die Einsatzorte für die Industriekletterer sind ebenso vielfältig wie die Aufgaben. Louis Mauder hat schon Wespennester entfernt, in Hochhäuser gehämmerte Spechtbauten verfüllt und die Wand wieder verputzt. Er hat Rolladen, Scheiben oder Jalousien eingebaut, Fassadenschäden dokumentiert oder Taubenabwehrstachel montiert. „Im September“, berichtet er, „geht es wieder auf den Kölner Dom. Da sollen wir Scheinwerfer montieren.“
Für Louis Mauder ist Industriekletterer mehr als nur ein Job. Er mag die Vielseitigkeit und die täglich neuen Herausforderungen. Der 23-Jährige: „Auch wenn es kitschig klingt: Für mich ist das mehr Berufung als Beruf.“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim_artikel,-tauberbischofsheim-impfingen-das-macht-louis-mauder-als-industriekletterer-_arid,2230192.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/grossrinderfeld.html