Webinar mit Professor Dr. Michael Bohnert

FN-Tatort-Serie: „Rechtsmediziner lösen keine Fälle“

Zahlreiche Leser interessierten sich für die Ausführungen von Professor Dr. Michael Bohnert aus Würzburg – und stellten auch selbst Fragen

Von 
Michael Fürst
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Odenwald-Tauber. Wer an den Beruf des Rechtsmediziners denkt, dem fallen unweigerlich Szenen aus deutschen Krimis ein – vor allem aus dem „Münster-Tatort“ mit Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne, der dann auch allzu gerne aktiv in die Ermittlungen eingreift. Allerdings entspricht der Eindruck, der im Fernsehen von der Arbeit eines Rechtsmediziners vermittelt wird, in großen Teilen nicht der Realität. Dies wurde beim Webinar der Fränkischen Nachrichten mit Professor Dr. Michael Bohnert deutlich. Der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in Würzburg sprach dort mit FN-Chefredakteur Fabian Greulich über seine 30-jährige Berufserfahrung und beantwortete Fragen, die Zuschauer und Zuhörer via Chat stellen konnten.

„Man ist immer wieder überrascht, wenn man einen Todesfall untersucht, wenn man die innere Leichenschauen durchführt“, berichtete Bohnert. Deshalb seien Obduktionen wichtig, um die Todesart und die Todesursache zweifelsfrei zu klären. Bohnert ließ dann aber auch mit dem Satz aufhorchen: „Die meisten Tötungsdelikte sind aus rechtsmedizinischer Sicht langweilig.“ Er informierte, dass er in seinem Zuständigkeitsbereich lediglich mit drei bis vier Morden pro Jahr konfrontiert werde. Etwa 700 seien es jährlich in ganz Deutschland. „Jeden Sonntagabend wird im Fernsehen mehr gemordet als bei uns“, so Bohnert. Krimis entsprächen auch deshalb meist nicht der Realität. Das ist ein Grund, warum er selbst gar keine schaut – wie er auch schon in der großen FN-Reportage vom 20. April durchblicken ließ.

Zwei bis acht Stunden

Rechtsmediziner Michael Bohnert beantwortet Fragen von Fabian Greulich und interessierten Lesern. © Jürgen Harth

Zuhörer wollten wissen, wie denn solch eine Obduktion genau ablaufe. Zwischen zwei und acht Stunden verbringe man im Seziersaal. Dabei würde ein Puzzle zusammengesetzt – vor allem aus den Erkenntnissen aus den Organuntersuchungen. Es würden, machte Bohnert deutlich, aber nicht nur Tötungsdelikte untersucht, sondern auch Opfer von Verkehrsunfällen. Für Klarheit sorgte der Professor mit dieser Aussage: „Wir lösen keine Fälle, sondern erheben und bewerten kriminalistische Befunde.“

Natürlich durfte die Frage nach dem „perfekten Mord“ nicht fehlen. Bohnert überraschte vermutlich einige Zuhörer mit seiner Antwort: „Ja, solche Fälle gibt es natürlich.“ Er schränkte aber ein: Je mehr Institutionen in die Lösung des Falls involviert seien, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit. Es gebe allerdings Fälle, bei denen auch nach der Obduktion die Todesursache nicht benannt werden könne.

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Wie er es denn schaffe, Berufliches von Privatem zu trennen, wollte eine Zuhörerin wissen. „Ich nehme meine Fälle nicht mit nach Hause“, antwortete Bohnert. Dabei helfe es ihm, sich in die Rolle des Gutachters und des Beobachters zurückzuziehen. Um objektiv an einen Fall heranzugehen, benötige er zudem eine innere Distanz.

Info: Das Webinar zum Nachhören: https://qrco.de/bdxW6N

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

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