Külsheim/Tauberbischofsheim. Da liefen die Tränen minutenlang bei Shaimaa Hussein und ihren beiden fast erwachsenen Kindern Mohamad (18) und Nada (14 Jahre), als sie vor ein paar Tagen in ihrer neuen Wohnung standen. Der Weg bis zu den eigenen vier Wänden war für die drei sehr lang und holprig.
Nachdem der Ehemann und Vater verschleppt wurde, flüchteten Shaimaa und ihre Kinder vor fast drei Jahren aus dem Irak. In Külsheim fanden sie eine erste Bleibe in der Gemeinschaftsunterkunft. Nach zwei Jahren müssen die Flüchtlinge grundsätzlich diese Gemeinschaftsunterkunft verlassen und sich in einer Anschlussunterbringung einmieten, falls sie noch keinen eigenen Wohnraum haben. So geschehen auch bei Familie Hussein. Sie zog vor einigen Wochen nach Impfingen und wohnte dort äußerst beengt auf 25 Quadratmetern (wir berichteten).
Händeringend suchten sie nach einer besseren Wohnung. Inzwischen wurde auch der Impfinger Ortschaftsrat auf das Problem der Familie aufmerksam und versuchte zu helfen. Im Hintergrund auch aktiv: Hans-Jürgen Reusch. Er betreut seit 2015 ehrenamtlich Flüchtlinge.
Problem nicht gelöst
In Tauberbischofsheim wohnen seit der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 320 Migranten, darunter 23 Familien. Reusch kümmert sich vor allem um die Familien und deren Integration. Auch er hatte versucht, die Familie Hussein in einer größeren Wohnung unterzubringen. Sie wäre auch in Impfingen gewesen und hätte deshalb das Problem mit Shaimaas Arbeitsweg nicht gelöst. Shaimaa Hussein arbeitet in Schichten in der evangelischen Heimstiftung in Tauberbischofsheim. Nach 21 Uhr von Tauberbischofsheim nach Impfingen (ohne Nahverkehr) zu gelangen, ist im Winter eine echte Herausforderung. „Das Problem war mir so gar nicht bekannt“, sagt Reusch. Prompt organisierte er ein Damenfahrrad für Shaimaa.
Auch die Hausdirektorin im Adam-Rauscher-Haus, Nadine Veit, wusste vom Problem ihrer Mitarbeiterin. „In solchen Fällen kann ich mich doch nicht raushalten – vor allem, weil ich sehr genau weiß, wie schwer es momentan ist, eine Wohnung zu bekommen und wie fleißig und willig unsere Shaimaa ist“, sagt sie. Überall habe sie rumgefragt, sich umgehört – nichts. Eine endlich vereinbarte Wohnungsbesichtigung endete damit, dass der Vermieter einfach nicht erschien und bei Nada und Shaimaa wieder mal die Tränen flossen.
Ein Tipp half
Doch dann kam ein Tipp von einem Angehörigen eines Heimbewohners. Nadine Veit nahm sofort Kontakt zum Vermieter auf. Der war zwar erst ein wenig überrascht, las dann aber vom Schicksal der Familie in den Fränkischen Nachrichten und willigte in den Mietvertrag ein. „Wir sind so glücklich darüber. Ohne das Verständnis des Vermieters für die Situation der Familie wäre der Umzug sicher nicht möglich gewesen“, sagt Veit. Die Rührung und Dankbarkeit ist ihr auch Tage später noch deutlich anzumerken. Als der Mietvertrag für die Wohnung in Tauberbischofsheim unterschrieben war, flossen dann nicht nur bei Nada und Shaimaa die Tränen, so groß war die Freude. Eine zügige Bearbeitung der notwendigen Unterlagen bei Stadt machte einen schnellen Umzug möglich. Der extra mit einem Kleinbus aus Stuttgart angereiste Onkel musste nur einmal zwischen altem und neuen Wohnsitz hin und her fahren. Viel hatten die Husseins nicht zum Packen. Nur ein Schränkchen, etwas Geschirr, Kleidung und etliche Unterlagen mussten mit.
Tisch, Stühle und eine Vitrine haben die rührigen Helfer, wie Carola Väth und Joachim Uihlein aus Külsheim inzwischen besorgt. Der ganze Stolz der Familie: eine bei Ebay gebraucht gekaufte Küchenzeile. „Schau“ sagt Shaimaa, zeigt auf Herd und Spülbecken und strahlt über das ganze Gesicht. Als Dank gibt es für Nadine Veit und den gerade eingetroffenen Jürgen Reusch erst einmal einen heißen süßen Tee. „Ohne Carola und Frau Veit nix möglich“, sagt Shaimaa und schaut ihre Chefin dankbar an. Dass alle drei Husseins auf dünnen Matratzen auf dem Boden schlafen, erwähnt Shaimaa aus Scham lieber nicht.
Asylverfahren im Blick
Schnell werden im Wohnzimmer Tisch und Stühle zurechtgerückt. Doch statt „Small Talk“ werden drei dicke Ordner gewälzt. Denn nun muss erst einmal geklärt werden, in welchem Status sich das Asylverfahren für Shaimaa und Mohamad befindet. „Das ist wirklich wichtig. Wir wollen ja, dass die Husseins sich integrieren können. Diese Familie ist doch ein Gewinn für uns“, sagt Jürgen Reusch und Nadine Veit pflichtet ihm bei. Beide wollen jetzt Mohamads nächsten Wunsch erfüllen: kein Bett oder Schrank – der Schüler sucht einen Nebenjob, damit er seine Mutter unterstützen kann.
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