Külsheim/Tauberbischofsheim/Wittighausen.
Carola Väth sitzt in Külsheim an ihrem Esstisch. Ihr gegenüber hat an diesem Nachmittag Joachim Uihlein Platz genommen. Beide gehören zum Helferkreis „Asyl Külsheim“, Uihlein seit 2015 und Väth von Beginn an, seit 2013.
Die Initiative wurde gegründet, weil Külsheim 40 junge männliche Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft aufnahm. Unterschiedliche Kulturkreise und Sprachbarrieren sorgten für Spannungen zu Beginn. Inzwischen hat sich die Lage deutlich beruhigt. Es sind auch Familien mit Kindern untergebracht. Nach zwei Jahren müssen diese allerdings in die kommunale Anschlussunterbringung umziehen – wo immer gerade Platz frei ist.
Genau so ein Fall sorgt für fassungsloses Kopfschütteln bei Carola Väth und Joachim Uihlein. „Wir brauchen dringend Hilfe“, sagt sie. Und Uihlein schildert das Schicksal der Familie Hussein.
Vor etwas mehr als drei Jahren flüchteten Mutter Shaimaa und ihre beiden Kinder Mohamad und Nada aus dem Irak, nachdem der Ehemann und Vater der Kinder entführt wurde. Die Mutter und ihre Kinder wurden auf der Flucht von den Schleppern getrennt und auf ganz unterschiedlichen Wegen nach Europa geschleust. Die damals elfjährige Nada konnte per Flug zu ihrer Tante nach Deutschland reisen, während ihr damals 15-jähriger Bruder sich zu Fuß oder per Lkw-Mitfahrgelegenheit wochenlang durschlagen musste.
In Külsheim fanden die Drei eine Bleibe in der Gemeinschaftsunterkunft und waren froh, wieder beisammen zu sein. Nach zwei Jahren mussten sie, wie vorgeschrieben, in eine kommunale Anschlussunterbringung umziehen – dorthin, wo gerade Platz war.
Die 14-jährige Nada besucht seit längerem das Schulzentrum am Wört und Mohamad absolviert an der Gewerblichen Schule sein Vorbereitungsjahr. Er will eine Ausbildung zum Alten- oder Krankenpfleger machen. Damit würde er in die Fußstapfen seiner Mutter Shaimaa treten. Die 39-Jährige war früher Lehrerin für Arabisch und Geografie. Sie hat eine Anstellung in der Altenpflege in einem Tauberbischofsheimer Seniorenheim gefunden.
Seit neun Wochen
Seit neun Wochen wohnen die Drei in Impfingen. Das frühere Rathaus wurde von der Stadt vor Jahren für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen hergerichtet. Derzeit leben dort mehrere Jugendliche und eine weitere Familie.
In dieser Anschlussunterbringung teilen sich Nada, Mohamad und Mutter Shaimaa ein einziges etwa 25 Quadratmeter großes Zimmer. Ausgestattet ist es mit einer kleinen Küchenzeile, zwei schmalen Schränken, einer winzigen Kommode, drei Betten, einem Tisch und ein paar Stühlen. Ein kleines Bad schließt sich an. Für die Benutzung der Gemeinschafts-Waschmaschine müssen sie bezahlen. In ihren Lagerraum im Keller kommen sie auch nur mit einem der beiden Integrationsbeauftragten der Stadt. Entsetzt über die die Enge in der Impfinger Unterkunft wandte sich Nada an Joachim Uihlein. „Bitte helfen“ schrieb das junge Mädchen zu einem kleinen Film, der die Zustände dokumentiert.
Immer informiert sein
Betroffenheit bei Besuchern
Aus diesem Grund machen sich Carola Väth und Joachim Uihlein auf, um die Bleibe in Impfingen selbst in Augenschein zu nehmen. Weil inzwischen die Situation der Familie Hussein im Impfinger Ortschaftsrat Thema war, trifft auch Alexander Diehm zum Termin vor Ort ein. Diehm ist stellvertretender Ortsvorsteher und will sich ebenfalls ein Bild machen. Die Wohnsituation – drei Erwachsene in einem Zimmer – macht auch ihn betroffen.
Im Gespräch mit den Husseins wird schnell deutlich, dass die fehlende Verkehrsanbindung vor der Frühschicht und nach Schichtschluss gegen 21 Uhr für die werktätige Mutter ein echtes Problem darstellt. Aus diesem Grund lernt sie gerade auf einem kleinen geschenkten Rad das Fahrradfahren. Eine dicke blaue Hand kündet von den Versuchen. Aus Sorge um seine Mutter holt Mohamad sie zu später Stunde in Tauberbischofsheim ab und sie gehen zu Fuß nach Impfingen. „Natürlich ist uns klar, dass diese kommunale Anschlussunterbringung nur auf Zeit vorgesehen ist“, sagt Carola Väth. Doch ihr Blick drückt Erschütterung über die Zustände aus.
Bei der Stadtverwaltung nachgefragt, heißt es, dass man sich zu diesem speziellen Fall nicht äußern wolle, sondern lediglich allgemein auf die Situation eingehen könne. „Generell gilt, dass für die Unterbringung der Geflüchteten, die durch das Landratsamt Main-Tauber-Kreis der kommunalen Anschlussunterbringung zugewiesen werden, die Stadt Tauberbischofsheim zuständig ist. Die Neuangekommenen werden in den zwei zu diesem Zweck umgebauten Einrichtungen in Impfingen und Hochhausen untergebracht. Insgesamt stehen 24 Plätze in den Wohneinheiten zur Verfügung, die grundsätzlich eine Zweierbelegung beispielsweise mit alleinstehenden Personen ermöglichen.“ Weiter ist zu lesen: „Für die Unterbringung einer Familie ist es schon, wenn das Zimmer groß genug ist, auch zu einer Belegung mit drei Personen gekommen.“
Laut Stellungnahme der Stadt werden für die Anschlussunterbringung von Geflüchteten die entsprechenden Richtwerte eingehalten (mindestens sieben Quadratmeter, im Regelfall jedoch mindestens zehn Quadratmeter je erwachsenem Geflüchteten, auch für deren Kinder ab sechs Jahren). Auch weist die Stadtverwaltung in dem Schreiben darauf hin, dass die Unterbringung in der kommunalen Anschlussunterbringung immer nur eine vorübergehende Lösung sei, die kompromissbehaftet ist.
„Sowohl die Integrationsmanager der Stadt Tauberbischofsheim, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierenden Bürgerinnen und Bürger als auch die Geflüchteten selbst bemühen sich auch aus der kommunalen Anschlussunterbringung heraus um eigenen Wohnraum.“ Wie schwer es derzeit ist, für eine Flüchtlingsfamilie auf einem an sich schon leer gefegten Wohnungsmarkt eine Bleibe zu finden, davon kann Mohamad ein Lied singen. Alle Versuche blieben erfolglos.
Auf die Frage nach der Höhe der Miete, die Mohamad mit 450 Euro pro Monat für das Zimmer angab, antwortet die Stadt: „Für die Dauer der Unterbringung in der kommunalen Anschlussunterbringung wird mit den Betroffenen ein Mietvertrag abgeschlossen. Die kalkulierten Sätze beinhalten auch alle Nebenkosten inklusive Strom.“ Übrigens wird die Miete von Sozialamt oder Jobcenter übernommen, wenn die Geflüchteten hilfebedürftig sind. Laut Aussage der Stadtverwaltung würden jedoch die meisten Geflüchteten für ihre Miete selbst aufkommen, weil sie in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.
Wittighausen geht andere Wege
In Wittighausen geht man derweil andere Wege. Hier hat die Gemeinde ein kleines Haus angemietet, um es dann an eine Familie unterzuvermieten. Bürgermeister Marcus Wessels: „Der Wohnraummangel ist bekannt. Da wird es für Geflüchtete um so schwerer, eine Wohnung zu finden. Meist liegt es daran, weil die Eigentümer keine Scherereien haben wollen. Deshalb sind wir in Erscheinung getreten.“
Vor einigen Wochen mietete die Kommune deshalb ein 113 Quadratmeter großes Haus an, um es dann an eine siebenköpfige Familie weiter zu vermieten. Mehrere Generationen haben nun ein gemeinsames Zuhause mitten im Ort gefunden. Vorab anfallende Arbeiten hat die Gemeinde mit dem Besitzer verrechnet und übernimmt nun auch kleinere hausmeistertypische Arbeiten. „Wir hatten mit dieser Familie scheinbar großes Glück. Denn sie ist wirklich integrationswillig und kann auch mal ,Danke’ sagen“, meint Wessels und freut sich über den Zuwachs in der Kommune. Allerdings klappe das auch in Wittighausen nicht immer so reibungslos.
Die Familie kam übrigens auch aus der Gemeinschaftsunterkunft in Külsheim. Dort hatte sie bereits durch den Einsatz der Helfer eifrig die deutsche Sprache gelernt – genauso wie die drei Husseins. Und die hoffen nun auf eine Lösung ihres Problems. Für einen ersten Lichtblick sorgt Alexander Diehm. Im Haus seiner Schwiegermutter könnten die drei Husseins nach ein paar Änderungen eine 60 Quadratmeter kleine Dreiraum-Wohnung beziehen. Und auch die Stadt signalisiert kurz vor Redaktionsschluss, dass man sich um eine Lösung bemühe. Den „Wittighausener Weg“ will man in Tauberbischofsheim jedoch nicht einschlagen.
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