Christuskirche

Ein Mensch wie Du und Ich

Alice Katharina Schmidt glänzte bei der Aufführung des Ein-Personen-Stücks „Judas“

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aba
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Alice Katharina Schmidt glänzte in ihrer Rolle als Judas in der evangelischen Christuskirche Tauberbischofsheim. © Antje Bauer

Tauberbischofsheim. Wie sieht ein Verräter aus? Ein brutales Gesicht mit zusammengekniffenen Lippen? Superfreundlich und leicht unterwürfig, um möglichst wenig aufzufallen? Der Judas, den die Zuschauer in der Christuskirche bei der Aufführung der Badischen Landesbühne erlebten, war nichts von dem.

Ein Annäherung

Er stellte sich einfach dem Publikum vor: Ich bin ein Mann“. Aber – war das Betrug? Ein Betrug, ein Verrat an den Besuchern? Es war kein Mann, der den Judas verkörperte. Es war eine Frau. Aber im Verlauf des Stückes nahm man das nicht mehr wahr, man ließ sich einfach nur von dem Stück gefangen nehmen. Und Alice Katharina Schmidt war einfach diejenige, die Judas war. Oder, genau genommen, eine Annäherung an diesen Menschen, der ein Synonym für Verrat schlechthin ist.

Und selbst eine Person mit diesem Makel kann sich ausgesprochen nett, zugewandt und menschlich zeigen, was sie mit ihrer Sorge bewies, die Zuschauer, die Zuschauerinnen könnten in der etwas kühlen Kirche frieren. Ins Frösteln kommen konnten die später dennoch in der einen oder anderen Szene, in der die Akteurin ihr ganzes Können mit der Annäherung an Judas und sein Handeln ausspielen konnte.

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Und die Szenen wechselten, manchmal fast unmerklich, zwischen dem Damals und dem Heute, wobei Alice Katharina Schmidt auch immer wieder in Interaktion mit dem Publikum trat. Etwa, indem sie einen Jesus — seinen Freund, wie sie betonte – aus dem Publikum bat, um mit ihm in ein intensives Gespräch zu kommen.

Oder indem sie ihr Auditorium fragte, ob jemand unter ihnen sei, der sich sicher sei, dass Jesus für seine, für ihre Sünden gestorben sei – was etliche auch bejahten. Oder sie wirbelte über die Bänke, um in die Augen der Anwesenden zu schauen, um festzustellen, ob sie ein gutes Gewissen haben.

Aber auch Anklänge an die Passionsgeschichte gab es – symbolhaft – immer wieder. So schon zu Beginn, als unter Münzgeklapper die Anschuldigung, einer, eine aus dem Publikum habe nicht bezahlt; oder als sie voll Wut auf die Pharisäer Nägel ins Holz hämmerte, weil deren Händler mit dem „feige verdienten Geld“ nur den römischen Kaiser bezahlen wollten. Oder sie meditierte lange über einen großen Stein und dessen mögliche Bedeutung.

Viel Beifall

Und natürlich ging es um Judas, um seine (erfundene?) Kindheit, sein Verhältnis zu Jesus und die Motivation seiner Tat. Um seine Hoffnung und sein Glaube, Jesus sei der erhoffte König, der der Unterdrückung durch die Besatzungsmacht ein Ende macht. Und dann um seine Schuldgefühle, für „dieses bohrende Gefühl, für das es kein Lossprechen gibt“ und kein Vater Unser, zur Buße gebetet und dennoch: „Ohne mich keine Auferstehung, kein Abendmahl, keine Gewissheit um Gottes Liebe zu uns.“ Alice Katharina Schmidt hinterließ mit ihrem facettenreichen, eindringlichen Spiel ein tief bewegtes Publikum, das sich mit viel Beifall bedankte. aba

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