Seckach. In seiner Haushaltsrede bei der Sitzung des Gemeinderates im großen Sitzungssaal des Rathauses ging Bürgermeister Thomas Ludwig darauf ein, dass die öffentliche Hand in den vergangenen Jahrzehnten einen steten Aufgabenzuwachs erfahren hat, der inzwischen als „nicht von dieser Welt“ bezeichnet wird, weil weder der Personalaufwand noch die Kosten zu bewältigen sind.
Nicht nur die Gemeinde Seckach wünsche sich einen massiven Bürokratieabbau samt deutlicher Entrümpelung der Gesetze, Verordnungen und Standards. Bund und Land hätten sich seit Jahrzehnten zu immer mehr Leistungsversprechen hinreißen lassen, die andere Ebenen wie zum Beispiel die Kommunen erfüllen sollen, ohne dass man ihnen die dafür notwendigen Instrumente und Mittel an die Hand gibt.
In Seckach ist das bekannteste Beispiel hierfür der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, oder anders ausgedrückt: der deswegen erforderliche Neubau eines Kindergartens für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag, ohne dass die Gemeinde hierfür auch nur ansatzweise eine angemessene finanzielle Unterstützung erhalten würde. „Es ist komplett unverständlich, dass das Kinderland Nummer 1 Baden-Württemberg seine Kommunen bei dieser Aufgabe so im Stich lässt.“
Als nächste Baustelle steht der ab dem Schuljahr 2026/2027 aufwachsende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder an, und zwar für 48 Wochen im Jahr. Und das bei leer gefegtem Arbeitsmarkt, den Ludwig als eine der schwerwiegendsten Ursachen für die momentanen Probleme bei der Personalfindung für die Betreuungsangebote an der Seckachtalgrundschule nennt.
Aktuell kosten Kindergärten und Schulen die Gemeinde jährlich über 1,1 Millionen Euro, und man hält das auch für gut angelegtes Geld. Die unsinnige Liste der Versprechen und Ankündigungen im politischen Raum könne unendlich fortgesetzt werden, und betreffe die Flüchtlingsfrage ebenso wie die Energiepolitik und als Folge die Abwanderung von Wirtschaftsbetrieben beziehungsweise die Aufgabe mittelständischer oder Handwerksbetriebe.
Aktuell war der Bürgermeister der Meinung, dass zum Beispiel der Hundeführerschein zurzeit sicher nicht zu den wichtigen Angelegenheiten gehört. Ihn beschäftigen die Pflichtaufgaben, zu denen neben Kindergärten, Schulen und die Unterhaltung des Hallenbads mit 250 000 Euro pro Jahr, auch die gestiegenen Zinsen, Personalkosten, aber auch der Rekordwert von über 3,2 Millionen Euro an Kreis-, FAG- und Gewerbesteuerumlage gehören. Vor allem die Kreisumlage könne wegen der auf Bundesebene noch immer nicht geregelten Krankenhausfinanzierung explodieren.
Die vergleichsweise restriktive Personalpolitik der Gemeinde Seckach habe leider zur Folge, dass das Personal in einzelnen Bereichen chronisch überlastet ist. Der geplante Ausbau der Interkommunalen Zusammenarbeit soll dazu beitragen, dass die Aufgabenerfüllung auch in Zukunft sichergestellt werden kann.
Wie weiter zu erfahren war, kommt die Gemeinde Seckach dieses Jahr in ihrem laufenden Haushalt nochmals mit einem blauen Auge davon. Die schwarze Null könne noch gehalten werden, während viele Kommunen schon mit sechs- oder gar siebenstelligen Defiziten zu kämpfen haben. „Dass wir so gut dastehen, hat seinen Grund vor allem in der umsichtigen und sparsamen Haushaltsführung, aber auch in der Tatsache, dass wir, abgesehen vom Hallenbad, keine größeren defizitträchtigen Freiwilligkeitsleistungen bereitstellen.“
Das sei auch gut so, denn ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung beweise, dass die ab 2027 aus dem Kindergartenneubau resultierenden Abschreibungen und Zinsen mutmaßlich dazu führen werden, dass der Ergebnishaushalt tief in die roten Zahlen rutscht.
Damit der finanzielle Handlungsspielraum von vielen Hundert Kommunen im Land nicht ganz gegen Null geht, sei es dringend erforderlich, dass die Regelungen zum Haushaltsausgleich im Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) gelockert würden. Denn ohne finanziell leistungsfähige Kommunen werde die Modernisierung des Staates und der Infrastruktur samt den Zukunftsinvestitionen in den verschiedenen Transformationsprozessen nicht zu bewältigen sein.
Seckach plant 290 000 Euro für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenlebens (vor allem die kostenlose Zurverfügungstellung der Gemeindehallen und anderer Räumlichkeiten für den Vereinsbetrieb), 220 000 Euro für die Feuerwehr als wichtigster Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie Investitionen von 3,37 Mio. (Kindergarten, Abwasser, diverse Baugebiete).
Stolz betonte Ludwig, dass der Haushalt 2024 wie in den letzten 21 Jahren ohne einen einzigen Euro Kreditaufnahme auskommt, was voraussichtlich spätestens in drei Jahre vorbei sein werde.
Luxus bleibt weiter fremd
„Zwar sehen die Zukunftsaussichten für den Ertragshaushalt wegen den spätestens 2027 zu erwartenden Auswirkungen des Kindergartenneubaus nicht allzu rosig aus, aber wir haben auch in der Vergangenheit schon Zeiten tiefe Täler finanzieller Unwägbarkeiten durchlebt und sind dank Ideenreichtum, Tüchtigkeit und Sparsamkeit wieder aus diesen Niederungen herausgekommen. Deshalb besteht auch jetzt kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Luxus wird uns auch künftig fremd bleiben. Stattdessen bleiben weiterhin ein hoher Stand der Aufgabenerfüllung und die fortschreitende Modernisierung unseres Gemeinwesens unsere obersten Ziele. Damit dies gelingt, benötigen wir einen entscheidungsfreudigen Gemeinderat sowie tüchtige Mitarbeiter. Beides haben wir, weshalb ich mich an dieser Stelle wieder allseitig für den unermüdlichen Einsatz bedanken darf.“
Besonderer Dank ging an Kämmerer André Kordmann mit seinem Team und an alle Fachressorts für die akribische Aufstellung des Haushalts einschließlich sämtlicher Detailerläuterungen.“ L.M.
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