Sindolsheim. Ein breitgefächertes Programm mit Chor-, Orgelwerken sowie Sologesängen aus vier Jahrhunderten erwartete die Gäste des Benefizkonzerts in der evangelischen Kirche zugunsten von Geflüchteten aus der Ukraine, die in der Gemeinde Rosenberg Aufnahme gefunden haben.
Kaum war der letzte Glockenschlag der Kirchturmuhr verklungen, als die mächtigen Klänge der Königin der Instrumente durch den Kirchenraum brandeten und gefühlt jede Mauerritze durchdrangen. Ergriffen lauschten die zahlreichen Zuhörer Dieter Kaiser an der Orgel beim „Präludium und Fuge e-moll“ von Nicolaus Bruhns. Mächtig, dramatisch, aber auch sanft und getragen offenbarte dieses Stück das breite Potenzial von Musiker und Instrument gleichermaßen.
Ruhige Melodie
Passend zur Veranstaltungsstätte präsentierte das „Vokalensemble Buchen“ unter der Leitung von Georg Fischer das kirchenmusikalische Stück „Kyrie aus der Missa Brevis“ von da Palestrina, bevor an der Orgel die Choralbearbeitung von „Nun bitten wir den heiligen Geist“ von Dietrich Buxtehude mit ihrer ruhigen Melodielinie Abwechslung bot und perfekt kontrastierte.
Zwei Volkslieder aus dem 16. Jahrhundert von Caspar Othmayr sowie Hans Leo Haßler über Liebe, Sehnsucht und Liebeskummer, „Wohlauf, gut Gesell, von hinnen“ und „Feinslieb, du hast mich g’fangen“, bot schwungvoll das Vokalensemble mit harmonischer, beeindruckender Klangfülle.
Von schwungvollen Höhen zu melancholischen Klängen spannte sich der Bogen beim Orgelstück „Solo di Oboe“ von Filippo Capocci, dessen dunkle, schwere Klänge man unwillkürlich mit dem titelgebenden Holzblasinstrument assoziierte.
Vier Bariton-Soli von Bellini, gesungen von Volker Deutsch, begleitet von Georg Fischer am Klavier, entführten die Zuschauer in den italienischen Sommer des 19. Jahrhunderts. Fischer trug vorab die deutsche Übersetzung vor, so dass der Zuhörer die italienische Sprachmelodie auf sich wirken lassen konnte. In „Vanne, o rosa fortunata“, „Vaga luna“, „La farfaletta“ und „Malinconia, Ninfa gentile“ wurden Rose, Mond, ein kleiner Schmetterling und eine liebenswerte Nymphe besungen.
Von der Idylle eines italienischen Gartens fühlte man sich bei Puccinis „Versetto I“ auf einen lebendigen, prall mit Leben gefüllten Jahrmarkt katapultiert. Die sich gleichförmig wiederholende, ins Ohr gehende Melodie erinnerte an eine Drehorgel.
Auf einer Wanderung
Ein weiterer Solo-Part aus drei Kunstliedern folgte mit Tenorsänger Patrick Penndorf, begleitet von Fischer am Klavier. In Franz Schuberts „Wohin?“ folgte er dem rauschenden Bächlein auf seiner Wanderung. Eine musikalische Liebeserklärung an die holde Kunst der Musik, die ihn in eine bessere Welt entrückt, gab er bei Schuberts „An die Musik.“ Ins Träumen geriet das Publikum beim romantischen Gedicht von „Mondnacht“ von Josef von Eichendorff, vertont von Robert Schumann, als der Himmel die Erde still geküsst hatte.
Verklärend, sanft, aber auch kraftvoll monumental zeigte das „Prélude“ (Andantino Cantabile, aus op. 18) von César Franck den Klangfundus der Orgel auf.
In drei Gesangsstücken von Felix Mendelsohn-Bartholdy, deren Thematik in der Natur gründete, zeigte das Vokalensemble abermals sein außergewöhnliches Können. „Abschied vom Walde“ beschreibt die Gefühle eines naturliebenden, empfindsamen Romantikers, der seine geliebte Umgebung verlassen muss. Wie „Die Nachtigall“, die vom Frühling gelockt ihre alten, lieben Lieder singt, bot der Chor nachtigallgleich das Lied dar. Betont dramatisch und mit einem traurigen Ende fiel der Reif in der Frühlingsnacht im gleichnamigen Lied.
Drei moderne Orgelwerke folgten mit „Toccata“ von Andreas Willscher, „Sortie“ von Mel Bonis und „Chant du soir“ von Marco Enrico Bossi, wobei man sich bei letzterem nach den vielen akustischen Eindrücken bei ruhigen, sanften Klängen ins musikalische Daunenkissen sinken lassen konnte, bevor die Akteure noch einmal alle Register zogen.
In „Northern Lights“ verarbeitete der junge, 1978 geborene norwegische Komponist Ola Gjeilo ein einzigartiges Erlebnis aus seiner Jugend, nämlich das Polarlicht zu sehen. Sowohl die Faszination und Schönheit als auch das Unbekannte und ob seiner Größe Erschreckende dieses Naturschauspiels zogen Gjeilo in Bann ebenso wie die Zuhörer. Der lateinische Liedtext wurde von Fischer zuvor ins Deutsche übertragen. Mystisch, furchteinflößend, kraftvoll, aber auch sanft und ergreifend – den 13 Chormitgliedern, begleitet von Dieter Kaiser am Klavier und unter Fischers Dirigat, gelang es trefflich die oberflächliche Heiterkeit, als auch die tiefe, bedrohliche Atmosphäre darzustellen. Langanhaltende gleichmäßige Töne zauberten Gänsehautmomente und boten einen harmonischen Abschluss des gut besuchten Konzerts im Sinne einer guten Sache.
Denn um es mit den Worten Sonja Czernuschkas vom Kirchengemeinderat auszudrücken: „Was gibt es Vergnüglicheres, als bei strahlendem Sonnenschein in einer wohltemperierten Kirche zu sitzen?“ Vielleicht in einer solchen ein Konzert zu geben, denn so Chorleiter Fischer: „Es war uns ein Vergnügen.“
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