FN-Interview

Grundschule Ravenstein: Mehr Platz ist „überlebensnotwendig“

Marina Stern ist seit November 2023 die neue Schulleiterin der Grundschule Ravenstein. Im FN-Interview spricht sie über das neue pädagogische Konzept und wie wichtig dafür ein Schulneubau wäre.

Von 
Nicola Beier
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Marina Stern ist seit November offiziell die neue Schulleiterin der Grundschule Ravenstein. Für die Zukunft hat sie viele Pläne. © Nicola Beier

Merchingen. Marina Stern ist seit November 2023 die neue Schulleiterin der Grundschule Ravenstein. Zuvor war sie bereits seit September Lehrerin in Merchingen. Welche Ziele sie für die Zukunft der Schule hat und was sich dafür ändern muss, hat sie den Fränkischen Nachrichten im Interview verraten.

Frau Stern, was ist Ihnen aufgefallen, als Sie im September nach Ravenstein an die Schule kamen?

Marina Stern: Gleich in der ersten Woche ist mir aufgefallen, dass das Wort Teamarbeit hier nicht nur ein Wort ist, sondern in einem wertschätzenden und respektvollen Umgang wirklich gelebt wird. Hilfsbereitschaft wird groß geschrieben. Ich bin seit 13 Jahren Lehrerin und hatte das Glück, an zwei Gemeinschaftsschulen zu landen, die damals zu den Starterschulen gehört haben, als das Gemeinschaftsschulthema aufkam.

Dementsprechend herrschte dort ein sehr hoher Anspruch an Schul- und Unterrichtsentwicklung. Es wurde visionär und zukunftsorientiert mit Blick auf den Schüler gearbeitet und Schule entwickelt. Wenn man dann an eine Schule kommt, die gute Arbeit macht, das Thema Schulentwicklung aber nicht so präsent ist, dann findet man natürlich ein paar Punkte, bei denen man etwas verbessern kann. Allerdings passt nicht jedes Konzept an jeden Standort und dementsprechend ist es wichtig, dies nun gemeinsam anzugehen.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Stern: Große Themen sind die Bedürfnisse des Kollegiums und die Bedürfnisse der Eltern. Da sind wir jetzt gestartet und haben uns überlegt, was uns wichtig ist für die Kinder, in unserer Arbeit und was wir angreifen möchten. Außerdem war die Organisation der Verwaltung ein wichtiger Punkt für mich, um erst einmal einen Überblick zu bekommen. Da stelle ich mir die Fragen: Wie brauche ich das? Welche Datenblätter fehlen noch? Wo fehlt noch eine Unterschrift zum Datenschutz? Das sind Dinge, die gemacht werden müssen und die ich im ersten Halbjahr angegangen bin. Jetzt wird es verstärkt um die pädagogische Arbeit gehen.

Gutes Stichwort – Sie haben in der Gemeinderatssitzung im Januar über Ihre Ziele gesprochen. Da ging es unter anderem um das pädagogische Konzept, Qualitätsmanagement und die Kooperation mit Vereinen und dem Kindergarten. Wenn wir vorne anfangen: Warum ist ein neues pädagogisches Konzept notwendig und wie war bisher der Stand?

Stern: Es gibt hier an der Schule ein pädagogisches Konzept und ein Leitbild. Ein Leitgedanke ist, dass die Gemeinschaft einen ganz großen Stellenwert hat: also miteinander, füreinander und voneinander.

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Auch die fachliche Stärkung der Kinder ist uns wichtig: Sie sollen verstehen, dass wir zum Leben, Lernen und Wachsen hier sind. Außerdem soll alles wertschätzend und respektvoll ablaufen. Das ist eine super Grundlage, auf der man aufbauen kann. Auch mit Blick auf den Rechtsanspruch auf die Ganztagesbetreuung stellen sich uns viele Fragen: Was ist uns wichtig? Was kann ein Kind, wenn es unsere Schule verlässt? Wie gestalten wir den Alltag? Wie gehen wir überhaupt mit dem ganzen Thema rund um den Ganztag um?

Wie möchten Sie dieses Leitbild ergänzen?

Stern: Ich möchte verstärkt den Blick auf die Selbstständigkeit der Schüler legen und die Kinder zu selbstkritischen und mündigen Bürgern erziehen. Das ist oft eine Floskel, die in der Grundschule verwendet wird. Schließlich ist es ja „nur“ die Grundschule und die Kinder sollen „nur“ auf die weiterführenden Schulen vorbereitet werden. Aus meiner Erfahrung, die ich an weiterführenden Schulen gesammelt habe, ist es da oft schon zu spät. Die Grundlagen werden in den ersten Jahren gelegt.

Wie kann das in den Schulalltag integriert werden?

Stern: Wir haben teilweise Arbeitsphase im Unterricht geöffnet. Dort geben wir einen Lernweg, also eine Art Arbeitsplan vor, auf dem die einzelnen Aufgaben notiert sind, die innerhalb eines festgeschriebenen Zeitraums von den Kindern bearbeitet werden sollen. Lehrer machen dann mit den Kindern die Einführungen und Wiederholungen. Aber in den Arbeitsphasen können die Kinder selbst entscheiden, wo sie noch Input brauchen und welche Aufgabe sie deshalb noch machen müssen. Wenn diese Pflichtaufgaben erfüllt sind, geht es in die Differenzierung. Dort entscheidet das Kind dann, wo es Stärken vertiefen möchte oder doch noch Handlungsbedarf sieht, um Schwächen auszugleichen. So können wir Lehrer die Stärken und Schwächen der Schüler klar erkennen und die Kinder erleben sich wirksam. Für sie ist der Lernweg handhabbar und sie merken, dass sie sich selbst steuern, organisieren und gegenseitig helfen. Dadurch bekommt man als Lehrer das Zeitfenster, sich mit Kindern zusammenzusetzen, die mehr Förderung brauchen oder besonders gefordert werden können, weil sie stark unterwegs sind.

Was hat das mit dem Qualitätsmanagement zu tun?

Stern: Die Lehrerergebnisse im Land Baden-Württemberg, also nicht nur in Ravenstein, haben gezeigt, dass wir zu viele Kinder haben, die den geforderten Mindeststandard nicht erreichen und zu wenige Kinder haben, die die Spitze ausbilden. Wir haben ein starkes Mittelfeld, ein zu großes schwaches Feld und zu wenige Kinder, die wirklich in der Spitze sitzen.

Dementsprechend ist die Öffnung des Unterrichts notwendig, damit die Lehrer allen Schülern gerecht werden können und sie so den Regelstandard erreichen oder aber gleichzeitig die Spitze ausbauen. Das geht nur, wenn Lehrer Zeit für ein schwaches Kind haben, um dieses zusätzlich zu fördern und an die Hand zu nehmen.

Welche Vorteile bringt das mit sich, auch für das spätere Berufsleben der Kinder?

Stern: Wir brauchen Menschen, die kreativ sind, die nachdenken, die andere Wege gehen. Das braucht unsere Gesellschaft jetzt. Und um das zu können, muss jedes Kind wissen, was es kann und wer es ist – also Begriffe wie Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit. Und ein Kind kann sich nur seiner selbst bewusst sein, wenn es weiß, welche Stärken und Schwächen es hat.

Sie haben auch die Kooperation mit dem Kindergarten und den Vereinen angesprochen. Wie soll die künftig aussehen?

Stern: Die Kindergartenkooperation wollen wir verstärkt, indem wir als Schule im ersten halben Jahr des Vorschuljahres in den Kindergarten kommen. Ab März möchten wir diese Kinder in die Schule einladen und ihnen so die Angst nehmen. Die Kinder sollen wissen, wie es hier aussieht und die Lehrer kennenlernen, um den Übergang so einfach wie möglich zu gestalten. Die Kooperation mit Vereinen will ich intensivieren, weil ich davon überzeugt bin, dass das eine Stärke Ravensteins ist. Denn die bildet letztlich die Zukunft Ravensteins aus. Und wenn wir möchten, dass sich diese Kinder zu Erwachsenen entwickeln, die sich hier heimisch fühlen, dann sollten wir ihnen frühestmöglich die Chance bieten, sich hier einzufühlen, einzubinden und ihre Möglichkeiten kennenzulernen.

Wenn wir in die Zukunft blicken, ist ein zentrales Thema der Platzmangel. Zwei Klassen werden in der Schule und Bibliothek unterrichtet. Im Gemeinderat, über den die FN bereits berichtet haben, war daher ein Neubau Thema. Wie wichtig wäre der?

Stern: Die Räumlichkeiten sind essenziell, sie sind überlebensnotwendig für den Standort und für die Stadt Ravenstein. Wenn wir keinen Neubau erhalten, gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder es werden immer mehr Familien einen anderen Schulstandort wählen, weil die Rahmenbedingungen hier immer weniger stimmig sind, oder aber wir haben extrem große Klassen und setzen uns in Absprache mit dem Schulamt über den Klassenteiler hinweg. Darunter leidet dann definitiv die pädagogische Arbeit. Wenn man 27 oder mehr Schüler in einer Klasse hat, sind diese Tage extrem anstrengend für Kinder, wie auch für Lehrer. Die Individualität der Kinder geht zum großen Teil verloren, weil man keine Zeit mehr hat sich um das einzelne Kind zu kümmern- sondern darauf angewiesen ist, dass die starken Schüler „Selbstläufer“ sind, die sich selbstständig organisieren können, eigenständig arbeiten und leise sind. Aber das ist nicht Sinn der Sache. Auch diese Schüler haben eine entsprechende Forderung verdient.

Welche negativen Konsequenzen hat das?

Stern: Man bildet keine Spitze mehr aus. Außerdem lernen diese Kinder in den ersten vier Jahren, dass sie sich gar nicht anstrengen müssen, weil es ja ganz einfach geht. Ich bin aber davon überzeugt, dass man Kinder an ihre Grenze heranführen sollte, um ihnen zu zeigen, dass sie doch noch mehr können und sich mehr zutrauen können.

Sollte der Neubau realisiert werden, ist der Einzug dennoch erst in ein paar Jahren möglich. Was passiert in der Zwischenzeit?

Stern: Nachdem klar war, dass die kommenden zwei Jahrgänge mit aller Wahrscheinlichkeit zweizügig werden, bin ich sofort mit der Stadt ins Gespräch gegangen. Letztlich haben wir mehrere Optionen generiert und damit hoffentlich eine Lösung gefunden: Es wird eine Umbaumaßnahme geben, damit wir für alle Kinder Platz haben. Natürlich wird sich dies im Schulalltag bemerkbar machen. Uns ist aber sehr daran gelegen, dies so gewinnbringend wie nur möglich, vor allem für die Kinder, in den Alltag zu integrieren. Gemeinsam schaffen wir mehr Platz. So tragen Schüler und Lehrer ein kleines Päckchen, aber gemeinsam schaffen wir das. Und mit dieser Lösung können wir dann in den nächsten Jahren gut arbeiten und leben.

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