Arbeitskreis Toleranz und Vielfalt - Gründung im Februar 2021 / Umfrage gestartet

Viele Osterburkener erfahren Rassismus

Nachdem eine Gruppe Neonazis durch Osterburken marschiert war, gründete sich der Arbeitskreis „Toleranz und Vielfalt“. Er startete eine Umfrage, deren Ergebnisse zeigen, dass viele Einwohner Erfahrungen mit Rassismus gemacht haben.

Von 
Nicola Beier
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Um sich klar gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu positionieren und auf Fremdenfeindlichkeit aufmerksam zu machen, gründete sich in Osterburken der Arbeitskreis „Für Toleranz und Vielfalt“. © Peter Endig

Osterburken. Nachdem eine Gruppe Neonazis durch Osterburken marschiert war, gründete sich der Arbeitskreis „Toleranz und Vielfalt“. Er startete eine Umfrage, deren Ergebnisse zeigen, dass viele Einwohner Erfahrungen mit Rassismus gemacht haben.

Osterburken. „Migration tötet!“, diese rassistische Parole war auf einem Banner zu lesen, das eine Gruppe vermummter Neonazis auf dem Deck des Osterburkener Parkhauses hisste. Das Video zur Aktion wurde am 17. Dezember in den Sozialen Medien verbreitet (die FN berichteten).

Aufgrund dieses Vorfalls und weil bereits in der Vergangenheit rassistische Aktionen bemerkt wurden, gründete sich im Februar der Arbeitskreis zum Thema „Toleranz und Vielfalt“. Er soll allen Menschen Raum bieten, die Rassismus und Rechtsextremismus in Osterburken nicht dulden und etwas dagegen tun möchten, heißt es von Seiten der Gruppe.

Gemeinsames Ziel

Zu den zehn Mitgliedern zählen Studenten, Erzieher und Sozialarbeitern. Jede Altersgruppe ist dabei vertreten. Gemeinsamkeit ist, dass sie die Verbreitung von rechtem Gedankengut in ihrer Heimat nicht wünschen und aktiv dagegen vorgehen möchten.

Durch den Arbeitskreis soll Aufmerksamkeit für das Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erzeugt werden. Die Mitglieder haben einen zentralen Wunsch: „Wir erhoffen uns, dass solche Vorkommnisse von politischer Seite in Zukunft nicht totgeschwiegen, sondern der Bevölkerung gleich mitgeteilt werden.“ Außerdem solle die Stadt sich klar gegen rechtsgerichtete Aktionen positionieren. Gemeinsam wolle man darauf aufmerksam machen, dass Rechtsextremismus in Osterburken nicht erwünscht ist.

Um die Rassismuserfahrungen der Bürger sichtbar zu machen, erstellte der Arbeitskreis eine anonyme, digitale Umfrage an der innerhalb von zwei Monaten rund 250 Personen zwischen zehn und über 70 Jahren teilnahmen. Davon wohnen rund 80 Prozent in der Römerstadt, der Rest verteilt sich auf die Ortsteile. 30 Prozent der Befragten gaben an, Eltern oder Großeltern zu haben, die nach Deutschland zugewandert sind; neun Prozent seien selbst zugewandert. Insgesamt 90 Prozent der Befragten besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Erfahrungen gemacht

Auffallend ist, dass rund 30 Prozent der Befragten angaben, bereits selbst Erfahrungen mit Rassismus gemacht zu haben. Dabei gehe es unter anderem um verbale Ausgrenzung, Anfeindungen, Beleidigungen bis hin zu körperlicher Gewalt. 2,5 Prozent der Befragten würden sogar regelmäßig mit solchen Aktionen konfrontiert. Dabei waren die Täter nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Personengruppen (in sieben Prozent der Fälle). Die Teilnehmer bekamen in der Umfrage die Möglichkeit, ihre Erfahrungen wiederzugeben (siehe Infobox).

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Aus der Umfrage geht ebenfalls hervor, dass sich 63 Prozent der Befragten wünschen, mehr Aufklärung in Bezug auf Rechtsextremismus und Rassismus zu erfahren, weil sie rechtsextreme Gruppen als gefährlich einstufen. Auf die Frage, welche Art von Aufklärung sinnvoll sei, wurden vermehrt schulische Veranstaltungen und neue Orte der Begegnung genannt. 93 Stimmen sagten, dass sie sich vom Gemeinderates mehr Aufklärung wünschten.

Die Stadtverwaltung äußerte Interesse an den Ergebnissen der Umfrage. Die Mitglieder des Arbeitskreises wollen diese in den nächsten Tagen dort präsentieren. Sie hoffen so, die Kommune mit ins Boot zu holen. „Für die Stadt Osterburken bieten die Umfrageergebnisse eine Grundlage, um konkrete Schritte für ein gemeinschaftliches Zusammenleben ohne Rassismus und Rechtsextremismus einzuleiten. Rassistische und rechtsextreme Vorfälle müssen frühzeitig publik gemacht und diskutiert werden. Der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung“, sind sich die Mitglieder des Arbeitskreises sicher.

Dabei sei man sich ebenfalls einig, dass die Arbeit an Schulen unglaublich wichtig sei, da sich rechtsextremes und rassistisches Gedankengut meist schon in jungen Jahren festige. Deshalb stand man in Bezug auf die Umfrage in Kontakt mit den Schulleitern des Ganztagsgymnasiums Osterburken, der Realschule sowie der Schule am Limes.

Außerdem soll Kontakt zu den Gruppen der Bürgerwerkstatt aufgebaut werden, um gemeinsame Aktionen zu veranstalten und so einen Raum für Gespräche zu schaffen. „Wir als Arbeitskreis wünschen uns, dass Raum geschaffen wird für ein kulturell vielfältiges Miteinander und freuen uns über Menschen, die diese Aufgabe auch für wichtig halten und uns mit ihren Ideen unterstützen wollen“, heißt es von Seiten der Gruppe.

Anonyme Teilnehmer der Umfrage schilderten eigene Erfahrungen:

„Meinen Eltern wurden schonmal Sachen zugerufen wie ,Heil Hitler’, ,ihr scheiß Kanaken’, ,ihr nehmt uns nur die Jobs weg’ oder ,ihr wollt nur Kinder in diesem Land kriegen’. Die damalige Grundschullehrerin wollte mich bereits von Anfang an in einen Deutschförderunterricht schicken, ohne mich jemals gesehen zu haben, weil meine Eltern Russen sind. Auf dem Gymnasium wurde mir wiederum gesagt, Ausländer sind so dumm, dass sie keine Positionen wie Ärzte annehmen dürfen/sollten.“

„Auf diversen Festlichkeiten in der Gemeinde Osterburken kam es öfter zu Auseinandersetzungen zwischen rechten/fremdenfeindlichen Bürgern und Menschen anderer Herkunft oder politischen Gesinnungen. Sehr häufig gingen die Konflikte von den rechtsorientierten Bürgern aus.“

„Auf die Schule gewechselt nach Osterburken aus dem Heilbronner Kreis kommend. Ich war geschockt, wie viel Rassismus verbreitet war. Ständig abfällige Kommentare gegenüber Ausländern, nicht nur von den Schülern, teilweise auch von den Lehrbeauftragten.“

„Ich konnte Rassismus in der Gemeinde regelmäßig beobachten. Freunde und Bekannte mit Migrationshintergrund wurden regelmäßig aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens diskriminiert. Sie wurden verbal und seltener auch physisch angegriffen. Meist von Jugendgruppen auf Feiern oder in Jugendhäusern. Aber auch ältere Mitbürger machten durch rassistische Äußerungen auf sich aufmerksam. Auf Feiern und in Jugendhäusern wird zudem rechtsextreme Musik geduldet.[…].“

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