Osterburken. Vermummte Neonazis zogen Mitte Dezember durch Osterburken. Dazu veröffentlichten sie auf ihrem Instagram-Kanal ein Video, welches mittlerweile mehrere Tausend Mal aufgerufen wurde (die FN berichteten). Hinter der Tat steckt vermutlich die Gruppe „Nord Württemberg Sturm“, ein lokaler Ableger der deutschlandweit aktiven Gruppe „Junge Revolution“.
Timo Büchner beschäftigt sich bereits einige Jahre mit der Neonazi-Szene in Nordwürttemberg und veröffentlichte dazu unter anderem die Broschüre „Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher & Neckar“ (2018). Auch die „Junge Revolution“ und ihren regionalen Ableger „Nord Württemberg Sturm“ (NWS) hat er seit der Gründung im Blick, vor allem deren Kanäle in den Sozialen Medien. Von dort bezieht er viele seiner Informationen.
Definitiv rechtsextrem
So ist er auf das Video gestoßen, wozu er am 13. Januar einen Artikel auf dem Blog „Störungsmelder“ der „Zeit“ veröffentlichte. Seiner Meinung nach ist der NWS definitiv nationalsozialistisch. „Er und seine Mitglieder verbreiten via Instagram und Telegram unzählige Inhalte, die die nationalsozialistische Ideologie verherrlichen“, so Büchner. Ein anschauliches Beispiel sei, dass der NWS im November 2020 ein Foto einer blonden, blauäugigen Frau mit der Parole „Don’t be a race traitor“(übersetzt: „Sei kein Rasseverräter“) veröffentlichte. „Das ist exakt die Blut-und-Boden-Ideologie, die von der NSDAP propagiert wurde. Kurzum: Wer sich mit dem NWS identifiziert, ist ein Neonazi“, schlussfolgert Büchner.
Laut seiner Recherchen besuchten Mitglieder geheime Wehrsportcamps oder planten geheime „Kameradschaftsabende“. „Gleichzeitig sind die Mitglieder des NWS in der Gesellschaft verankert: Sie sind Kfz-Mechaniker, Zimmermänner, auch Studenten.“ Es sei die Aufgabe der demokratischen Zivilgesellschaft, die Stimme gegen NS-Gedankengut zu erheben, so Büchners Meinung.
Über die Aussage Galms: „Wir wären bestürzt, sollten sich solche Bewegungen in der Region verfestigt haben“, ist Büchner verwundert: „Ich habe 2014 im Ganztagsgymnasium Osterburken einen Vortrag über Rechtsrock gehalten. Mehrere Neonazis, die am Abend zuvor das Schulgelände mit extrem rechten Stickern übersät hatten, wollten die Veranstaltung stören.“
Stellungnahme veröffentlicht
Derweil veröffentlicht Bürgermeister Jürgen Galm gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats Werner Geiger (FWV), Margaret Horb (CDU) und Klaus Vogel (SPD) eine Stellungnahme zum Geschehen, in der es heißt: „In Osterburken war und ist kein Platz für Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Deshalb verurteilen wir, Bürgermeister und die im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, explizit den rechtsmotivierten Marsch durch unsere Fußgängerzone bis zum Parkhaus [...]. Denn die Stadt Osterburken mit ihren Stadtteilen ist eine weltoffene Stadt, die gerade geflüchtete Menschen durch ein großes gesellschaftliches Engagement immer offen empfangen hat.“
Weiter ist zu lesen: „Aus diesem Grund hat die Stadtverwaltung, unmittelbar nachdem sie von dem im Internet kursierenden Video im Dezember erfahren hat, die Polizei informiert und Anzeige erstattet. Seither besteht enger Kontakt mit der Polizei, und der Stadt war bekannt, dass bereits Ermittlungen laufen. Vorrangig um diese nicht zu gefährden, aber auch um Rechtsextremisten, wo immer diese auch wohnen, keine zusätzliche Plattform zu bieten wurde zunächst nicht über die Vorfälle berichtet.“ Da Rechtsextremismus ein Thema sei, welches die gesamte Gesellschaft betreffe und daher auch nur gemeinsam mit der gesamten Gesellschaft bewältigt werden könne, sucht die Stadt den Schulterschluss mit der Bevölkerung: „ Im Gemeinderat werden wir daher gemeinsam über das weitere Vorgehen beraten. Wir begrüßen es, wenn sich engagierte Bürgerinnen und Bürger diesbezüglich miteinbringen.“ Da gerade die Osterburkener Ganztagsschulen darüber hinaus Extremismus-Prävention nicht nur durch ihren Unterricht, sondern auch durch zahlreiche Projekte leisten, steht die Stadtverwaltung ebenfalls bereits in Kontakt mit den Schulen.
In der Bevölkerung war das Entsetzen über den Marsch groß, was einige Leser auch zum Ausdruck brachten. Bürgermeister Galm sah sich dabei jedoch etwas missverstanden: „Ich hatte beim Betrachten der Leserbriefe den Eindruck, dass in meine im Zeitungsbericht zitierten knappen Anmerkungen Dinge hineininterpretiert wurden, die ich zurückweisen muss. Nichts läge mir ferner, als einen solchen Vorfall organisierter Fremdenfeindlichkeit zu verharmlosen oder die Stadt Osterburken zur „unschuldig-heilen Welt“ zu erklären. Vielmehr bin ich geschockt, dass ein solch menschenverachtender Aufmarsch auf unserem Stadtgebiet stattgefunden hat und dies noch dazu ganz feige mit Vermummung der Teilnehmer im Rahmen einer Nacht-und-Nebel-Aktion, von der niemand etwas mitbekommen hat. Meine Aussage, dass sich ein derartiger Vorfall von Fremdenfeindlichkeit in Osterburken in der Vergangenheit glücklicher Weise noch nie ereignet habe, bezog sich ganz konkret auf einen solchen organisierten Aufmarsch größeren Ausmaßes. Niemals wollte ich damit Formen von sogenanntem ,Alltagsrassismus’ leugnen.“
Ermittlungen nicht gefährden
Auch wurde in den Briefen bemängelt, dass die Bürger nicht früher über die Tat informiert wurden. Dazu sagt Galm: „Einerseits: Informationen müssen immer auch verlässlich und fundiert sein. Solange uns als Stadt keine gesicherten Erkenntnisse der Polizei vorliegen, wäre es fatal, wenn wir ,Halb-Informationen’ und Mutmaßungen vorschnell weitergeben und damit auch noch die polizeilichen Ermittlungen gefährden. Andererseits: Über strafrechtliche Delikte informiert naturgemäß die Polizei die Bevölkerung im Rahmen eines, in der Presse veröffentlichten, Polizeiberichts. Wann und ob Informationen über einen strafrechtlich relevanten Vorfall in Osterburken veröffentlicht werden, liegt demnach nicht im Ermessen von Stadt, Gemeinderat oder Bürgermeister.“
Die Ermittlungen der Polizei gehen derweil weiter. Aus ermittlungstaktischen Gründen können jedoch noch keine weiteren Informationen bekannt gegeben werden, erklärt Gerald Olma, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, von der Polizei Heilbronn.
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