Niederstetten/Bad Mergentheim. Dass Angeklagte vor Gericht nicht die (ganze) Wahrheit sagen, dürfte häufiger vorkommen. Doch dass sie dies zu ihrem eigenen Nachteil tun, dürfte wesentlich seltener vorkommen als umgekehrt. Denn Argumente zum eigenen Vorteil sind quasi Alltag. Doch in seiner jüngsten Sitzung erlebte das Schöffengericht in Bad Mergentheim einen Mann, der regelrecht darauf hinarbeitete, die Strafe allein zu kassieren.
Einbrüche unter anderem im Bauhof Niederstetten und einem Bageno-Markt?
Was war passiert? Dem 43-jährigen C. wurde vorgeworfen, mehrere Diebstähle gemeinschaftlich mit dem S. begangen zu haben. S. ist für das Gericht bei Weitem kein Unbekannter, er ist massiv vorbestraft und steht aktuell unter Bewährung.
Auch in den FN kamen seine Taten schon zur Sprache. Denn er wurde bereits wegen Betrugs im Zusammenhang mit der Cryptowährung Bitcoin sowie für mehrere Einbrüche und Diebstähle in der Region zu längeren Haftstrafen verurteilt.
C. soll bei den Einbrüchen und Diebstählen Mittäter gewesen sein. Zusammen mit S. soll er im Sommer 2022 unter anderem im Bauhof Niederstetten, einem neu gebauten Stall in Oberrimbach und einem Bageno-Markt eingebrochen sein und verschiedene Gegenstände gestohlen haben.
Diebstahl von Baumaschinen und technischen Geräten
Im Zuge einer großen Razzia am Wohnort von S. und C. (C. lebte als Partner der Schwester von S. ebenfalls einige Zeit auf dem Familienanwesen) wurden hunderte Gegenstände als Diebesgut durch die Polizei sichergestellt. Im Prozess am Amtsgericht war davon jedoch nur ein Teil angeklagt. „Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs von größeren Einbruchsserien“, ordnete Richterin Susanne Friedl den Prozess ein. Nur etwa ein Drittel der weit über 100 beschlagnahmten Gegenstände – oft Baumaschinen oder technische Geräte – ließen sich Besitzern zuordnen und damit rechtssicher anklagen.
Während die Staatsanwalt C. und S. als Täter vermutete, erklärte C. über seinen Anwalt, er habe alle genannten Taten allein oder mit einem Dritten begangen. Den S. erwähnt er dabei nicht, dieser soll die Taten demnach nicht begangen haben. So belastete sich der Angeklagte selbst deutlich, denn eine bloße Mittäterschaft in untergeordneter Rolle würde ein milderes Strafmaß ermöglichen.
Lässt sich der Angeklagte bei seiner Aussage beeinflussen?
Für eine Zeugin war diese Aussage jedoch nicht glaubhaft. Als ehemalige Partnerin von S. wohnte sie eine Zeit ebenfalls auf dem Anwesen und bekam die illegalen Machenschaften ihres Partners mit. C. als Einzeltäter? „Das kann nicht sein“, war sie sich sicher. Sichtlich aufgebracht sprach sie davon, dass C. sich „von der Familie S. beeinflussen lässt“. Denn sie will nachts beobachtet haben, wie C. und S. die Beute eines Diebstahls aufteilten.
Zudem habe S. ihr gegenüber von entsprechenden Taten berichtet, müsste demnach zwingend beteiligt gewesen sein. Zumal er für die Taten in einem separaten Prozess zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt wurde, dieses Verfahren wird demnächst am Landgericht Ellwangen als Berufungsinstanz neu verhandelt. Sogar eine Absprache, wonach ein C. die Straftaten von S. auf sich nehmen soll, um diesen vor der Haft zu schützen, will die Zeugin gehört haben.
War C. nun – wie er selbst behauptet – Einzeltäter oder, wie von der Anklage behauptet, gemeinsam mit S. auf Diebstahlstour? Eine ungünstige und paradoxe Situation für Verteidiger Falko Schöppler. Er musste gemäß den Vorgaben seines Mandanten handeln, wenngleich dieser sich selbst schadete. So zog Schöppler gezwungenermaßen in einer Befragung die für C. entlastende Aussage der Zeugin in Zweifel – verkehrte Welt gewissermaßen.
Gegen eine Einzeltat sprach für einen ermittelnden Polizisten die bloße Menge der gestohlenen Gegenstände. „Wir vermuteten aufgrund der Menge mindestens zwei oder sogar drei Täter. Der Herr S. war nie alleine unterwegs“, so der Polizist. Außerdem: „Der Einbruch in den Bauhof Niederstetten riecht für uns nach Familie S.“
Große Razzia auf Anwesen bringt rund 120 Objekte zum Vorschein
Dementsprechend war es für die zahlreichen Polizisten wenig überraschend, das Diebesgut bei einer Razzia auf dem Anwesen der Familie S. zu finden. Unter den insgesamt rund 120 Gegenständen befanden sich neben den verschiedenen Gerätschaften aus dem Bauhof auch zahlreiche weitere Geräte aus mehreren Einbrüchen im weiteren Umkreis, selbst in ein Vereinsheim im bayerischen Ochsenfurt brach das Duo ein.
Für das „geplante Vorgehen mit nicht unerheblichem Schaden“ forderte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die angesichts fehlender Vorstrafen bei C. zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Im Gegensatz zur Anklage sah Schöppler die gemeinschaftliche Tatbegehung nur als „Vermutung“ und forderte ein Jahr Haft, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung, für seinen Mandanten.
Das Schöffengericht folgte mit seinem Urteil der Anklage und verurteilte C. wegen fünf Fällen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Strafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden. „Der Angeklagte nimmt Sachen auf sich, um S. zu schonen“, schenkte Richterin Friedl dem Geständnis wenig Glauben.
Sie habe dieses Verhalten im Zusammenhang mit S. schon mehrfach beobachtet. Auch die eigenwillige Verteidigungsstrategie fiel ihr auf: „Man hatte den Eindruck, dass hier mehr S. als C. verteidigt wird. Die Frage ist nur: Würde sich S. genauso vor Sie stellen?“ Die Taten seien gewerbsmäßig, die Maschinen würden zum Weiterverkauf gestohlen, im Umfeld der Verurteilten kam es bereits zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Hehlerei.
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