Niederstetten. Er war in vielfältiger Weise für seine Heimatstadt Niederstetten engagiert – gleichzeitig aber ein Mensch von bescheidener Menschlichkeit. Und obwohl er über die Jahre hinweg viele Leitungspositionen innehatte, drängte er sich nie nach vorne: Ernst Wollinger, der große Mentor und Leiter des Niederstettener Winzertanzes, ist in seinem 86. Jahr gestorben.
Wollinger war Jahrgang 1937. Er wuchs also in entbehrungsreichen Jahren auf; der Einsatz für das Gemeinwohl seiner Heimatstadt gehörte für ihn aber immer dazu. Obwohl sich Wollinger in vielen örtlichen Vereinen und im evangelischen Kirchengemeinderat eingesetzt hat, war der alljährliche Winzertanz zur Herbstfestzeit sein öffentlichkeitswirksamstes Kind.
Weit über drei Jahrzehnte lang war er der väterliche Leiter des großen und farbenprächtigen „Jugendphänomens im Vorbachtal“. Dabei hat er es vielfach erlebt, dass seine jungen Schützlinge auch über die Stränge schlugen: Wollinger stellte sich jedoch mit einem festen Glauben an das Gute im Menschen stets vor seine Tänzer.
„Was mich aber fasziniert, ist, dass ich feststelle, dass die heutige Jugend eigentlich kein Jota schlechter ist, als die von früher“, sagte Ernst Wollinger in einem Zeitungsinterview. Das Aufmüpfige gehöre zur Jugend, doch Wollinger war sich seiner natürlichen Autorität bewusst. Originalton im Dialekt: „Wenn ich was sooch, dann spure die Kerle!“
Er war zusammen mit seiner Frau Helga der Motor und auf dem Festplatz Herz und Hirn des Tanzes. Wollinger schmiedete die zunächst Einzelnen über die Probewochen hinweg zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen. Jeder Tänzer, jeder Tänzerin, so seine Überzeugung, muss im Ganzen aufgehen, und dabei entstehe ein Klima, „wo die Leut’ wisse, wo’s nou ghäre.“ Wollinger zeigte sich dabei als pädagogisches Naturtalent. Er stand für seine Sache – und für diese wie ein Fels in der Brandung: Zusammen können wir es schaffen! Unter diesem Motto trägt jeder so viel Verantwortung, wie er tragen kann. Letztlich sich selbst zuliebe. Und immer auch für den „Ernscht“, wie er liebevoll genannt wurde.
Im Jahr 2009 wurde Ernst Wollinger für sein hohes ehrenamtliches Engagement die Bürgermedaille der Stadt Niederstetten verliehen. Wertschätzung erhielt er damit auch für seinen Einsatz in der „Steidemer Spätlese“ – ein langjähriges Seniorenprojekt in Niederstetten mit vielfältigen Programmpunkten für ältere Einwohner.
Auch im Freilichttheater im Tempele hat sich Ernst Wollinger als Bühnendarsteller eingebracht. In Peter Shaffers dramatischem Verschwörungskrimi um das Leben und Sterben von Amadeus Mozart etwa, war er als hochrangiger Adliger am Hof von Kaiser Joseph II. zu sehen. Für Begeisterung sorgte Wollinger dann 2010: Im weltbekannten Singspiel „Im weißen Rössl“ avancierte er zum habsburgischen Kaiser. Als Franz Joseph I. vermochte Wollinger der im Grunde komischen Rolle eine große emotionale Tiefe zu geben. Viele Theaterbesucher erinnern an Wollingers feinfühlige Interpretation der Musiknummer „S’ ist einmal im Leben so, andern geht es ebenso, was man möcht’ so gern, liegt so fern!“ Das hat im Herzen berührt und bleibt im Gedächtnis. mws
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