Röttingen. Seit 35 Jahren sind die Mitglieder und Freunde des Niederstettener Heimatvereins „Steidemer Männle“ so einiges gewöhnt bei ihrer alljährlichen „Wanderung zwischen den Jahren“. Dabei ging es doch fast regelmäßig „bei Wind und Wetter, Eis und Schnee über Stock und Stein“.
„Eigentlich könnten wir es diesmal doch etwas gemütlicher ablaufen lassen“, das sagten sich der Vereinsvorsitzende Walter Krüger und seine Aktiven. Deshalb leiteten sie die fast hundert Teilnehmer ganz einfach auf dem Taubertal-Radweg über Schäftersheim nach Tauberrettersheim, ohne dass dabei die schon sprichwörtlich gewordene Romantik und gute Stimmung, gewürzt mit kleinen Überraschungen am Wegesrand, zu kurz kamen.
An Fackeln entlang
Schon nach recht kurzer Wegstrecke fielen einige brennende Fackeln in der Nähe der kleinen Tauberbrücke bei Schäftersheim auf. Rasch gesellte sich Ralf Schälling dazu und hatte Interessantes über den nahe gelegenen Ort zu berichten.
Bereits im späten Neolithikum haben sich hier Menschen angesiedelt und vor hundert Jahren konnten Siedlungsspuren der Bronze- und Eisenzeit nachgewiesen werden. Erste urkundliche Erwähnung fand Schäftersheim Mitte des 12. Jahrhunderts, so dass man hier bereits das 875. Ortsjubiläum feiern konnte. 1162 kam es zur Gründung des Prämonstratenserinnenklosters, das 400 Jahre lang, bis zur Zerstörung im Bauernkrieg, Bestand hatte. Nach dem 30jährigen Krieg erfolgte der Besitzübergang der Ortschaft an die Herren von Hohenlohe, wenig bekannt ist die Tatsache, dass Graf Karl Ludwig von Hohenlohe im Jahr 1709 in Schäftersheim einen gräflichen Garten einrichten ließ und dazu 1714 ein Lustschlösschen erbaute, das immerhin hundert Jahre lang existierte.
Relikte bis heute sichtbar
Der Platz, an dem man stand, sei, so erläuterte Ralf Schälling, durchaus geschichtsträchtig, denn dort hätte eine zeitlang eine Brauerei gestanden, deren Eiskeller und Brunnen immer noch sichtbar sind. Vom 17.Jahrhundert bis zum Jahr 1896 befand sich die Brauerei im Klosterhof, bis ein ortsansässiger Gastronom den Betrieb erwarb und an die Tauberbrücke verlegte. Die Schäftersheimer Brauerei bestand noch bis zum Jahr 1925.
Auf dem weiteren Weg ertönte plötzlich aus der Dunkelheit die Melodie „Behüt’ dich Gott, du Land der Bayern“ – Roland Landwehr hatte es sich nicht nehmen lassen, auf seiner Trompete mit dem kleinen Musikstück darauf aufmerksam zu machen, dass man die Grenze zum Freistaat Bayern überschritten hatte.
Nach kurzer Wegstrecke war der Festplatz von Tauberrettersheim erreicht. Hier wartete die Ortsbürgermeisterin Karin Fries. Als man vor einigen Jahren in der Nähe ein neues Baugebiet in Angriff nehmen wollte, stellte sich sehr bald heraus, dass dort ein uraltes Siedlungsgebiet gelegen hat und neben archäologischen Kleinfunden ein interessantes Kindergrab aus der Jungsteinzeit gefunden wurde.
Am Sportheim gab sie weitere Erläuterungen, während die Niederstettener Gäste bewirtet wurden: Tauberrettersheim hat heute 860 Einwohner, wurde 1103 erstmalig urkundlich erwähnt, ist eine Weinbaugemeinde und besitzt eine eigene Weinprinzessin. Ein besonderes Event ist die stimmungsvolle weiße Wein-Nacht, die alljährlich viele Besucher anzieht.
Besonders stolz ist der Ort auf seine Tauberbrücke, die 1733 von dem berühmten Architekten Balthasar Neumann geplant wurde, nachdem zuvor der hölzerne Vorgängerbau einem Hochwasser zum Opfer fiel. Ein bekannter Autor schrieb einmal über diese Brücke: „Kraftvolle Plastizität und Schönheit der Bogenführung zeichnen die Tauberbrücke aus.“
Kirche dreimal neu errichtet
Auch in der festlich erleuchteten St. Vitus-Kirche mitten im Ort gab es einiges zu berichten: Erstmalig 1225 erbaut, wurde sie insgesamt dreimal neu errichtet, weil Brände oder die Notwendigkeit zur Vergrößerung dies erforderten. Heute besticht die große Kirche durch ihre schöne, etwa 150 Jahre alte Innenausstattung. Seinen Abschluss fand der Kirchenbesuch durch den Gesang des Liedes „O du fröhliche“, auf der Orgel begleitet von Michael Bardo. Eine besondere Überraschung war der Vortrag des berühmten „Halleluja“, intoniert von Heike Wagner, Kathrin Linde und Michael Bardo. Von der Kirche waren es nur wenige Schritte durch romantische Gässchen zum Judenhof, wo es Karin Fries wichtig war, an das Schicksal der kleinen jüdischen Ortsgemeinde zu erinnern.
Quiz aufgelöst
Im Königinnenkeller war das Ziel der Wanderung erreicht und das Traditionsessen des „Steidemer Männle“, Siedfleisch mit Meerrettich, konnte von Mitgliedern des Wein-, Obst- und Gartenbauvereins aufgetischt werden.
Mit Spannung war die Auslosung des Heimatbuchquiz 2023 erwartet worden, die Dr. Adalbert Ruhnke, der Schriftführer des Vereins, vornahm. Es ging darum, zehn Fragen aus einem Kapitel des Niederstettener Heimatbuchs zu beantworten, das den Aufenthalt des Dichters Eduard Mörike in Wermutshausen und die Ereignisse des Jahres 1848 zum Thema hatte. Zu gewinnen gab es drei Sammelbände mit Geschichten aus und über Hohenlohe sowie zehn Reproduktionen eines fast hundert Jahre alten Loses der Niederstettener Roßmarktlotterie.
Zum Abschluss dankte Vereinsvorsitzender Walter Krüger allen Helfern, die die Veranstaltung möglich gemacht hatten und insbesondere der Hauptorganisatorin, Jessy Löber. aru
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