Bürgermeisterin will Tagesordungspunkt nicht vorziehen

Niederstetten: Gemeinderat verlässt geschlossen den Saal

Schnelles Ende nach Antrag auf Änderung der Tagesordnung. Bürgermeisterin schließt Sitzung nach fünfzehn Minuten

Von 
Inge Braune
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Niederstetten. Eigentlich hätte es an sich schon eine verhältnismäßig kurze Sitzung sein können – zumindest im öffentlichen Teil. Doch es kam erneut zu einem Eklat: Der komplette Niederstettener Gemeinderat verließ am Mittwochabend den Sitzungsort.

Auf der Tagesordnung der öffentlichen Gemeinderatssitzung am Mittwoch im „Kult“ standen eher freundliche Themen wie die dauerhafte Übernahme des Fahrtkostenzuschusses für die DLRG, die dauerhafte Auszahlung der Spätleseunterstützung ein städtischer Zuschuss zur Beschaffung von Kitzrettern an den Hegering, die Leichtgrubber-Beschaffung für den Schulbauernhof in Pfitzingen. Wenn ein Thema der öffentlichen Sitzung Zündstoff barg, hätte man den am ehesten unterm zweiten Tagesordnungspunkt erwartet: Nochmals beraten werden sollte die Koordination der Kontrollfunktion des Gemeinderates.

Und eigentlich wäre es in der anschließend anstehenden nichtöffentlichen Vorberatung um den Niederstettener Haushalt gegangen – ein Eilthema, denn bei diesem Thema ist die Vorbachkommune ohnehin in Verzug.

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Zu all dem kam es nicht. Noch bevor Bürgermeisterin Heike Naber mit dem ersten Tagesordnungspunkt, der Bekanntgabe von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung, beginnen konnte, beantragte Gemeinderat Alexander Böltz (CDU), den Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“, den Tagesordnungspunkt 10 , vorzuziehen.

Die Bürgermeisterin lehnte unter Berufung auf die abgestufte Wichtigkeit der Tagesordnung dieses ab – unter „Verschiedenes“ seien minder wichtige Punkte zu behandeln, Wichtiges müsse zuvor der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden und sei dann als regulärer Punkt der Tagesordnung zu behandeln. Auch eine Abstimmung über eine Änderung der Tagesordnung, die ihrer Ansicht nach ohnehin einstimmig hätte gefällt werden müssen, lehnte sie ab.

Verwaltung bleibt alleine zurück

Darauf verließ das Gremium – entschuldigt waren der Sitzung nur Ulrich Roth (AWV) und Wolfgang Dornberger, Niederstettener Ortsbeauftragter und Vorsitzender des beratenden Ausschusses „Niederstettener Stadträte“, ferngeblieben – geschlossen die Sitzung.

Recherchen von Gremiumsmitgliedern nach Verlassen des Raumes ergaben, so Klaus Lahr auf Nachfrage am Folgetag, dass eine einfache Mehrheit zum Vorziehen des Tagesordnungspunktes ausgereicht hätte. Dass das komplette Gremium – abgesehen von der Verwaltung – die Sitzung verließ, dürfte nach Einschätzung Lahrs keine Rechtsfolgen für die Mitglieder nach sich ziehen.

Zurück blieben neben der den Vorsitz führenden Bürgermeisterin, Stadtkämmerin Stefanie Olkus- Herrmann und dem Bauamtsleiter Sebastian Mayer etwa ein Dutzend konsternierte Bürger im Zuschauerbereich, die dem Auszug fassungslos zuschauten.

Naber unterbrach zunächst die Sitzung für fünfzehn Minuten. Zwei Gremiumsmitglieder – Klaus Lahr (SPD, dritter stellvertretender Bürgermeister) und Roland Landwehr (CDU) – kehrten ein paar Minuten später ins „Kult“ zurück, wobei Lahr die Bürgermeisterin laut und entschieden aufforderte, ihr Amt niederzulegen und Rathaus und Niederstetten zu verlassen.

Landratsamt äußert sich nicht

Aus dem Publikum erhob sich Gegenrede: Heike Naber sei bislang nicht rechtskräftig verurteilt, daher gelte die Unschuldsvermutung und die Gremiumsmitglieder hätten ihre Aufgabe zu erfüllen. Ein weiterer Zuhörer erinnerte die beiden Gemeinderäte daran, dass das Gremium doch komplett seine Ämter hätte niederlegen wollen, was (die FN berichteten) aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist.

Weiterer Zuschauerkommentar: „Das ist ein Kindergarten! Ihr seid dem Wohl der Gemeinde verpflichtet.“ Auch die Diskussion mit den Bürgern wurde phonstark, und Bürgermeisterin Naber erklärte nach Ablauf der fünfzehnminütigen Unterbrechung die Sitzung für geschlossen.

Auf Nachfrage der Redaktion beim Landratsamt Main-Tauber ließ Pressesprecher Markus Moll wissen, dass das Amt „zu einzelnen Fragen im Zusammenhang mit der aktuellen Situation in Niederstetten keine öffentliche Stellungnahme abgeben“ werde. Man habe sich bereits in der Pressemitteilung vom 13. Januar (wir berichteten) „umfassend und bis auf Weiteres abschließend geäußert“ und eine klare und sich unmittelbar aus dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ergebende Erwartungshaltung an den Gemeinderat und die Bürgermeisterin zum Ausdruck gebracht.

Der VGH hatte sowohl von der Bürgermeisterin als auch vom Gemeinderat die Bereitschaft zum Neuanfang einer konstruktiven Zusammenarbeit gefordert. Auch Landrat Christoph Schauder hatte alle Beteiligten aufgerufen, zu einer professionellen Zusammenarbeit zusammenzufinden.

Ausblickend teilte Moll mit, dass das Landratsamt, sofern erforderlich, im Hinblick auf die aktuellen Geschehnisse gemeinsam mit der Stadtverwaltung Niederstetten in einem strukturierten Verfahren Klärung suchen werde.

Auf Rückfrage bei Klaus Lahr, der als dienstältester Gemeinderat bereits seit 34 Jahren dem Gremium angehört, kündigte er eine Presseerklärung nach Ostern an, die auch einen deutlichen Appell an Landrat Christoph Schauder, „endlich etwas zu tun“, enthalten werde. Einstweilen hält Lahr es für „schwer vorstellbar“, dass in den nächsten Wochen noch ein Haushalt verabschiedet wird. Abgesehen davon werde man allerdings versuchen, anstehende, durch den Abbruch der Sitzung nicht abgearbeitete Entscheidungen durch Umlaufbeschlüsse zu fällen.

Freie Autorin Berichte, Features, Interviews und Reportagen u.a. aus den Bereichen Politik, Kultur, Bildung, Soziales, Portrait. Im Mittelpunkt: der Mensch.

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