40 Jahre Frankenfestspiele

Herrlich-schräges „Grusical“ mit liebenswürdig-bissiger Zeitkritik

Das Ensemble legt mit der Adaption des Filmes „Das Spukschloss im Spessart“ einen wunderbaren Start in die Jubiläumssaison hin

Von 
Felix Röttger
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Röttingen. Die Frankenfestspiele auf Burg Brattenstein glänzen zum Jubiläum mit einer fantasievollen Theateradaption des erfolgreichen Films „Das Spukschloss im Spessart“ von 1960 mit Liselotte Pulver. Dessen Handlung mit Außenaufnahmen in Miltenberg und Aschaffenburg knüpft locker an „Das Wirtshaus im Spessart“ von 1958 an.

Spritzig und unterhaltsam

Regisseur Lars Werneke ist mit seinem Drehbuch das Kunststück gelungen, in nur einem Jahr nach der erfolgreichen „Wirtshaus“-Inszenierung auch den zweiten, wegen seiner künstlerischen Qualität mit einem „Bambi“ ausgezeichneten Film für das Freilichttheater auf Burg Brattenstein als musikalische Komödie zu adaptieren. Mit einem engagierten Team bringt er die Vorlage spritzig und unterhaltsam auf die Bühne. Bestnoten verdient sich das Septett um Bandleader Rudolf Hild (Klavier) mit Christoph Lewandowski (Trompete), Hubert Holzner (Posaune), Ralf Brösamle (Violine), Martina Styppa (Violoncello), Hans-Jörg Haasis (Kontrabass) und Matthias Zippel (Reeds) mit Liedern des legendären Komponisten Friedrich Hollaender und Texten von Günter Neumann, der mit Heinz Pauck das Filmdrehbuch schrieb. Mit zusätzlichen Eigenkompositionen stimmt die Band gekonnt auf die Szenen ein.

Die Regie belässt das Stück in den frühen 1960er Jahren und richtet so den Scheinwerfer noch einmal auf die seinerzeit noch völlig unter den Teppich gekehrten – ja, wie in der Inszenierung regelrecht eingemauerten – Gespenster der Vergangenheit. Das Kriegsende liegt gerade mal 15 Jahre zurück, die Kriegsverlierer richten sich im beginnenden Wirtschaftswunder aufs Geldverdienen und den Wiederaufbau ein. So darf in einem „gottverlassenen Nest“ namens Bonn eine verhexte Kapelle Rumba spielen, und ein ausländischer Pseudo-Investor eines Spessart-Stausee-Projekts mit kölschem Zungenschlag seinen „enormi appetiti erotiki“ auszuleben versuchen.

Traumwandlerisch sicher

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Die Spießer und Beamten-Bürokraten bekommen gleich mehrfach ihr Fett ab. Ist 1960 die italienische „Riwiera“ das Traumziel der Deutschen, schickt ein Hotel-Magnat seinen Sohn Martin, trefflich und mit Charme ohne Ende gespielt von Manuel Jadue, zwecks Planung einer Luxusherberge in das romantisch-bröcklige Schloss Sandau der verarmten Gräfin Charlotte (mit reinem Herzen traumwandlerisch sicher im Spiel und Gesang: Antonia Donata Schwingel), wo Martin bar jeder Kenntnisse eine Schlossführung übernimmt und vergiftetes Lob von Tanne Yvonne (Angela H. Fischer behauptet sich mit Noblesse und Fatalismus gegen die Männerwelt) erntet: „Die Leute glauben einem alles, wenn man als Führer kommt.“

Es gibt auch dezentere Hinweise, etwa auf die Karrieristen mit Nazi-Vergangenheit, wenn Alexander Vogt als schwergewichtiger, aber schneidig auftretender Oberst Teckel mit brillanter Mimik mühelos in die Rolle einen beflissenen Ministerialbürokraten schlüpft. Angesichts der unübersehbaren Hochkonjunktur von Autokraten und der Präsenz der Kriegsgespenster in der realen und digitalen Welt lässt das Stück fast erschreckende Aktualität aufscheinen. So bleibt einem gelegentlich das Lachen im Hals stecken. Umso wohltuender erscheinen die harmlosen Späße der gut aufgelegten Geisterbrigade mit Frederike Faust, Daniel Ebert, Wolfram B. Meyer, Pascal Pfeifer und Chris van Mohring. Wie man als unsichtbare Wesen mit leichten Halleffekten überzeugend auf der Bühne agiert, haben Christoph Pöschko (Lichtdesign) und die Tonmeister Otto Geymeier und Anna Harandt elegant gelöst. Angesichts rasanter Bilder- und Kostümwechsel holen Stefan Mock (Bühnenbild), Angela C. Schuett (Kostümbild) und Patrick Stauf (Choreografie) das Maximum aus den technischen Möglichkeiten der Bühne mit Hub- und Drehelementen heraus, die immer wieder staunen lassen.

Bravourös schlägt sich der schlaksige Allessandro Gebhart in den Rollen des notgeilen Prinzen „Kalaka“ und des reichen Amerikaners „Mr. Jackson“, der den Gespenstern einen Trip zum Mond offeriert. Kurzfristig sprang Gebhart für den wegen einer Verletzung ausgefallenen Martin Petschan ein.

Verliert der Film zum Ende hin etwas an Schwung, kommt das Röttinger Ensemble nach der Pause mit einsetzender Dämmerung erst so richtig in Fahrt. Die romantische Räuberballade im „Wirtshaus“ mutiert im „Spukschloss“ zu einem herrlichen „Grusical“, das bei der Premiere des Films im Berliner Gloria-Palast zu Jubelszenen und großem Applaus führte. Nicht viel anders nimmt das Röttinger Premierenpublikum die Uraufführung auf, die schließlich weltweit noch niemand gesehen hat. Leider ist die Welt nicht ständig zu Gast in dem Weinstädtchen, aber bei den weiteren Aufführungen bis zum 20. August kann man sich auf ein spielfreudiges, bestens harmonierendes Ensemble freuen, das die witzigen Dialoge und fetzigen, satirisch angereicherten Lieder des legendären Friedrich Hollaender mit hörbarem Vergnügen aufs Parkett zaubert.

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