Herrenzimmern. Als das Treffen im Herbst mit Ortsvorsteher Jochen Emmert stattfindet und man sich im ehemaligen Schulhaus trifft, das den Gemeindesaal und die Verwaltung beherbergt, ist außer ihm auch ein älterer Herr anwesend, der als Notenwart gerade die Notenblätter für die nächste Probe zusammensucht. Rainer Kailuweit ist zu diesem Zeitpunkt einer der 145 Einwohner Herrenzimmerns und seine Geschichte zeigt, dass die Verbundenheit nie abreißt.
Als seine Eltern im Krieg ausgebombt waren, flüchteten sie nach Herrenzimmern und in eben diesem Saal, in dem er nun die Noten ordnet, erblickte er das Licht der Welt. Nach dem Krieg ging es dann zurück ins Rheinland, bevor er 60 Jahre später zurückzog, ein Haus baute und mit seiner Frau nun schon seit Jahren wieder ein fester Teil der Dorfgemeinschaft ist.
Gemeinschaft ist auch ein Schlüsselwort. Mit dem Jugend- und Tischtennisverein, dem Männergesangsverein, dem gemischten Chor Viva la Vida, der Kinderkirche, der Spvgg Apfelbach/Herrenzimmern, der Freiwilligen Feuerwehr, den Theaterfreunden Herrenzimmern, den Landfrauen und einer Seniorengruppe gibt es unglaublich viele Möglichkeiten sich einzubringen.
Außerdem verfügt Herrenzimmern noch über zwei Gastwirtschaften, die zu bestimmten Zeiten offen haben und in denen man sich trifft. Jochen Emmert ist hocherfreut: „Wenn man bedenkt, dass wir nur 145 Leute hier sind, kann man sich leicht ausrechnen, dass praktisch jeder in mehreren Vereinen ist. Das verbindet uns alle und das Ergebnis sehen wir jeden Tag. Im Sommer steht beispielsweise vor dem Jugendclub immer der Grill, es wird zusammen gegessen, getrunken, gequatscht, Mopeds werden repariert und selbst aus umliegenden Dörfern kommen junge Leute, weil der Treffpunkt bekannt und beliebt ist.“
Er selbst ist oft tief berührt, wenn er merkt, wie weit diese Verbundenheit geht. Kürzlich erst kam eine Anfrage aus Braunschweig. Eine junge Frau aus „HZ“, wie die jungen Leute ihr Dorf gerne nennen, fragte an, ob sie denn ihre Hochzeit in ihrer Heimat im Saal feiern dürfe. Oft kommen auch junge Familien auf Besuch, deren Kinder einen Latz tragen mit der Aufschrift „Herrenzimmern – Heimat mit Herz“, denn nicht nur die Leute aus dem Dorf, auch die Weggezogenen werden zur Geburt mit diesem Geschenk bedacht. Wobei man sagen darf, dass viele der Menschen, die des Berufs oder der Liebe wegen wegziehen, irgendwann später doch wieder hier landen und bleiben wollen.
Die Geschichte des Dorfes kennt Jochen Emmert, der seit 25 Jahren im Ortschaftsrat sitzt und seit fünf Jahren Ortsvorsteher ist, natürlich sehr gut: „ Unser Wahrzeichen ist die Schule mit Glockenturm, die 1900 erbaut wurde und die heute nicht nur als Gemeindesaal und Verwaltungssitz, sondern auch von den Vereinen des Ortes genutzt wird. Die erste Erwähnung fand natürlich viel früher statt, die ’Herren von Zimbern’ gab es schon 1170 und sie taten sich durch den Bau einer Wasserburg hervor, von der allerdings nichts mehr über ist.“
An dieser Stelle weist er lachend darauf hin, dass in „HZ“ schon immer nachhaltig agiert wurde: „Als das Denkmalamt mit Grabungen begann und auf reiche Funde aus dieser Zeit hofften, fanden sie: Nichts! Bei uns wurde schon immer alles wieder verwendet.“ Direkt gegenüber der ehemaligen Schule ist der Dorfplatz. Hier wurden im Gedenken an die im Krieg gegen Frankreich 1870/71 gefallenen Soldaten 1872 drei Bäume gepflanzt: die „Kaiser-Linde“ und die „Bismarck-Linde“ sowie eine „Moltke-Baum“ genannte Kastanie.
Nachdem ein Baum gefällt werden musste, pflanzte der Gesangverein anlässlich des 125-Jahr- Jubiläums wieder einen Baum an gleicher Stelle, damit das Bild wieder passt.
In direkter Umgebung liegt oberhalb von Herrenzimmern ein beliebtes Naherholungsgebiet: das Hochwasser-Rückhaltebecken mit Aschbachsee und angrenzendem Jugendzeltplatz, der über die Verwaltung gebucht werden kann. Wie schön es dort ist, hat sich mittlerweile ganz gut rumgesprochen. So trafen sich dort schon eine Rockergruppe der Ü60-Fraktion aus Stuttgart zum friedlichen Feiern genauso wie Yoga-Begeisterte, die dann mit 70 Teilnehmern Yoga am See zelebrierten.
Wer dort nächstes Jahr etwas plant, braucht Glück, fast alle Termine sind schon vergeben. Dort am See trifft man dann den Ortsvorsteher des Öfteren an. Neben seinem Beruf als Soldat, seiner Familie und der Arbeit als Ortsvorsteher betreibt er noch die Imkerei und geht, so oft es die Zeit zulässt, mit seinen Hunden spazieren: „Irgendwie lande ich meistens am See, setze mich einfach hin und schaue mir dieses tolle Panorama an und denke mir, dass ich nirgendwo anders sein möchte!“
Wie fast immer im Leben ist aber nicht alles nur schön. So ist man dabei Planungen voranzutreiben, was die Starkregenereignisse angeht. Da schon ein Rückhaltebecken vorhanden ist, ist man ziemlich sicher, was Perioden mit länger anhaltendem Regen angeht. Anders sieht es aus, wenn innerhalb kürzester Zeit Wassermassen auf den Ort niederprasseln: „da wir ringsum von Hängen umgeben sind, kann es dann zu massiven Problemen kommen“, weiß Jochen Emmert um die Gefahren.
Auch die Innerortentwicklung mit den Baumöglichkeiten beziehungsweise Umwidmung der Leerstände ist ein wichtiges Thema, genau wie die Erhaltung des Straßen- und Wegenetzes, hier fallen viel Arbeit und hohe Kosten an.
Und noch einen Wunsch gibt uns der Ortsvorsteher mit auf den Heimweg: „Eine bessere Anbindung an das Radnetz wäre richtig toll für uns. Durch die E-Bikes sind viel mehr Menschen in Gegenden unterwegs, die früher nur passionierte Fahrradfahrer kannten. Das in Verbindung mit unserem See wäre ein echtes Highlight!“
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