Niederstettens Stadtteile im Fokus (Teil 4)

Ein Ort, in dem man sich kennt

Pfitzingen – Charmantes Dorf in der Warteschleife

Von 
Roland Mehlmann
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Pfitzingen. Zwischen Niederstetten und Weikersheim liegt oben auf der Höhe das Dorf Pfitzingen. Schnell erkennt man, dass „Pfitzi“ sehr von der intensiv betriebenen Landwirtschaft geprägt ist. Weit über die Grenzen des Main-Tauber-Kreises bekannt gemacht hat den Ort der Schulbauernhof.

Jürgen Hoffmann ist mit seinen 30 Jahren ein Ortsvorsteher der jungen Generation und erst einige Wochen im Amt. Als gebürtiger „Pfitzemer“ kennt er natürlich sein Heimatdorf wie seine Westentasche und gibt gerne Auskunft: „Pfitzingen ist ein Ort, in dem man aneinander kennt und eine große Verbundenheit pflegt. Jeder weiß, wenn irgendwo Not am Mann ist und oft erhält man schon Unterstützung, bevor man überhaupt darum bitten kann!“

Einwohner sind in mehreren Vereinen aktiv

Die 135 Einwohner sind in mehreren Vereinen aktiv, es gibt die Freiwillige Feuerwehr, den Gesangsverein, der mit Herrenzimmern zusammengeschlossen ist, den VfB Stuttgart Fanclub und natürlich den Jugendclub. Clubchef Patrick Brenner betont die Wichtigkeit: „Wie in vielen unserer Nachbardörfer gibt es auch bei uns kein Lokal, das man mal besuchen könnte. So haben wir uns ein Häuschen hergerichtet, in dem wir uns treffen können und auch unsere Aktionen planen. Ob Weihnachtsmärkte, Feiern zum 1. Mai und Weißwurstfrühstück, wir sind da ziemlich aktiv.“ Grinsend fügt er dann dazu: „Und ein Highlight des Jahres ist zweifellos unser Feinrippabend, für den wir sogar die Feinrippunterhemden bedrucken ließen.“

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Bei einem Ortsrundgang erzählt Jürgen Hoffmann von den Schwierigkeiten, mit denen er sich konfrontiert sieht. So sind viele Renovierungen, Reparaturen, Instandhaltungen der Wirtschaftswege und Innovationen wegen knapper Kassen sehr schwierig umzusetzen. Viele angeschobenen Projekte sind jetzt zunächst gestoppt. Was auch gestoppt ist, und das schon seit fast zehn Jahren, sind die Arbeiten an einer Brandstelle mitten im Ort. Am 4. Februar 2015 brannte ein Wohngebäude komplett ab und auch das danebengelegen Haus erlitt schwere Schäden. Alle Bemühungen mit der Renovierung beginnen zu können, scheiterten bis heute am Denkmalschutz und eine kurzfristige Lösung ist auch nicht wirklich in Sicht. „Das Gelände bietet mit den vielen nebeneinander gelegenen Gewölbekellern eine Menge Möglichkeiten, aber solange der Denkmalschutz kein Okay gibt, müssen wir mit dem Schandfleck leben. Wahrlich kein schöner Anblick, wenn Brautpaare am schönsten Tag ihres Lebens aus der Kirche kommen und erstmal direkt auf eine Ruine schauen“, ärgert sich Jürgen Hoffmann.

Profundes Wissen der Geschichte

Die Kirche selbst ist ein überraschend großes Gebäude und kurzerhand schauen wir bei Richard Bauer vorbei, der über ein profundes Wissen der Geschichte Pfitzingens verfügt. Seine Familie diente viele Generationen dem Geschlecht der Fürsten von Hohenlohe-Bartenstein, als diese noch Herren über den heutigen Schulbauernhof waren. Richard Bauer weiß über die Kirche Folgendes zu berichten: „Seit 1050 ist Pfitzingen schon eine eigene Pfarrei und 1521 gehörten wir zu den ersten Gemeinden, in denen evangelisch gepredigt wurde. Da noch andere Ortschaften angegliedert waren und man einerseits mit regem Wachstum rechnete, andererseits aber auch ein starkes Zeichen setzen wollte, wurde groß gedacht und groß gebaut. Zeitweise sollen 500 bis 600 Sitzplätze vorhanden gewesen sein.“ Nächster Halt ist der Schulbauernhof, der seit 1992 in Pfitzingen beheimatet ist und der regelmäßig Schulklassen als Landschulheim dient. Dort sollen die Kinder lernen, wo das Essen herkommt, Einblicke in die landwirtschaftliche Produktion gewinnen, die Arbeitsabläufe, ökologischen, ökonomischen und sozialen Zusammenhängen erkennen und ein realistisches Bild heutiger Landwirtschaft entwickeln. Thomas Löhr ist Leiter der Einrichtung und begeistert von dem Miteinander des Schulbauernhofes mit dem restlichen Dorf: „Nicht immer klappt das reibungslos, wenn staatliche Einrichtungen in einen kleinen Ort implementiert werden.

In Pfitzingen ist das aber ein so gutes Geben und Nehmen, wie man es sich besser kaum vorstellen kann. Wenn wir beispielsweise mal einen Mähdrescher brauchen, dann gibt es immer jemanden im Dorf, der mit der eigenen Maschine anrückt und uns hilft.

Oder als wir kurzfristig Schulräume ausräumen mussten, packten von der FFW bis zum Jugendclub alle mit an und ruckzuck war die Arbeit getan. Umgekehrt sind wir auch nur allzu gern bereit, falls wir irgendwo Hilfestellung leisten können!“ Also alles gut? Nein, es gibt noch etwas, was dem Ortsvorsteher und dem Leiter des Schulbauernhofes schwer zu schaffen macht. „Wir haben hier eine kurvige, enge und schwer überschaubare Ortsdurchfahrt. Was wir leider auch haben, ist massiver Schwerlastverkehr, die sich am oberen Ende der erlaubten Geschwindigkeitsskala durch den Ort bewegt. Wir leben in der ständigen Angst, dass die Einwohner oder die Kinder im Schulbauernhof sprichwörtlich unter die Räder kommen. Deswegen versuchen wir seit Langem, eine Tempo 30 Regelung für Pfitzingen zu bekommen. Leider bis jetzt ohne Erfolg. Scheinbar wird erst reagiert, wenn dann tatsächlich etwas passiert ist“, zeigen sich beide ziemlich besorgt und verärgert.

In der Tat gibt es auch während unseres Besuches regen Verkehr großer Lkw und das Laufen auf dem Gehsteig fühlt sich nicht sehr angenehm an. Bevor der Ortsvorsteher seinen Lieblingsplatz zeigt, berichtet er von einem seiner drängendsten Problemen: „Was uns massive Sorgen macht, ist der Mangel an Bauplätzen. Wir sind hier ein Dorf mit vielen jungen Menschen, die glücklicherweise gerne hier bleiben wollen. Die Natur hier ist wunderschön, man kennt sich seit Kindesbeinen an und fühlt sich geborgen, aber leider haben wir keine Bauplätze und die große Frage bei der Familiengründung ist für viele die Frage nach dem Wohnort. Hier muss dringend etwas getan werden!“ Und natürlich gibt es auch in Pfitzingen Spannungsfelder unter den Einwohnern, so können die Interessen der Wohnbevölkerung und die der Landwirte schon mal kollidieren und einen Konsens zu finden, gestaltet sich sehr schwierig.

Zum Abschluss des Gespräches geht es zum Wasen. Das ist ein großer Platz am Waldrand mit riesigen Bäumen, einem Spielplatz, Grillmöglichkeiten und genug Platz zum Kicken oder für andere Spiele. Nicht nur Jürgen Hoffmann findet es hier toll, ob die Feuerwehr ein Grillfest veranstaltet oder private Feiern und Treffen stattfinden, hier ist der Treffpunkt für alle Pfitzemer.

Eines muss dann noch erwähnt werden. Als wir uns gerade mit dem OV und Richard Bauer im Gespräch befinden und sie hervorheben, dass man sich im Dorf immer hilft und man immer weiß, wo man Hilfe bekommt, rollt ein großer Traktor auf den Hof, in dessen Frontlader ein Stück Blechrohr liegt und der Fahrer steigt aus und fragt Richard Bauer, ob er denn noch so ein Teil bei sich rumliegen hätte….und wundert sich nicht schlecht, als wir alle zu lachen anfangen.

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