Aufs Publikum wartet am 13. Juli eine Uraufführung - „Alice“-Fassung von bekannter Kölner Autorin speziell für Niederstettener Bühne geschrieben

"Alice" in Niederstetten: Haarsträubend, bizarr und poetisch

Absurder Humor, Poesie und beißende Systemkritik: Lewis Carroll hat in „Alice im Wunderland“ einen großen Spannungsbogen geschaffen. Als Theaterstück wird eine speziell für Niederstetten geschriebene Version am 13. Juli uraufgeführt.

Von 
Gottfried Beliengeres
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Nonsense-Requisitenbau: Grinsekatze-Darstellerin Sabine Ries stellt zusammen mit „Tempele“-Intendantin Heidi Maedel ein riesiges Wollknäuel her. Darauf wird Ries – in einer weiteren Rolle – auf die Bühne paddeln. © Gottfried Beliengeres

Niederstetten

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Die ländliche Umgebung der Universitätsstadt Oxford: Man kann sie durchaus mit den sanften Schwüngen und Hügeln des Tauber- und Vorbachtals vergleichen. In England ist es der mäandernde Oberlauf der Themse, der die Landschaft prägt. Genau 160 Jahre ist es her, dass Charles L. Dodgson – bekannt unter seinem Dichternamen Lewis Carroll – dort 1862 auf einem kleinen Miet-Kahn in der Juli-Hitze herumpaddelte. Mit im Boot: die kleine Alice Liddell und ihre Schwestern, Töchter des Universitäts-Dekans. Dodgson selbst wollte zunächst Priester werden, wurde dann Mathematik-Dozent in Oxford und war einer der ersten professionellen Fotografen der Geschichte. Eines seiner Lieblingsmotive: Alice. Ihr widmete Carroll ein Buch, das sehr schnell Weltgeltung erringen sollte: „Alice im Wunderland“.

Für die Spielertruppe des Theaters im Tempele hat die mehrfach ausgezeichnete Kölner Drehbuchautorin Simone Höft aus dem Stoff ein Theaterstück geschaffen. Am 13. Juli „wird es im Freilichttheater in Niederstetten also eine Uraufführung geben“, darauf weist Regisseur Ulrich Schulz hin.

Erfolg mit dem Ungewöhnlichen

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„Amadeus“, „Im weißen Rössl“, Shakespeares „Sturm“ und das Musical „Cabaret“ hat Schulz mit großem Erfolg für Niederstetten inszeniert und immer wieder auch mit unerwarteten und ungewöhnlichen Stoffen gepunktet – Pedro Almodóvars „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ etwa.

„Alice im Wunderland“ ist trotz aller Bekanntheit in der Popkultur auch so ein exotischer Stoff. Man kennt zwar die Figuren wie Hutmacher, Märzhase und Grinsekatze. Wirklich gelesen hat die Romane heutzutage allerdings kaum jemand. Den Charme eines Werks für Kinder für die „Erwachsenen-Bühne“ kompatibel zu machen – ob und wie das letztlich funktioniert, darauf darf und wird man sicher gespannt sein.

Das Interesse ist hoch: „Die Nachfrage nach Karten ist wirklich enorm“, sagt Heidi Maedel, die Intendantin des Tempele-Theaters. Bereits einen Monat vor den Aufführungen liege man mehrere hundert Karten über den sonstigen Vorverkaufszahlen.

Dabei hatte es der selbst finanzierte Theaterverein bislang alles andere als einfach: Die Produktion von „Alice im Wunderland. Kein Kinderspiel“ wurde durch die Pandemie ausgebremst, als einige Investitionen ins Stück schon gelaufen und die Plakate für 2020 bereits gedruckt waren. Jetzt müssen Gelder eingespielt werden, sonst könnte es in der Vereinskasse düster aussehen – doch das verrückte Welt-Stück zieht ganz offenbar.

Damit eine Theaterproduktion reibungslos läuft, braucht man nicht nur motivierte Spieler, sondern auch jede Menge helfende Hände. Vieles ging bisher im Ehrenamt – zum Beispiel der Bühnenbau und die Schneiderei. Hier hat der Verein aber mittlerweile zu kämpfen: Altershalber mussten bewährte Kräfte aussteigen, die Arbeiten wurden vergeben und müssen natürlich finanziert werden.

Zukunftssorgen also hier, ein gut aufgestelltes Ensemble dort – es wird geprobt an diesem Wochenende: Ein erster Durchlauf mit allen Auftritten, Vorhängen, Gesangsnummern am lauschigen Vorbachufer. Mit zahllosen Unterbrechungen, Korrekturen und Wiederholungen dauert das an die sieben Stunden.

Poetische Momente

Es liegt noch viel Arbeit vor Ensemble und Regisseur, das ist klar. Aber für einzelne Szenen gibt’s bereits Applaus von den Mitspielern. Ein Rap-Sprechgesang in wuchtiger Subkultur-Manier ist erfolgreich gesetzt worden. „Das wird vor allem den jüngeren Zuschauern gefallen“, ist man sich im Ensemble sicher.

„Carroll hat mit pointierter Kritik an sozialen Umständen und den diktatorisch Herrschenden nicht gespart“, hält Michael Weber-Schwarz fest. Er tritt im Stück als Dichter/Dodgson auf – eine Figur, die für die Niederstettener „Alice“ neu erfunden wurde. „Die bizarren Schein-Diskussionen im Hofstaat, der Umgang mit den Untertanen – das alles gewinnt angesichts der weltpolitischen Entwicklungen eine haarsträubende Aktualität“, erklärt der Darsteller. „Doch es gibt auch wunderbar intime und poetische Szenen, in die man sich als Zuschauer richtig hineinlegen kann“, ist sich Weber-Schwarz sicher.

Vom Themseufer also an den Vorbach: Wenn der Dichter sich in „Alice“ in die Sommerhitze und den kühlenden Schatten zurückträumt, dann will er das ganze Publikum mit ins Wunderland hineinziehen. Wie der Aufenthalt drin ist: Das spielen Alice (Cathy Fink) und rund zwei Dutzend hochmotivierte Amateurdarsteller.

Info: Alle Spieltermine für Niederstetten ab 13. Juli (Premiere) sind im Internet unter www.theater-niederstetten.de zu finden. Reservierungen sind beim Kartenbüro unter der Telefonnummer 07932/6053324 möglich.

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