Niederstetten. Eigentlich sollte Lewis Carrols „Alice“ schon vor zwei Jahren über die Bühne gehen. Die Plakate waren schon gedruckt – dann machte die Pandemie allen Plänen einen großen Strich durch die Rechnung. Für Niederstetten war eine spezielle Fassung des Literaturklassikers geschrieben worden, verschiedenste Songs wurden entwickelt, von der gefühlvollen Ballade bis hin zum knackigen Rap.
Nach der Zwangspause haben jetzt die intensiven Vorproben begonnen, denn speziell die musikalischen Parts müssen mit den Hauptdarstellern und dem Gesamtensemble so geprobt werden, dass sie bei den eigentlichen Bühnenproben schnell und passgenau eingefügt werden können.
Nie auf Lorbeeren ausgeruht
Seit „Im weißen Rössl“ aus dem Jahr 2010 haben die Spieler einiges an Erfahrung mit Singspielen sammeln können. Damals beim „Rössl“ spielte sogar eine Liveband unter Hermann-Josef Beyer auf der Bühne. Bei dem humorvollen und schrägen Stück voller bekannter Musiknummern hatte auch das Publikum zunächst Zweifel, ob das hinhauen würde. Und: Das „Rössl“ wurde zu einem der größten Erfolge im Naturtheater „Tempele“. Das Publikum reiste teils von weither an, um eine der Aufführungen zu sehen.
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Das Ensemble ruhte sich aber nie aus solchen Lorbeeren aus. Die Truppe erfand sich immer wieder neu – auch über Stücke mit Musik, wie bei der Kult-Inszenierung von Pedro Almodovars „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ und zuletzt mit „Kohlhiesels Töchter“ von 2018.
Für den legendären „Sommernachtstraum“ wurde das Amateurtheater 2016 als beste Freilichtbühne im Land Baden-Württemberg ausgezeichnet. Auch hier gab es Musiknummern – vor allem die junge Spielerin Cathleen Fink stach damals als quirliger Naturgeist „Puck“ heraus. Fink ist es nun auch, die die Hauptrolle in „Alice im Wunderland. Kein Kinderspiel“ übernehmen wird. Anders als in der literarischen Vorlage wird ihr in Niederstetten der Autor Charles L. Dodgson – so hieß Lewis Carroll mit bürgerlichem Namen – zur Seite gestellt. Michael Weber-Schwarz spielt diesen väterlichen Widerpart; Alice ist auf dem steinigen Weg ins Erwachsenenleben. Und dieser Pfad birgt wie in der Realität auch jede Menge Konflikte mit Regeln und Normen.
Hier kommen auch die weltbekannten, schrillen Carroll-Figuren ins Spiel: der Hutmacher (Ringo Wunderlich), die Herzkönigin (Elly Ehrmann), die Grinsekatze (Sabine Ries) und das weiße Kaninchen (Michael Hau). Doch nicht nur die größeren Sprechrollen, sondern das ganze Ensemble übernehmen gleich mehrere Figuren – es gibt wunderbare Brautjungfern, adliges Gefolge, „Maßliebchen“ und Austern. Erfolgs-Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Schulz wird ab 13. Juli (Premiere) wieder ein inhaltlich-optisches Feuerwerk zünden.
Die Botschaft der Niederstettener „Alice“ wird im alles umrahmenden Dichtersong überdeutlich: „Sei nicht, was man Dir sagt, das Du bist!“ Selber denken, die eigenen Möglichkeiten ausprobieren und die Fähigkeiten ausloten, ohne Blick auf das, was man sein „soll“. Und, ganz poetisch unmittelbar in der Handygeneration verankert: Auch mal ganz real an einer Rose schnuppern, als sie nur digital als Kopie zu verschicken. Das ist die Stärke, der Wert des Theaters an sich: Es findet live und ohne Filmschnitte direkt vor Publikum statt. Es lässt sich gemeinsam erleben – und will die Herzen anrühren.
Für den musikalisch-gesanglichen Teil der „Alice“-Inszenierung zeichnen gleich drei Experten aus der Region verantwortlich:
Theodor Spannagel leitet mehrere Chöre im Taubertal – von Elpersheim bis Bad Mergentheim. Er ist Diplommusiker mit internationaler musikalischer Erfahrung (u.a. in China, USA, Ägypten). Als Bassist ist er auch im zeitgenössischen Jazz zuhause.
Hermann-Josef Beyer ist nicht nur bekannt über sein Engagement beim Hohenloher Sängergau – der Musikschuldirektor im Ruhestand aus Niederstetten hat zahlreiche „Tempele“-Theaterproduktionen mit seiner Expertise begleitet und sorgt für eine gute stimmliche „Performance“.
Sylvia Thomas kennen Fans von zeitgemäßer Blasmusik über ihr Engagement als in allen Stilen versierte Sängerin der „Taubertaler Musikanten“. Als Theaterspielerin war sie in „Kohlhiesels Töchter“ in der Rolle der rabiaten Susi zu sehen.
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