Gemeindereform

Wie die Eingemeindung in Mudau ablief

Spätere Ortsteile wollten selbstständig bleiben. Reisenbach hätte sich lieber mit Eberbach zusammengeschlossen. Neue Gemeinde ist attraktiv geworden

Von 
Hans Slama
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Das Mudauer Rathaus zu Zeiten der Gemeindereform vor 50 Jahren. Die verschiedenen Teile der Gemeinde sind inzwischen zusammengewachsen. © Heimatverein Mudau

Mudau. Die heutige Gemeinde Mudau wurde am 1. Januar 1975 gemäß dem Gemeindereformgesetz ins Leben gerufen – dies nach langen Unstimmigkeiten im Vorfeld. So war es keine Überraschung, dass Landrat Gerhard Pfreundschuh sich beim zehnjährigen Geburtstag genötigt fühlte, daran zu appellieren, dass das Gesamtwohl im Vordergrund stehe und man die Probleme mit Zielstrebigkeit und Zuversicht angehen möge. Es sei kein Platz für Kirchturmpolitik.

Das hatte zuvor auch schon Amtsverweser Erich Bucher angemahnt, da jeder Ort nur seine Probleme sehen würde. Landrat Pfreundschuh sah insbesondere Entwicklungsmöglichkeiten im noch ausbaufähigen Fremdenverkehr, in der großen Ausstrahlung der in der Region bekannten guten Mudauer Gastronomie, in einem Hotel, einem Feriendorf und Dorfentwicklungsmaßnahmen. Da man schon seinerzeit für Mudau begrenzte Möglichkeiten für die Ansiedelung von Gewerbe und Industrie sah sowie die Notwendigkeit, das Gemeinschaftsbewusstseins zu fördern, wurde im Herbst 1975 der Heimat- und Verkehrsverein gegründet.

Bürger trauerten der kommunalen Selbstständigkeit nach

Bürgermeister Wilhelm Schwender betonte, dass die in den Eingliederungsverträgen genannten Forderungen im Wesentlichen erfüllt seien. Dies sei auch durch die Bündelung der Finanzkraft möglich gewesen. Allerdings bedauerte er, dass trotz der Erfolge dies den Bürgern in den Ortsteilen zu wenig bewusst sei und sie immer noch der kommunalen Selbstständigkeit nachtrauerten. Zu frisch waren die Wunden der Zwangseingemeindung noch, die Nähe zum Rathaus war nicht mehr so wie früher gegeben, ebenso blieben Gebührenermäßigungen und sonstige Erleichterungen aus, die mancher durch rationelleres Arbeiten in größeren Verwaltungseinheiten erhofft hatte. Schwender rief alle dazu auf, an der Gestaltung und Weiterentwicklung der Gemeinde mitzuarbeiten.

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Auch die Namensfindung der neuen Gemeinde war, wie zuvor beim Landkreis, nicht einfach. Dazu ist überliefert, dass der damalige Rechnungsamtsleiter Willi Scholl ausführte: „Man soll wie in Waldbrunn von den Namen Mudau und Schloßau je einen Namensteil nehmen, so von Mudau „Mud“ und von Schloßau „au“ – somit ergebe sich „Mudau.“

So ging das Zustandekommen der neuen Gemeinde Mudau zum 1. Januar 1975 nicht reibungslos vonstatten. Teilweise kamen die Erinnerungen an zurückliegende Ereignisse wieder hoch. Ab 1935 wurden durch die Verordnung des Reichsstatthalters Eingemeindungen vorgenommen. Lediglich Reisenbach blieb selbstständig. Diese Reform, die ohne Mitsprache der Bürger verordnet wurde, hielt nur so lange an, bis der Zwang von oben aufhörte. Deshalb wurden alle diese Verbindungen mit Ausnahme von Scheidental und Schloßau/Waldauerbach wieder gelöst.

Im Rückblick muss man konstatieren, dass das Land jetzt auch nicht mit offenen Karten gespielt hatte. Die finanziell klammen Gemeinden lockte man mit Fusionsprämien. So wurden zum 1. Januar 1967 die Hauptschulen geschlossen bis auf die in Schloßau und Mudau, 1970 auch die Grundschulen. Während sich Mörschenhardt bereits zum 1. September 1971 Mudau anschloss, folgten Rumpfen zum 1. Januar 1973, Donebach zum 1.März 1974, Scheidental und Langenelz zum 1. April .1974, und zuletzht Steinbach zum 1. Januar 1975 – und dies trotz der legendären Aussage von Bürgermeister Martin Schöllig: „Nur über meine Leiche“.

Reisenbach und Schloßau klagten gegen Eingemeindung

Reisenbach und Schloßau lehnten allerdings die freiwillige Eingliederung ab und wurden durch das „Besondere Gemeindereformgesetz“ eingegliedert. Gegen dies zogen sie vor den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, der allerdings mit Urteil vom 28. Februar 1975 diese Verfassungsklage abwies und damit den letzten Funken Hoffnung auf den Erhalt der Selbständigkeit zum Erlöschen brachte. In Reisenbach hatten sich immerhin 98 Prozent der Bürger gegen eine Eingemeindung ausgesprochen. Hier hatte man sich schon auf Grund der geografischen Lage von jeher automatisch eher zu Eberbach gehörig gefühlt. Man hatte, wie der ehemalige Bürgermeister Erich Rechner von Reisenbach ausführte, „mit Mudau nichts am Hut“. Es fanden sich hier nicht einmal zwei Gemeinderäte, die den Ort im Mudauer Gremium vertreten wollten.

Mit Schloßau war die Situation eine lange Zeit rivalisierend. Damals wollte Schloßau lieber mit Hesselbach zusammengehen als mit Mudau, was aus heutiger Sicht sich geradezu wie ein schlechter Witz anhört. So wirkte sich die Eingemeindung negativ auf die allgemeine Stimmung aus. Es dauerte etwa ein Jahrzehnt, bis dies überwunden war.

Als letzte Korrektur kam 1977 der Reisenbacher Grund auf der linken Seite des Reisenbachs, ein Überbleibsel von Unterferdinandsdorf, zu Mudau. Er war drei Kreisen und drei Gemeinden zugehörig. Er wurde jetzt ganz der Gemeinde Mudau und dem Neckar-Odenwald-Kreis zugeteilt. Bis Anfang der 90er Jahre blieb die einzige Verbindungsstraße ein Feldweg.

Skepsis gegen die Eingliederung ist gewichen

Mit den Jahren legten sich diese anfänglichen Reibereien, und es sind nur noch junge Vertreter Mitglied im Gemeinderat, die diese Anfangsschwierigkeiten gar nicht oder nur vom Hörensagen her kennen. Damit ist die Gemeinde mit der Zeit durch die von der Gemeindereform gegebene Tatsache letzten Endes gestärkt worden.

So wurde Mudau attraktiver, und die Menschen leben und wohnen heute gerne hier. Die anfängliche Skepsis wich damit mehr und mehr der Einsicht, dass kein Ortsteil für sich das zu leisten vermocht hätte, was nur gemeinsam möglich war. Jeder Ortsteil behielt trotzdem sein Eigenleben.

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