Schloßau. Eigentlich hätten die beiden noch nicht einmal Licht gebraucht zum Unterschreiben des Pachtvertragd, der gerade praktisch druckfrisch eingetroffen war. Denn Herbert Münkel und René Wieczorek strahlten um die Wette. Und dazu hatten beide auch allen Grund. Der Schloßauer Bäckermeister und ehemalige Gewerbeschullehrer kann nun endlich Pläne für den gepflegten Unruhestand machen und muss „seine“ Bäckerei nach nahezu einem halben Jahrhundert nicht schließen. Und für den jungen Bäckermeister aus Mosbach geht mit der Übernahme der Bäckerei Münkel samt der Filialen in Mudau und Kailbach ein Jugendtraum in Erfüllung.
Die Chronik der Bäckerei Münkel hat ihren Anfang bereits 1907 durch Großvater Robert Münkel. Einige Jahre später wurde der Betrieb bereichert durch das Lebensmittelgeschäft von Mutter Irma. Diese Umgebung prägte den jungen Herbert, der nach der Höheren Handelsschule die Bäckerlehre in der Walldürner Bäckerei Trunk absolvierte und bereits 1972 die Meisterprüfung in der heutigen Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks abschloss. „Qualität abliefern und die Stammkunden nicht enttäuschen“ war oberste Priorität, auch als er 1974 neu baute und mit einem tollen Team großen Erfolg hatte. Dabei war er stolz, wenn die Schloßauer Mütter ihren Kindern auftrugen: „Hol das schnell beim Irma!“
Hoher Stellenwert
Und obwohl Mutter Irma nun schon lange nicht mehr ist, heißt es noch immer so, und das zeichnet die Kundenfreundlichkeit und den hohen Stellenwert des Schloßauer Ladens als Kommunikationsmittelpunkt bis heute aus und wurde besonders wichtig, als Münkel sich mehr auf seine Aufgaben als Lehrer für Bäckerei-, Konditoreifachverkäufer und Bäcker an der Zentralgewerbeschule Buchen sowie als ehrenamtliches Mitglied im Meisterprüfungsausschuss für Bäcker konzentrierte. Daneben hatte ihn die Schloßauer zum Ortsvorsteher erkoren, und dieses Amt führte er mit dem gleichen Herzblut aus wie die Kommunalpolitik überhaupt oder die Hobbys Musik und Tennis. „Ich hatte tolle Mitarbeiter, die zusammen mit meiner Mutter den Laden am Laufen hielten.“ Kundenzufriedenheit brachten ihm die Filialen in Mudau und Kailbach sowie als Großkunden Klinik Schloß Waldleiningen und Grimm-Reisen Waldauerbach.
Doch der 76-Jährige wünschte sich langsam mehr Zeit für seine Hobbys, auch wenn es ihm schwer fiel, seine Kunden „im Stich“ lassen zu müssen, kündigte er mangels Nachfolger an, zum 1. Oktober 2024 den Betrieb zu schließen. War aber bereit, seinen Schloßauern so gut wie möglich bei eventuellen Alternativen beizustehen.
Und dann erreichte ihn auf einmal eine E-Mail von René aus Mosbach, einem ehemaligen Schüler, der dringend eine eigene Bäckerei suchte. Eine gute Vernetzung mit Kollegen und ein glücklicher Zufall hatten das ermöglicht.
Für den 28-jährigen Bäckermeister war sein Wunschberuf seit dem Schulpraktikum in der 8. Klasse klar gewesen. Nach der Mittleren Reife absolvierte er ab 2013 eine Lehre zum Bäcker bei der Bäckerei Englert in Dallau.
Bereits im ersten Lehrjahr war klar „ich möchte eine eigene Bäckerei aufmachen“, also schloss er danach gleich eine zweite Lehre zum Bäckereifachverkäufer sowie eine Ausbildung zum Ausbildungsbotschafter an, um Vorträge an Schulen über das Bäckerhandwerk halten zu können.
Über das Erasmus-Programm nutzte er 2018 die Chance zu einem sechswöchigen Berufsaufenthalt in Irland. Bananen-Walnuß-Brot war zwar nicht so sein Ding und die Auswahl der Backwaren war einfach mit dem Deutschen Markt nicht zu vergleichen. Aber das Erlebnis sei einfach toll gewesen. Nicht nur die unvergleichliche Landschaft, sondern auch die überaus freundlichen, offenen Menschen mit einer gesunden Neugier. Die offensichtlich ansteckend war, denn danach arbeitete er zweieihalb Jahre „berufsfremd“ als Umwelttechniker, um den Horizont zu erweitern.
Im April 2020 fand er eine Anstellung bei der Bäckerei Walter in Schefflenz, die dann leider schnell die Pforten schloss. Weitere zwei Jahre sammelte er Erfahrungen in der Hausbäckerei Christian Beisel in Eberbach und bis zur Meisterschule dann noch zwei Monate bei der Bäckerei Mayer in Neckarelz. Von Thomas Mayer erfuhr er dann auch, dass Herbert Münkel seine Bäckerei mangels Nachfolge schließen will.
Chance ergriffen
Er ergriff die Chance und fand in seinem ehemaligen Lehrer einen fachkundigen Vertrauten, der ihm auch in allen geschäftlichen Dingen beratend und hilfreich zur Seite stand, nachdem er ihm überraschend in der mündlichen Meisterprüfung noch „auf den Zahn“ gefühlt hatte.
Seitdem sind die beiden ein Team, seit Ende September arbeitet er an allen Stellen der Bäckerei mit und freut sich, dass er in Schloßau so herzlich aufgenommen wurde. Bäckermeister Wieczorek versprach, weiter auf Qualität und Regionalität zu setzen und lieferte den Kunden schon jetzt mit großer Begeisterung seine Backwaren. Vermutlich wird sich das Sortiment ein wenig verändern, doch auf keinen Fall werde es qualitativ schlechter. Der Pachtvertrag ist unterschrieben und ab 5. November und mit einer kleinen offiziellen Übergabefeier hat die Bäckerei Münkel/Burkardt mit ihren rund 20 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit René Wieczorek einen neuen Chef.
Damit will sich Herbert Münkel Schritt für Schritt ins Privatleben zurückziehen und sich endlich wieder mehr seinen Hobbys zuwenden. Auf jeden Fall sind die Kunden mehr als froh, dass man auch künftig beim gewohnten Personal „beim Irma in Schloßau, beim Münkel/Burkardt in Mudau und in der Kailbacher Filiale“ einkaufen kann.
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