Ein Tag als Kellermeister

Wein wird auf seiner Reise mit viel Geduld und Wissen veredelt

Florian Döller liebt den Keller. Hier ist er der Herr und Meister über Stahltanks, Holzfässer sowie tausende Weinflaschen und veredelt mit seinem Team die guten Tropfen. Ich durfte ihn einen Tag lang begleiten.

Von 
Sascha Bickel
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Links: Veredelung im Weinberg durch den stellvertretenden Reporter-Chef Sascha Bickel. Rechts: Florian Döller an der Abfüllanlage. © Sascha Bickel

Beckstein. „Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe und Salvador Dalí war der Meinung: „Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimnisse!“ Geheimnisse und Emotionen, Gaumenfreuden und Genussexplosionen für die Kellermeister Florian Döller sorgt.

Viele spannende Eindrücke 

Ich steige mit ein. Für einen Tag. Nach einer freundlichen Begrüßung und der schnellen Einigung aufs Du starten wir und ich sammle in den nächsten Stunden viele spannende Eindrücke in der Winzergenossenschaft (WG) Beckstein und den Weinbergen drumherum. Ich erlebe mit welcher Leidenschaft Florian seinen Job macht, was die schönen, aber auch die „Schattenseiten“ seines Alltags sind. Er begegnet mir in seiner schwarzen Arbeitshose und im Kurzarm-Poloshirt stets aufgeschlossen, lacht viel und erklärt gerne – trotz meiner vielen Fragen.

Die Bezeichnung Kellermeister verrät es bereits. Florians Job spielt sich hauptsächlich im Gebäude, aber bei weitem nicht nur im Keller ab. Das Büro, die Verkostungstheke, das Labor, der Besprechungsraum, die Lager und Hallen der WG sind sein Hauptarbeitsfeld. In die Weinberge selbst geht es auch immer wieder, aber eben nicht jede Woche.

Folgendes sollte man wissen: Die Wein-Erzeugung umfasst zwei unterschiedliche Arbeitsschritte. Einmal den Anbau der Rotwein-/Weißwein-Trauben und dann die Vinifikation, den Ausbau des Weins im Keller. Alles, was den Anbau betrifft, zählt zum Arbeitsbereich des Winzers. Um die Weinerzeugung im Keller kümmert sich der Kellermeister.

Was braucht es für guten Wein?

Viel Geduld, Fingerspitzengefühl, Einfühlungsvermögen, aber auch Erfahrung und Passion sind notwendig, um aus den Trauben authentische Weine herzustellen. Florian sagt, dass er sich selbst als eine Art aufmerksamen Reisebegleiter sieht, der eingreift, wenn es nötig ist, ansonsten aber auch mit sehr viel Geduld und so behutsam wie möglich den Wein auf seiner Reise durch den Keller begleitet.

„Wein ist ein Naturprodukt“, betont er, „und so ist es wichtig, dass die Trauben auch in Jahren mit Extremwetter gesund bei uns angeliefert werden. Denn wenn die Substanz stimmt, kann ich zusammen mit meinem Team einen guten Wein daraus machen.“

Das Ziel ist es, qualitativ hochwertige, authentische und eigenwillige Weine, deren Herkunft erkennbar bleibt, herzustellen. „Denn jede unserer Flaschen soll ein besonderes Erlebnis sein“, so Florian, der mich nach der ersten Einweisung im Büro und einem kleinen Vorgespräch zu Tisch bittet. Nein, gegessen wird jetzt nicht. Es ist auch eher eine hohe Theke. Ein dicker Aktenordner und Unterlagen werden ausgebreitet, Gläser auf- und ein Spucknapf bereitgestellt. Jetzt wird probiert: ein 2022er Riesling aus der Steillage „Gerlachsheimer Herrenberg“. Weinhandelsküfer Markus Hoferichter kommt dazu. Ich erfahre, dass auf der Arbeit kein Alkohol getrunken wird. Die Weinprobe wird nur in den Mund genommen, dann ausgespuckt.

ASCII © Sascha Bickel

So wird Wein professionell probiert

Das Prozedere beginnt. Befindet sich der Wein im Glas, ruhen die Aromen recht dicht an der Oberfläche. Durch das vorsichtige Verwirbeln mit Sauerstoff können die Aromastoffe viel einfacher in Richtung Nase aufsteigen. Ein Schwenken des Glases ist also zuerst angesagt. Wir riechen intensiv hinein und erfassen den Duft. Ist er würzig, wuchtig, blumig, mineralisch, holzig, rassig, geschmeidig, konzentriert, lebendig, stählern, rauchig, elegant, pikant oder komplex? Fachbegriffe gibt es viele.

Dann dürfen wir den Wein schlürfen, saugen, lutschen und immer wieder über die Zunge laufen lassen, aber eben nicht schlucken. Zuerst wird der Süße-Säure-Eindruck bewertet, bevor sich die Geschmacksaromen entfalten.

Und warum nun ausspucken? „Das sorgt dafür, dass man bei mehreren Tests pro Tag einen klaren Kopf behält und der Geschmackssinn weniger beeinträchtigt wird“, erklärt Experte Florian lächelnd. Ergebnis bei unserem Riesling: „Super Nase, tolle Aromatik, die analytischen Werte passen auch. Den geben wir frei zur Abfüllung auf die Flasche“, sagt der Kellermeister – und ich stimme gerne zu und schlucke ebenso lächelnd die guten Tropfen (ausnahmsweise) runter.

Der Weg und der Lohn

  • Kellermeister Florian Döller (37) kommt aus Neustadt an der Aisch. Er stammt aus einer Metzgerei-Familie und lernte erst diesen Beruf, ehe er als Winzer in Markelsheim, Röttingen und Neuseeland tätig war. In Veitshöchheim ließ er sich zum staatlich geprüften Weinbautechniker ausbilden und arbeitete danach unter anderem in Österreich, in Franken, Württemberg und Baden. Seit 2015 ist er bei der WG Beckstein und seit Anfang 2021 hier Kellermeister. Er selbst bevorzugt die Barrique-Weine (im Eichenholzfass gereift), trinkt aber gerne auch mal ein Bier.
  • Die Agentur für Arbeit teilt zum Steckbrief „Kellermeister“ Folgendes mit: Voraussetzung für die Zulassung zur Meisterprüfung sind in der Regel eine Abschlussprüfung in einem der Weinwirtschaft zugeordneten Ausbildungsberuf, zum Beispiel als Weintechnologe oder Winzer sowie eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit in der Kellerwirtschaft.
  • Der Weg des Kellermeisters führt oft über die klassische Ausbildung zum Winzer (dual, mit Berufsschule und Ausbildung im Betrieb) und geht weiter mit der Ausbildung zum Weintechnologen, zum Beispiel in Weinsberg oder Veitshöchheim. An der Hochschule Rhein-Main in Geisenheim kann noch ein Bachelor-Abschluss oben drauf gesetzt werden.
  • Mit der Verantwortung steigt auch das Gehalt. Als Weinküfermeister und als Techniker der Fachrichtung Weinbau und Kellerwirtschaft sind laut offiziellen Angaben zwischen 2500 und 4000 Euro im Monat als Lohn möglich.

Ein Kellermeister hat viele verantwortungsvolle Aufgaben

Es obliegt dem Kellermeister, die fachgerechte Verarbeitung der Trauben sicherzustellen sowie den Gärungsprozess zu überwachen. Aber auch zahlreiche Verwaltungs- und Managementtätigkeiten fallen in seinen Verantwortungsbereich. Von den angelieferten Trauben bis hin zum versand- und verkaufsfertigen Wein kontrolliert er ständig die Qualität. So liegen bei ihm alle Entscheidungen betreffend der Trauben-Bearbeitung, des Ausbaus, der Pflege und Verarbeitung der Weinsorten.

Die WG Beckstein mit ihren heute rund 350 Mitgliedern aus 21 umliegenden Weinorten (Rebfläche 270 Hektar) hat eine große Vielfalt zu bieten. Vom Weißen Burgunder über Chardonnay, Silvaner, Bacchus, Müller-Thurgau, Gewürztraminer, Scheurebe, Sauvignon blanc, Kerner bis zum Riesling. Und vom Schwarzriesling über Spätburgunder, Tauberschwarz, Regent, Zweigelt bis Merlot. Dazu kommen Rosé/Rotling, Sekt und Secco, Glühwein und sogar alkoholfreie Weine.

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Neue Geschmacksbilder kreieren

„Mein Ansporn ist es, stets das Beste herauszuholen und neue Geschmacksbilder zur Freude unserer Kunden zu kreieren“, strahlt Florian und berichtet von seiner 40-Stunden-Woche, die nur selten zu halten sei, der wichtigen Zusammenarbeit mit den Winzern, der Wochenplanung für seine 15 Mitarbeiter im technischen Bereich der WG, die viele Arbeit am Computer und die überbordende Bürokratie. Von Letzterer hätte er gerne weniger.

Eine Besprechung mit der Geschäftsführung steht an diesem Tag nicht an, aber einige Absprachen mit seinen Mitarbeitern, dann das Pflegen des Kellerbuchs (was ist eingelagert, was geht raus, was ist ausgetrunken) und die Vorbereitung der nächsten Wein-Freigaben. Im Büro geht’s um ISO-Normen, die Proben-Versendung ans externe Privat-Labor und ans staatliche Weinbauinstitut in Freiburg, um den Freigabe-Bescheid für den Verkauf zu erhalten. Glas, Verschlüsse, Etiketten, Fässer und Hefen müssen bestellt, für die Traubenlese Anlieferungspläne gefertigt und Abfüllungen (rund 160 pro Jahr) vorbereitet werden. Der Kellermeister muss in Absprache mit dem Vertrieb das Jahr über fortlaufend für Nachschub sorgen, damit der Abverkauf funktioniert. Öffentliche Weinproben und Veranstaltungen gehören auch zum Einsatzbereich des Kellermeisters, der meist ab 7 Uhr im Büro zu finden ist.

Wir machen noch mehrere Hausrunden, in die Abfüllung, aber auch in den Keller zur Tank- und Fassprobe. In den Weinberg geht es ebenfalls, um die Selections-Lagen zu begutachten und mir den Veredelungsschnitt an der Rebe zu zeigen.

Kellermeister Florian Döller nahm den FN-Reporter einen Tag mit in seinen Arbeitsalltag. © Sascha Bickel/Florian Döller

Gär-Prozess als Faktor für die Aromabildung

Neben der Qualität der angelieferten Trauben spielt die Gärung im Keller für das spätere Endergebnis eine ganz zentrale Rolle. Es kommt auf die Wahl der Hefe an, den Nährstoff und die Temperatur. „Der Gär-Prozess ist der Faktor für die Aromabildung, hier kann ich alles gestalten, das ist der Schlüsselmoment“, sagt Florian. Wichtig ist die ständige Kontrolle. Er behält den Wein stets im Blick und testet regelmäßig.

Abschließend widmen wir uns noch dem Pinot Meunier Blanc de Noir – also roten Trauben weiß gekeltert, nach Art des Champagners. Der 2021er Grundwein (Schwarzriesling) wurde im Edelstahltank ausgebaut und kommt dann in allerbeste Barriques; Fässer mit frischem Holz neu eingetoastet. Danach geht’s zum Versekter und noch drei Jahre auf die Flasche. Was wir heute probieren kommt also erst 2026/27 in den Verkauf. Der Jahrgang 2018 steht aktuell in den Regalen – „nach fünf Jahren ist da schon immer ein Kribbeln, wenn die erste Flasche der heimkehrenden Charge in der Leitungsrunde geköpft wird“.

Bis 17.30 Uhr dauert heute der Arbeitstag, dann ist Schluss und Florian freut auf ein gutes Glas Wein daheim.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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