Ein Tag in der Tierarztpraxis

Beim Tierarzt wird mit Empathie und Routine geholfen

Wenn es dem geliebten Haustier schlecht geht, ist die Sorge groß. Doch spätestens in der Praxis von Tierärztin Eva-Maria Harré-Molineux können solche Ängste in den meisten Fällen schnell wieder vergessen werden.

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Simon Retzbach
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Laura Deschner (links) und Eva-Maria Harré-Molineux bei der Untersuchung einer Hündin. Das ist nicht immer besonders angenehm, aber die Vierbeiner vergessen die Behandlung oft schnell und sind spätestens nach ein paar Leckerli wieder gut gelaunt. © Simon Retzbach

Weikersheim. Es ist 8.30 Uhr, als ich in der Wilhelm-Röntgen-Straße ankomme, um meinen Tag als Praktikant zu beginnen. Draußen alles ziemlich finster, es regnet in Strömen – so ist auch meine Stimmung irgendwie nicht besonders gut, als ich an der Praxistüre klingle. Doch dann geht metaphorisch sofort die Sonne auf, als ich von Praxishund Cosma empfangen werde. Die braune Labradorhündin kann ihre Freude kaum verbergen, was so eine Regenstimmung ziemlich schnell aufhellen kann.

Meine erste Ansprechpartnerin an diesem Morgen ist Laura Deschner. Die 34-jährige Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) ist erst seit Januar im Team von Dr. Eva-Maria Harré-Molineux, bringt aber bereits 15 Jahre Berufserfahrung mit.

„Ursprünglich wollte ich nach der Schule Pferdewirtin werden, aber habe schnell gemerkt, dass man nicht so nah am Tier ist. Das ist hier anders, da arbeite ich jeden Tag direkt mit Tieren“, schildert sie ihre Motivation. Ihre Liebe zum Tier hört mit dem Feierabend nicht auf, ihr Hund Maximus (den sie mit in die Praxis bringen kann) sowie eine Katze erhalten liebevolle Pflege durch die Fachfrau.

Laura Deschner kann als tiermedizinische Fachangestellte etliche Dinge (wie hier das Krallenschneiden) selbstständig tun. Dies ist von der Praxisinhaberin auch so gewünscht... © Simon Retzbach

Manchmal bis zu 30 Tiere pro Tag

Der Tagesbeginn unterscheidet sich noch nicht so sehr von den allermeisten Berufen, PC hochfahren und Mails lesen ist auch in der Tierarztpraxis der erste Schritt. Wir sehen den Tagesplan mit den eingetragenen Behandlungen, komplett sicher ist das Programm damit aber noch nicht. Durch kurzfristig anrufende Notfälle oder noch kurzfristigere Terminabsagen sind Änderungen noch möglich und keine Seltenheit.

An stressigen Tagen sieht das Team 20 bis 30 Tiere, heute ergibt der Plan allerdings einen ruhigen Tag mit überwiegend Routine. Da am nächsten Tag Operationen auf dem Plan stehen, finden Voruntersuchungen statt, um den Gesundheitszustand unmittelbar vor der herausfordernden Narkose noch einmal abzuklären.

Stichwort Herausforderung: Die erste Patientin wartet bereits auf „Frau Doktor“, eine temperamentvolle Katze mit Bissverletzung liegt zur Kontrolle auf dem Behandlungstisch. Erstmals sehe ich Dr. Eva-Maria Harré-Molineux und Laura Deschner im Einsatz, und die angesprochene Tierliebe wird hier sofort sichtbar.

Spritzen, eine Parallele zum Menschen, sind bei Katzen nicht sehr beliebt und das Nähen der Wunde ist ebenfalls kein Vergnügungsprogramm. Doch mit beruhigendem Tonfall, kleinen Streicheleinheiten und routinierten Handgriffen geht das Ganze schnell über die Bühne und die Katze ist versorgt. Eine Terminabsage wird dann direkt genutzt, um die Geräte gründlichst zu reinigen, denn Sauberkeit spielt natürlich auch in der Veterinärmedizin eine große Rolle. Vor allem dann, wenn Tiere mit potenziell ansteckenden Krankheitserregern in die Praxis kommen. In der Praxis werden Kleintiere, also im Prinzip das klassische „Haustierrepertoire“, behandelt. Dennoch ist das Programm abwechslungsreich, weil jeder der kleinen Patienten einen anderen Charakter hat. Tiefenentspannt bei der Impfung, ängstlich unruhig beim Krallenschneiden oder gequält jaulend beim Ohren spülen – man sieht die ganze Bandbreite. Darauf muss auch der Mitarbeiter gefasst sein. „Ich habe schon einige Praktikanten erlebt, da war Montag immer ,Baum-fällt-Tag’, wenn sie dann doch umgekippt sind“, schildert Deschner schmunzelnd. Denn nur mit Streicheln und gut zureden allein ist es nicht getan, bei schmerzhaften oder unangenehmen Behandlungen muss das Tier festgehalten werden und der Anblick von Blut oder Körperflüssigkeiten gehört einfach mit dazu.

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Das alles dient dem einen Ziel: „Ein Tier durch die Behandlung wieder gesund zu kriegen, ist einfach das Schönste“. Dafür ist sich die Tierärztin auch nicht zu fein, im Zweifel einen spezialisierten Kollegen heranzuziehen oder das Tier an eine Spezialklinik zu überweisen.

Am Vormittag dann Spannung: Eine Frau meldet sich in Sorge um ihre immer dünner werdende Katze. Kurze Zeit später ist sie schon für eine Voruntersuchung da und es wird Blut abgenommen. Noch in der Praxis kann dieses ausgewertet werden und zeigt anhand verschiedener Parameter mögliche Erkrankungen auf.

Sprechstunde am Abend

Gegen 12.30 Uhr endet ein insgesamt ruhiger Vormittag, um 18 Uhr beginnt die Sprechstunde wieder. „Das ist gerade für Berufstätige praktisch, die nach der Arbeit mit dem Tier kommen können“, erklärt Eva-Maria Harré-Molineux. Nun also erstmal eine ausgedehnte Mittagspause, ehe es ab 17.30 Uhr mit Vorbereitungen für die deutlich stärker frequentierte Abendsprechstunde losgeht.

Wir beginnen wieder mit dem Sorgenkind aus der Vormittagssprechstunde. Der Befund ist unauffällig, lediglich eine Wurmkur steht bei der Jungkatze an und könnte auch Ursache für den Gewichtsverlust sein.

Ich komme nicht umhin, bei all den Behandlungen die einzigartige Mischung aus Liebe und Routiniertheit zu bewundern, mit der die Tierärztin und TFA Laura Deschner die Tiere behandeln. Immer geduldig und mit Verständnis und netten Worten für die besorgten Besitzer, behandeln sie Fall für Fall, nehmen sich dennoch die nötige Zeit, um Fragen zu klären und gründlich zu untersuchen

. Sogar in der „Königsdisziplin“, der Tablettengabe. Unter den skeptischen Blicken der Besitzerin, die nicht an einen Erfolg zu glauben scheint, erklärt Laura Deschner der Katze ihren „Plan“: „Ich stelle mir das jetzt so vor: Du machst den Mund auf, ich tue die Tablette rein und du schluckst die dann.“ Während sie das sagt, führt sie die entsprechenden Schritte durch und noch ehe die Katze protestieren kann, ist die Tablette schon geschluckt.

Am Nachmittag ist auch TFA Melanie Löhr dazugestoßen und unterstützt im für mich als Laien durchaus eng getakteten Praxisgeschehen. Sowohl am Telefon als auch an der Tür klingelt es regelmäßig, während die Behandlungen weiterlaufen. Für das Team kein Problem, mit ausgesprochen guter Laune wird das Tagespensum absolviert.

... und auch der Reporter darf beim Vorbereiten einer Blutprobe ran. © Simon Retzbach

Raum für eigenständiges Arbeiten

Nicht immer selbstverständlich, denn in der Praxis werden Tiere nicht nur gesund gepäppelt, sondern im Ernstfall auch von ihrem Leiden erlöst. Immer noch ein emotionaler Moment, der in der Praxis mit viel Liebe zum Detail ermöglicht wird. Hiervon zeugen auch mehrere Danksagungen, die ich an den Wänden lesen kann.

Was positiv auffällt: Die Tierärztin gibt ihren Mitarbeiterinnen viel Raum für eigenständiges Arbeiten, die Zusammenarbeit ist allgemein frei von der traditionellen Hierarchie zwischen Ärztin und Helferin. „Das ist so gewollt. Das sind ja auch Arzthelferinnen und keine Dekoration“, erklärt die Praxisinhaberin schmunzelnd.

So können Melanie Löhr und Laura Deschner ihr ebenfalls umfangreiches Wissen und Können voll ausspielen, sind in Fachdiskussionen mit der Tierärztin durchaus ebenbürtig. Auch gegenüber Patienten schalten sie sich in die Beratung mit ein, geben Tipps zur optimalen Fütterung und Haltung.

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„Wenn wir wirklich Stress haben, wird es ganz ruhig, damit wir durchkommen. Heute ist es ein entspannter Tag, aber wir waren auch schon mal bis Mitternacht hier und haben eine Not-OP durchgeführt“, zieht die Tierärztin ein Fazit des Tages.

Jetzt, um 20.30 Uhr, stehen noch kurze Planungen des kommenden Tages sowie eine gründliche Reinigung der Praxisräume an, dann ist für das Team endgültig Feierabend. Bis am nächsten Tag dann wieder Tierhalter in Not den Weg nach Weikersheim in die Tierarztpraxis finden.

Redaktion

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