Lauda-Königshofen. In diesem Jahr blickt Deutschland auf 1700 Jahre jüdisches Leben zurück. Aus diesem Anlass setzte auch die Touristik-Arbeitsgemeinschaft der Romantischen Straße bei ihrer Themenvielfalt im laufenden Jahr auf die Spuren jüdischer Geschichte entlang dieser attraktiven touristischen Route. Zum Beispiel wies die Region Tauberfranken bis vor rund einem Jahrhundert ein blühendes jüdisches Leben auf. Ein Zeugnis dafür ist unter anderem der Judenfriedhof in Unterbalbach, der ganz in der Nähe der Romantischen Straße im Ortskern des Lauda-Königshofener Stadtteils an der Kreisstraße von Unter- nach Oberbalbach liegt.
Prägendes Kulturdenkmal
Mit fast 1400 alten Grabsteinen, die mit hebräischen Schriftzeichen und Ornamenten signiert sind, zählt er landesweit zu den größten und bedeutendsten unter den insgesamt 145 jüdischen Friedhöfen in Baden-Württemberg, davon rund 70 im nördlichen Teil des Landes, sowie zu den bemerkenswertesten ihrer Art im gesamten süddeutschen Raum. Dementsprechend ist die seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesene, circa 8500 Quadratmeter große Anlage eines der prägenden Kulturdenkmale in der Stadt Lauda-Königshofen.
Zudem ist die traditionsreiche Geschichte des Judenfriedhofs in Unterbalbach eng mit der Historie des Deutschordens verbunden und als so genannter „Verbandsfriedhof“ Grabstätte für Juden aus der weiteren Umgebung.
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Laufende Kosten
Seit mehreren Jahrzehnten wird die Friedhofsanlage im Auftrag des Landes Baden-Württemberg von der Stadt Lauda-Königshofen betreut. Die Kosten für Pflege und Instandsetzung wurden bis vor ungefähr zwei Jahren in der Regel zu 100 Prozent vom Land übernommen, doch seither werden die beantragten Mittel nicht mehr in voller Höhe bewilligt, wodurch sich die Stadtverwaltung vor eine immense Herausforderung gestellt sieht.
Der jährliche allgemeine Pflegeaufwand für den jüdischen Friedhof beziffert die Stadt auf 5170 Euro, hinzu kommen Kosten in Höhe von circa 1200 Euro für die Standsicherheitsprüfung der Grabmale, die regelmäßig durchgeführt werde. Unter dem Strich seien dies also etwa 6370 Euro, die pro Jahr geleistet werden müssen.
25 Meter Mauer eingestürzt
Nachdem kurz vor Weihnachten 2020 ein etwa fünf Meter langer Abschnitt der Friedhofsmauer entlang der Kreisstraße eingestürzt ist, werden für eine Teilsanierung nach Schätzungen der Stadt rund 40 000 Euro benötigt. Darüber hinaus sind notwendige Pflegearbeiten an den Bäumen durchzuführen, für die weitere etwa 25 000 Euro erforderlich würden. Der Vorstand des örtlichen Heimat- und Kulturvereins, der den Friedhof geschichtlich betreut und dort regelmäßig auch fachkundige Führungen anbietet, als auch der Ortschaftsrat haben sich daher vor einiger Zeit gemeinsam mit Ortsvorsteher Andreas Buchmann und dem Vereinsvorsitzenden Harald Rudelgaß an das Regierungspräsidium für eine Problemlösung gewandt. Unterstützung finden sowohl die Stadt Lauda-Königshofen als auch der Unterbalbacher Ortschaftsrat sowie Heimat- und Kulturverein durch den Vizepräsidenten des Baden-Württembergischen Landtag, Professor Dr. Wolfgang Reinhart, der sich in einer schriftlichen Anfrage bezüglich der Instandhaltung des jüdischen Friedhofs in Unterbalbach an Regierungspräsident Wolfgang Reimer gewandt hat. Zuvor hatte Reinhart ein entsprechendes Schreiben von Bürgermeister Dr. Lukas Braun mit der Bitte um Beistand erhalten.
Gerade in der jetzigen Zeit sei es besonders wichtig, nach dem Motto „währet den Anfängen“ Zeichen gegen Tendenzen beispielsweise von Rassismus, Verunglimpfung, „Hate speech“ und Gewalt sowie für Werte der Demokratie wie etwa Frieden, Freiheit und Toleranz zu setzen, sind Reinhart und Braun überzeugt. Jüdische Friedhöfe wie der in Unterbalbach seien nicht nur historische Denkmäler für jüdisches Leben und Kulturen in der Region, sondern zudem auch Mahnmale für diese Werte sowie gegen Rassismus und andere negative Strömungen. Daher müsse der Unterbalbacher Judenfriedhof ebenso wie der zum Beispiel in Wertheim oder in Königheim unbedingt erhalten bleiben, bekräftigte Reinhart ergänzend bei einer Besichtigung vor Ort gemeinsam mit Bürgermeister Braun und Ulrich Leber, Sachbearbeiter für Hochbau und Gebäudetechnik bei der Stadt Lauda-Königshofen. „Die Sicherheitsbedenken aufgrund der eingestürzten Mauer erfordern ein schnelles Handeln“, waren und sind sie sich einig.
Schwierigkeiten wegen Auflagen
Der Wiederaufbau der Mauer gestalte sich aufgrund von Auflagen des Innenministeriums äußerst schwierig, erklärte Braun. In den Jahren 1998 bis 2013 seien etwa 60 Meter Friedhofsmauer unbürokratisch in jährlichen Abschnitten zu je 10 000 Euro saniert worden, wobei keine denkmalschutzrechtlichen Anträge zu stellen waren, sondern das Regierungspräsidium die notwendigen Mittel nach Disponibilität zur Verfügung gestellt habe.
Für das jetzige fünf Meter lange Mauerstück habe das Landesdenkmalamt hingegen nicht nur einen formellen Antrag gefordert, sondern noch dazu ergänzende Unterlagen in Form einer Schadensbeschreibung sowie einer detaillierten Maßnahmenbeschreibung in Wort und Bild, berichtete der Bürgermeister. Diese Leistungen seien seiner Ansicht nach jedoch nicht ohne Einbindung von Fachexperten zu erbringen und somit müsse das Land die Kosten dafür übernehmen.
Mittelverteilung noch ungewiss
Eine Zusage für die volle Kostenübernahme im Jahr 2022 könne derzeit nicht erfolgen, da dem Regierungspräsidium Stuttgart weder die Mittelanmeldungen und Mittel für 2022 bekannt seien noch Entscheidungen zur Mittelverteilung seitens der israelitischen Religionsgemeinschaften, teilte dagegen Regierungspräsident Wolfgang Reimer in einem Antwortschreiben an Professor Dr. Wolfgang Reinhart mit. Wie bei vergleichbaren Verfahren bitte das Landesamt für Denkmalpflege daher die Stadt Lauda-Königshofen darum, Schadensfotos inklusive Standortplan und einen Lageplan mit Kartierung des Schadensbereichs nachzureichen.
„Eine solche Dokumentation bildet sozusagen die ‚Mindestanforderung’ und kann sehr niedrigschwellig in Eigenleistung erstellt werden. Ein externes Fachbüro muss daher erfahrungsgemäß nicht beauftragt werden“, ließ Reimer zum Abschluss dieses Schreibens verlautbaren.
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