FN-Interview

Heilbronns neuer Polizeipräsident Frank Spitzmüller im Interview

Der neue Heilbronner Polizeipräsident Frank Spitzmüller will die gute Arbeit seines Vorgängers Hans Becker fortsetzen, wie er im großen FN-Interview betont.

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Klaus T. Mende
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Der neue Heilbronner Polizeipräsident Frank Spitzmüller will die Gewalt- und organisierte Bandenkriminalität verstärkt in den Fokus nehmen. © Klaus T. Mende

Odenwald-Tauber/Heilbronn. Herr Spitzmüller, worin liegt für Sie der Reiz, als Polizeibeamter tätig zu sein?

Frank Spitzmüller: In den 1990er Jahren stand ich vor der Frage: Was tue ich beruflich nach dem Abitur? Ich wollte einen Beruf ausüben, in dem ich etwas Kommunikatives mache, mit Menschen zu tun habe und in dem ich am Morgen nicht weiß, was mir der Tag bringt. Der Polizeiberuf bietet mir genau diese Facetten sowie Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen.

Also Polizist mit Leib und Seele?

Spitzmüller: Als ich bei der Polizei war, hat sich das bei mir entwickelt. Als Jugendlicher stand für mich der Beruf Polizeibeamter noch nicht so im Fokus – vor allem, wenn man mit seinem Zweirad im ländlichen Raum unterwegs war und dabei auch mal die Geschwindigkeit geliebt hat.

Wurden Sie, seitdem Sie bei der Polizei sind, schon mal geblitzt?

Spitzmüller (lacht): Ich würde flunkern, wenn ich sage, ich wäre derjenige, der noch nie falsch geparkt oder noch nie einen Geschwindigkeitsverstoß begangen hat – aber immer alles im Rahmen.

Sie nannten den Wechsel nach Heilbronn einen großen persönlichen Karriereschritt. Wie ist er Ihnen bisher bekommen?

Spitzmüller: Als ich 1994 im mittleren Dienst begonnen habe, hätte ich nie gedacht, 2023 Polizeipräsident zu sein. In den letzten sechs Jahren hat sich eine Entwicklung ergeben, für die ich sehr dankbar bin – die Ernennung zum Polizeipräsidenten ist eine gewisse Krönung. Ich bin gut angekommen in Heilbronn, habe die Organisationseinheiten – darunter 13 Polizeireviere, die Dienststellen der Verkehrspolizeiinspektion und drei Kriminalkommissariate – besucht und war dabei knapp 1000 Kilometer unterwegs.

Was ist die besondere Herausforderung?

Spitzmüller: Die Struktur, die ihre Unterschiede hat – einerseits der Großraum Heilbronn, andererseits die Weitläufigkeit des Zuständigkeitsbereichs, was durch vier Landkreise und einen Stadtkreis landesweit einzigartig ist. Die Fläche hat die 1,7-fache Größe des Saarlandes. Die Polizei muss überall funktionieren, in Heilbronn mit all den großstädtischen Aufgaben genauso wie beispielsweise in Wertheim, Buchen, Bad Mergentheim oder Tauberbischofsheim. Ich sehe mich als Präsident in einer Art Klammerfunktion, diese Aufgaben vernünftig hinzubekommen.

Die Tauberbischofsheim Polizeibeamtin Samira Badri trägt zum hohen Frauenanteil bei. © Sabine Holroyd

Wie weit sind Sie denn mittlerweile auf Ihrer „Tour durch Franken“ gekommen? Wie sind Ihre Erfahrungen?

Spitzmüller: Jeder Landkreis hat seine gewissen Eigenheiten, aber es ist ein zusammengewachsenes Präsidium – bereits im neunten Jahr. Vieles hat sich eingespielt. Auch vor einem Präsidenten Frank Spitzmüller hat die polizeiliche Arbeit schon sehr gut funktioniert. Deswegen geht es für mich aktuell darum, die gute Arbeit weiterzuführen. Hierfür braucht es vernünftige Entscheidungen und Lösungen, die ausgehandelt werden müssen. Die Polizei ist ja nicht zum Selbstzweck da, sondern damit die Bevölkerung in allen Bereichen gut und sicher leben kann.

Ist Ihnen der Anfang auch dadurch erleichtert worden, dass Sie in ein gut funktionierendes Team integriert worden sind?

Spitzmüller: Das Team hat mich sehr gut aufgenommen. Aktuell gibt es jedoch aufgrund unserer Altersstruktur und vielen Neuzugängen einen Wandel in unserer Mitarbeiterschaft. Dieser benötigt seine Zeit. Zudem müssen sich die Menschen auch an mich gewöhnen. Aber ich bin guter Dinge, zumal ich ein sehr kommunikativer Mensch bin. Das ist in solchen Wandlungsprozessen, in denen die gesamte Gesellschaft drinsteckt, ein wichtiger Aspekt.

Welche Aufgaben sind vorrangig anzugehen?

Spitzmüller: Was allgegenwärtig ist, das ist die Sicherheit im öffentlichen Raum. Daneben gibt es Bereiche wie die Verkehrssicherheit, auf die ich einen Fokus legen möchte. Und intern geht es darum, besonders den personellen Wandel gut hinzubekommen

Die Polizei vollzieht einen Generationenwechsel. Wie wollen Sie den Faktor Erfahrung egalisieren?

Spitzmüller: Es gibt Bereiche, in denen wir frühzeitig und gezielt versuchen, den Wechsel zu kompensieren – durch Wissens- und Erfahrungsaustausch. Wenn ein Kollege in Pension geht, wird sein Erfahrungsschatz bereits vorher abgeschöpft, um Spezialistenwissen zu erhalten. Das Ganze wird aber nicht ohne Qualitätsverlust klappen, den es aber so gering wie möglich zu halten gilt. Wir arbeiten mit On-Boarding-Prozessen, um die jungen Kollegen schnell ins Praxisgeschäft reinzubringen. Sie kommen mit einer guten Ausbildung, die sich stark verändert hat, zu uns. An der Hochschule wird bereits viel in der Praxis geübt. Deshalb kommen sie gut vorbereitet zu uns. Dennoch braucht es im täglichen Dienst praktische Erfahrungen, die gemacht werden müssen. Wir benötigen jenes Personal dringend, das jetzt sukzessive zu uns kommt – auch wegen der vielen Pensionierungen.

Wo liegen Ihre Schwerpunkte bei der öffentlichen Sicherheit?

Spitzmüller: Vor allem auf der Gewalt- sowie auf der Schwerkriminalität – und hier besonders auf der organisierten Bandenkriminalität, was immer mehr zu einem internationalen Problem wird. Daneben verändern sich auch Phänomene wie Cyber-Crime oder klassische Kriminalität, die immer mehr den Weg ins Internet und die sozialen Medien findet.

Was sind derzeit die bedeutendsten Probleme?

Spitzmüller: Es gibt verschiedene Dinge, die wir in den Blick nehmen müssen. Einerseits denke ich hier an den internen Generationswechsel, andererseits geht es darum, welche Sicherheitsbelange Bevölkerung und Kommunalpolitik umtreiben.

Frank Spitzmüller hofft auf eine verstärkte Kooperation mit der Polizeischule Wertheim und auf Synergieeffekte – etwa beim Einsatz- und Schießtraining. © DPA

Welche Rolle spielt dabei das Thema Schockanrufe?

Spitzmüller: Dieses Thema beschäftigt mich sehr, da dieses Phänomen nicht abnimmt. Es gibt zum Glück wenige vollendete Delikte. Aber jene haben oft den Aspekt, dass ein hoher Schaden entsteht. Diese Delikte wirken sich stark auf das Opfer aus. Dies ist auch mit viel Scham verbunden. Mir geht es darum, potenzielle Opfer von Schockanrufen präventiv noch besser zu schützen, indem ein Weg gefunden wird, noch näher an diese Zielgruppe heranzukommen, um über die perfiden Betrugsmaschen gezielt aufzuklären.

Wie wichtig ist es, dass Innenminister Strobl dem Ausbildungsstandort Wertheim eine Bestandsgarantie gegeben hat?

Spitzmüller: Ich stehe mit dem Leiter des Standorts, Polizeidirektor Zorn, im Austausch, wie sich etwa Synergieeffekte ergeben könnten – etwa beim Einsatz- und Schießtraining. An der Hochschule gibt es hervorragende Einrichtungen, die von den Polizeirevieren in Wertheim und drum herum in einer Kooperation möglicherweise mitgenutzt werden könnten, wodurch eine Art Win-win-Situation zu erreichen wäre.

Ist mit einer Aufstockung des Personals zu rechnen?

Spitzmüller: Wir sind aktuell noch in einer Phase, in der es mehr Pensionierungen als Neuzugänge gibt. Dies wird sich voraussichtlich ab 2024 ändern, was die Stellensituation angeht. In dem Zusammenhang geht es dann darum zu schauen, wo einzelne Verstärkungspotenziale anzusiedeln sind. Wir haben viele Aufgaben neu hinzubekommen, die immer komplexer werden. Aber es geht auch darum, dass besonders der Streifendienst bei den Revieren in der Peripherie, also die Grundversorgung, ordentlich gewährleistet ist.

Demzufolge ist Ihnen beim Thema Nachwuchs vor der Zukunft nicht bange?

Spitzmüller: Nein, wir kriegen gut ausgebildete Kollegen. Darauf vertraue ich.

Inwieweit trägt die steigende Frauenquote zu dieser Entwicklung bei?

Spitzmüller: Derzeit liegen wir beim Polizeipräsidium Heilbronn insgesamt bei einem Frauenanteil von über 25 Prozent. Die ersten Frauen im Bereich mittlerer Dienst/Schutzpolizei sind im Herbst 1987 eingestellt worden. Es braucht aber seine Zeit, bis sich das mit Blick auf die Karriereverläufe so auch abbildet.

Macht es für Sie die Aufgabe als Präsident leichter, weil in der Region die Welt noch in Ordnung ist?

Spitzmüller: In Großstädten wie Stuttgart oder Mannheim hat man sicher massivere Erscheinungsformen. Aber es ist meine Herausforderung, dieses „Sowohl als auch“ hinzubekommen. Im ländlichen Raum werden Delikte viel sensibler aufgenommen. Dieses Ausgleichen und Versachlichen hat für mich einen hohen Stellenwert

Die Freudenberger Bluttat lässt den Schluss zu, dass Taten strafunmündige Kinder gestiegen sind. Ist die Entwicklung hier erkennbar?

Spitzmüller: Hierbei handelt es sich um eine exzessive, herausragende Tat. Es ist nicht daraus zu schließen, dass solche Fälle in unserem Zuständigkeitsbereich zunehmen, würde ich nicht sagen. Ich erinnere an den Fall des 14-jährigen Täters in Bad Mergentheim. Ist das eine Entwicklung, bei der maßgeblich Sozialisierung oder Erziehung eine Rolle spielen? Strafunmündige Kinder sind bisweilen eben auch schon sehr früh, altersmäßig inadäquat in den „falschen Ecken“ des Internets oder sozialer Medien unterwegs. Hier gibt es tatsächlich Zunahmen – dies müssen wir beobachten. Deswegen sind wir hier auch mit unserem Referat Prävention verstärkt bei der Vermittlung von Medienkompetenz und Respekt zugange. Mir erscheint es bisweilen zu einfach, in diesem Zusammenhang sehr schnell etwa auf Kindertagesstätten oder schulische Bildungsträger zu deuten. Erziehungsaufgaben haben in erster Linie über die Familie zu erfolgen.

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Wo sehen Sie das Heilbronner Polizeipräsidium in zehn Jahren?

Spitzmüller: Das ist eine sehr schwierige Frage. Heutzutage sind zehn Jahre ein enormer Zeitraum. Dies kann auch niemand seriös prognostizieren. Denn die Welt um uns herum, auch bei der Polizei, ist so dynamisch, dass ich keine belastbare Prognose abgeben kann. Ich gehe aber davon aus, dass das Präsidium in zehn Jahren mit ganz anderen Aufgaben zu tun hat und sich etwa, was das Kriminalitätsgeschehen anbelangt, vieles virtuell abspielt. So wird es Fortschritte bei den Ermittlungen geben – besonders durch künstliche Intelligenz. Doch gleichzeitig haben wir es auch immer noch mit den klassischen polizeilichen Aufgaben zu tun, auch mit der klassischen Kriminalität. Es werden keine ruhigen zehn Jahre werden – für die Polizei im Besonderen, für die Gesellschaft im Allgemeinen.

Doch der Optimismus überwiegt?

Spitzmüller: Vom Grundsatz her bin ich ein optimistischer Mensch. Alles andere würde es in der Wahrnehmung einer Leitungs- oder Führungsfunktion schwierig machen. Ein Chef sollte für die Mitarbeiter berechenbar sein und Orientierung bieten. Wenn ich hier jeden Morgen mit Missmut und in Katastrophenstimmung erscheine, würde sich das sehr schnell in das Polizeipräsidium hineintragen. Und das wäre ungut.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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