Gesetz seit rund sechs Monaten in Kraft

Heilbronn-Franken: Cannabis-Freigabe heißt Mehraufwand für Polizei

Die Heilbronner Polizei steht vor Herausforderungen durch das neue Cannabisgesetz. Strafverfolgung wird erschwert und der Mehraufwand steigt.

Von 
Klaus T. Mende
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Entgegen anderslautender Meinungen bedeutet die Cannabis-Freigabe am 1. April für die Polizei einen erheblichen Mehraufwand, wie sie selbst mitteilt. © DPA

Tauber-Odenwald/Heilbronn. Seit 1. April ist deutschlandweit das Cannabis-Gesetz in Kraft. Ziel der Berliner „Ampel“ war und ist es, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, die organisierte Drogenkriminalität einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Was sich subjektiv betrachtet vielleicht als des einen Freud’ heraus kristallisieren könnte, avanciert aber auch zu des anderen Leid. Mittlerweile ist es nämlich Fakt, dass diese Thematik für die Polizei im Bereich des Heilbronner Präsidiums einen nicht unerheblichen Mehraufwand darstellt.

Hohe Anforderungen

Es gebe viele Probleme bei der Umsetzung der neuen Gesetzeslage in der täglichen Praxis, teilt Frank Belz, Pressesprecher des Präsidiums in der Kätchenstadt mit – vor allem bei der Abgrenzung zwischen straflosen Besitzes von Cannabisprodukten und Handeltreibens damit. Der Gesetzgeber habe die Anforderungen an ein Handelsdelikt sehr hoch gestellt. „Eine Ahndung dieser Delikte ohne deutliche Begleitumstände gestaltet sich schwierig.“ Konkrete Begleitumstände wären etwa das Mitführen von Einzelportionen bis zur legalen Menge (25 mal ein Gramm Haschisch) oder Gelder in typischer Stückelung.

Bei den strukturellen Ermittlungen der Fachdienststellen der Kripo sei festgestellt worden, dass „Dealer sich die neuen Bestimmungen zunutze machen, indem sie Mengen unterhalb von 25 Gramm zum unmittelbaren Verkauf mitführen und somit die strafrechtliche Verfolgung und Sicherstellungen bei Zufallskontrollen verhindern“, ist weiter zu erfahren.

Grenze wird „ausgereizt“

Die Kollegen beobachteten, dass immer mehr Bürger legale Besitzmengen bei sich hätten. „Das wird aufgrund der Legalität auch nicht von uns dokumentiert, weshalb wir hierzu keine Zahlen liefern können“, meint Frank Belz. Illegaler Besitz von über 25 Gramm im öffentlichen Raum kämen ab und an vor. „Hierbei stellen wir fest, dass die starre Grenze von 25 Gramm regelmäßig in der Hinsicht ,ausgereizt’ wird, so dass die mitgeführten Mengen nach Wiegung sich sowohl knapp unter dem Grenzwert – 23 bis 25 Gramm – als auch teilweise über dem Grenzwert – 26 bis 28 Gramm – befinden. Bei den Kontrollen wird dann die Schutzbehauptung aufgeworfen, dass es sich um eine legale Menge handelt, was eine Wiegung vor Ort unumgänglich macht.“

Marihuana sowie Cannabisprodukte würden gegenwärtig nahezu fast ausschließlich aus „illegalen Quellen“ beschafft. Der legale Anbau sei nämlich umfangreich, komplex und mit hohen Kosten verbunden. In Tabuzonen wie Schulen, Kindergärten, Kinderspielplätzen, Jugendeinrichtungen, Jugendhäuser, Sportstätten oder Fußgängerzonen „haben wir seit April präsidiumsweit 14 Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige gebracht“, wird der Polizeisprecher konkret. Insgesamt seien es, besagte 14 Fälle inbegriffen, 124 Anzeigen wegen Cannabisverstößen bis 30. September. Die häufigste Anzeigenform bei den genannten Ordnungswidrigkeiten sei aber nicht die Örtlichkeit, sondern wie in Paragraf 5 (1) KCanG geregelt, der Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen.

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„Besorgniserregend aus polizeilicher Sicht und tatsächlich mit dem Vorjahr vergleichbar ist eine deutliche Erhöhung der Zahl der Blutproben wegen des Verdachts des Fahrens unter Einfluss berauschender Mittel. Der Grenzwert mit 3,5 ng THC wurde erst im August durch die Gesetzgebung beschlossen, so dass hier eine genaue Auswertung erst am Ende des Jahres erfolgen kann.“ Folgenlose Drogendelikte im Straßenverkehr hätten in den letzten Monaten erheblich zugenommen und lägen derzeit etwa 25 Prozent über dem Vorjahreslevel.

Verdeckte Maßnahmen unmöglich

Wie der Heilbronner Polizeipräsident Frank Spitzmüller bereits im Frühjahr explizit festgestellt hatte, „hat es sich bewahrheitet, dass die Herabstufung beispielsweise des illegalen und gewerbsmäßigen Handels mit Cannabis in nicht geringen Mengen vom Verbrechen zu einem Vergehens Tatbestand die Art und die Anwendung von Eingriffsmöglichkeiten beschränkt“, betont Frank Belz weiter. Die Anordnung durch die Justiz von Durchsuchungen nach Handel mit Cannabis, geschweige denn die Durchführung von verdeckten Maßnahmen wie etwa einer Telefonüberwachung von Dealern, „ist nahezu nicht mehr möglich“.

Unzählige Delikte im Zusammenhang mit Cannabis seien darüber hinaus mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes aus dem Katalog des Paragrafen 100b StPO (Online-Durchsuchung) gestrichen oder nicht darin aufgenommen worden. „Damit gelten diese Delikte in den Augen des Gesetzgebers nicht mehr als besonders schwere Straftaten, was nach bisheriger Rechtsprechung die Verwertung erlangter Daten der Kryptoanbieter SkyECC, Encrochat und Anom ausschließt.“ Die Dienste dieser Anbieter würden überwiegend durch hochkarätige Kriminelle und Angehörige der organisierten Kriminalität genutzt. „Nachgewiesene Straftaten in Bezug auf Cannabis können durch das neue Gesetz oft nicht mehr verfolgt oder geahndet werden, selbst wenn sich die Taten auf mehrere hundert Kilogramm beziehen.“

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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