Klare Worte aus dem Stuttgarter Innenministerium

Innenministerium: „Polizei wird keinesfalls entlastet“

„Wir erwarten einen Anstieg von berauschten Verkehrsteilnehmern, mehr schwere Unfälle und mehr Verunglückte“

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Klaus T. Mende
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„Viele Menschen können Kiffen und Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr trennen – das Innenministerium rechnet nach der Cannabis-Teillegalisierung mit einem „deutlichen Mehraufwand“ für die Polizei im Land. © DPA

Stuttgart/Tauber-Odenwald. „Die Polizei wird durch das Cannabis-Gesetz keinesfalls entlastet. Ganz im Gegenteil, ist durch die Überwachung der Konsumverbotszonen, die feingliedrige Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Umgang mit Cannabis und mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit deutlich mehr Aufwand für die Polizei entstanden“, bestätigt Katharina Lutz-Schädler, Pressesprecherin des Stuttgarter Innenministeriums, entsprechende Informationen der Fränkischen Nachrichten.

Oberste Priorität

Der Kinder- und Jugendschutz habe oberste Priorität. „Wir schützen unsere Kinder und unsere Jugend und geben hier keinen Zentimeter nach. Zu diesem Zweck werden wir auch weiterhin Kinder und Jugendliche über Wirkungsweisen, Risiken und Gefahren von Cannabiskonsum aufklären. Des Weiteren wird die Polizei entsprechende Kontrollen zur Gewährleistung des Kinder- und Jugendschutzes durchführen“, ist weiter zu erfahren.

Bezogen auf die weiterhin rechtswidrigen Umgangsformen mit Cannabis sowie andere Betäubungsmittel gelte: „Wir tolerieren in Baden-Württemberg keine offenen Rauschgift- oder Cannabisszenen. Der Handel mit Cannabis wird konsequent strafrechtlich verfolgt, besonders im Hinblick auf die cannabisbezogene Organisierte Kriminalität.“

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Klaus T. Mende
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In der aktuellen Fassung des Cannabisgesetzes sei, auch auf Initiative von Baden-Württemberg hin, zumindest die Aufnahme einiger schwerer Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz und dem Medizinalcannabisgesetz in die Straftatenkataloge der Paragrafen 100a ff. StPO umgesetzt, so Lutz-Schädler weiter. „Dadurch kann die Polizei zumindest bei einigen schweren cannabisbezogenen Straftaten auch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen durchführen.“ Dennoch sei festzustellen: „Bei anderen schweren cannabisbezogenen Straftaten ist dies nicht mehr möglich.“ Beispielsweise könnten beim Handeltreiben oder dem Einfuhrschmuggel von Cannabis in einer nicht geringen Menge keine Telekommunikations- oder Standortdaten der Täter mehr durch die Strafverfolgungsbehörden erhoben werden.

„Seit Jahren ist fehlende Verkehrstüchtigkeit eine der häufigsten Unfallursachen für tödliche Verkehrsunfälle. Der Aspekt der Verkehrssicherheit findet im Gesetzentwurf kaum Berücksichtigung, obwohl Studienergebnisse belegen, dass mit zunehmender Liberalisierung der Cannabispolitik die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden kann“, heißt es weiter.

Der Bundestag habe den Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr auf 3,5 ng THC festgelegt. Bisher habe er gemäß Rechtsprechung bei 1 ng gelegen – „also faktisch durften Autofahrer kein Cannabis konsumiert haben“. Der nun festgelegte Grenzwert liege um ein vielfaches höher als der bislang durch Rechtssprechung geltende Wert. Das sei eine Abkehr von dem bisherigen absoluten Verbot einer Cannabisbeeinflussung im Straßenverkehr und könne gravierende Folgen für die Verkehrssicherheit haben. „Auch die Folgen von Mischkonsum ist noch absolut ungeklärt.“

„Wir erwarten einen Anstieg von berauschten Verkehrsteilnehmern, mehr schwere Unfälle und mehr Verunglückte.“ Über 6000 landesweit festgestellte Fahrten unter dem Einfluss von Cannabis 2023 belegten, dass „viele Menschen kiffen und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht trennen können“, betont Lutz Schädler. „Wir schützen die Verkehrssicherheit. Hierzu werden wir unsere polizeilichen Verkehrskontrollen zur Bekämpfung von ‚Drogenfahrten‘ intensivieren und festgestellte Verstöße konsequent verfolgen. Die Polizeibeamten sind für die Überprüfung der Verkehrstüchtigkeit speziell aus- und fortgebildet.“

Seit 2019 bestehe das landesweite Kompetenzteam „Drogen im Straßenverkehr“. „Hierdurch vernetzen und bündeln wir die Fachkompetenz. Der Informationsaustausch wird verbessert und eine konzeptionellen Bekämpfung des Deliktbereichs Drogen im Straßenverkehr durch fachkundige Beamten gewährleistet.“ Aufklärungskampagnen zum Thema stimme man auf Landesebene mit den Partnern der Verkehrssicherheitsaktion „Gib acht im Verkehr“ ab.

Maßgeblich für das polizeiliche Handeln sei die aktuell gültige Rechtslage. Die Polizeibeamten unterlägen dabei dem Legalitätsprinzip, das bedeute, sie seien gesetzlich verpflichtet, Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, sofern nach aktueller Rechtslage ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorlägen.

„Konkrete Zahlen liegen aktuell noch nicht vor, wir rechnen aber mit deutlichen Mehraufwänden“, sagt Katharina Lutz-Schädler abschließend.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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