Fasching „Üissi auf der Höh’“

Lokales Geschehen auf die Schippe genommen

In der Stahlberghalle war an zwei Abenden sehr viel geboten

Von 
Jens-Eberhard Jahn
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Uissigheim. „Üssi auf der Höh’“ – am Freitag und Samstag war Uissigheim gleich zweimal in der Stahlberghalle einiges geboten. Die Külsheimer „Brunnenputzer-Minis“ eröffneten mit ihrem Showtanz-Programm „Reise um die Welt“ die bunten Abende. Die Welt – das war vor allem Uissigheim und seine Nachbarorte. Und das war gut so. Die derben Späße, karnevalesken Kunststücke, bissigen Büttenreden und akrobatischen Attraktionen waren lokal, handgemacht, bravourös und vor allem unterhaltsam. Es war fast ein Stilbruch, dass die Musik ausschließlich vom Band kam und nicht von einer Band.

Brillanter Gardetanz

Trainiert von Julia Schneider, brillierte die Präsidentengarde KKK mit ihrem Gardetanz. Die aus Gamburg angereiste Prinzengarde bestand nur aus von Steffi Schaub gut vorbereiteten Prinzessinnen. Zur Freude vor allem des weiblichen Publikums traten an beiden Abenden auch zwei akrobatisch ausgezeichnete Männerballette auf. „Auszieh’n, auszieh’n!“, hallte es durch die Halle.

Zwei Büttenreden

Joe Harter hielt zwei Büttenreden. Zunächst nahm er sich den Handwerkermangel vor. Erst recht abgewatscht wurden dann die Heimwerker. Nur logisch, dass die Arbeiten wohl liegen bleiben. Das passte gut zur maroden Stahlberghalle – und an Arbeit dachte an diesen Abenden ohnehin niemand. Erst recht nicht Joe als Silberjubilar in seiner zweiten Rede. In Reimen ließ er seine Angetraute zwar hochleben, erzählte aber auch, „der Seitensprunge war fast gelunge“. Doch die begehrte junge Frau bot ihm schließlich im Bus ihren Platz an: „Setz dich, Opa“. Wäre ja eh schwierig geworden, „wenn de dich in enge Jeans reindrängst und dir vorn das Ding abzwängst“. Die weit über 100 Feiernden, viele in Kostümen, genossen den Vortrag Tränen lachend, zumindest sofern sie der heimatlichen taubergründischen Sprache mächtig waren.

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Immerhin folgte die Fremdsprache sogleich: Jägerlatein, grandios aus der Bütt von Evelyn Winter. „Ich trete mit dieser Nummer aber nur hier auf. Da bleib ich Üssi treu“, verriet sie. Umso besser, dass die gleich danach aufgetretene Kindergarde Külsheim dem Hauptort nicht treu war und sich an den Stahlberg getraut hatte.

Aber was ist, wenn der Spaß aufhört und das Leben von Zwängen und Phobien bestimmt wird? Die „Uissigheimer Selbsthilfegruppe“ führte das mit einem urkomischen Sketch vor. Die Leiterin der Gruppe, Uli Köhler, zeigte sich stolz und sagte: „Toll, dass wir in Uissigheim einen eigenen bunten Abend veranstalten. Aber schade, dass die Jugend im Dorf nicht in die Pötte kommt“. Ja wie auch, wenn die 40er und 50er schon bei Wörtern wie „Aaah“ und „Entschuldigung“ die Krise kriegen und dafür eine Selbsthilfegruppe brauchen, die alles nur noch schlimmer macht. Verdienter Applaus für Uli und ihre ganz normalen Irren.

Gemischter Schautanz

Nach der gemischten Schautanzgruppe des KKK ließen Marco und Nobbi die Karnevalisten an ihren Erfahrungen im gemeinsamen Urlaub im Süden teilhaben – endlich mal zu zweit unter Männern.

Neben altbekannten Flachwitzen boten beide zirkusreife Slapstick-Akrobatik im Kampf mit Liegestuhl und Leiter.

Und durchaus männlich ging es fast am Ende der vierstündigen Show weiter. Denn sieben Zwerge, zugegeben gespielt auch von Frauen, warben um die Gunst von Schneewittchen, völlig überzeugend verkörpert von Harry Nahm. Alle Zwerge verkörperten lokale Größen, und alle waren fürs „Schneeflittchen“ dann doch nicht gut genug. Die „Körbe“ waren allerdings erstaunlich liebevoll, denn „Üssi“ hängt an seinen Lokalgrößen: Pater Joachim Seraphin, selbstverständlich im Publikum, wurde als Ehrengast behandelt und schon dies Jahr bedauert, weil er ab 2026 in die neue Großgemeinde nach Lauda wechseln wird. Schneewittchen wies ihn aber ebenso ab wie den Winzer, denn in „Üssis“ Bergauer Besenwirtschaft beginnt für eine Königstochter die Nachtruhe deutlich zu spät.

Viel Witziges

Kabuckler Dreamboys und ein Pülfinger Männerballett beendeten das Programm – alles witzig, sportlich brillant und zum Teil sogar tiefgründig. Auffallend wenig wurden aktuelle Themen mit Spaltpotenzial aufgegriffen, wie etwa Agrardiesel, Rechtsextremismus und Gendern. Auch das hätte witzig sein können. Aber Uissigheim hat das Große und Ganze einfach mal draußen gelassen, sich selbst aufs Korn genommen.

Immerhin gibt es für überörtlich Verstörte ja die Selbsthilfegruppe jeden dritten Freitag nach dem ersten Samstag. Uli Köhler liebt ihre Sketch-Gruppe, aber stieg um Mitternacht dann doch aus ihrem Selbsthilfedress aus und schlüpfte in ein orangenes Zottelkostüm, passend zum bunten Abend, der dann doch jeweils tanz- und trinkfreudig bis in die tiefe Nacht ging.

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