Krautheim/Tauber-Odenwald. „Alles, was nicht aus dem eigenen Garten kommt, war mal auf einem Lkw“ – mit diesen Worten hat der Krautheimer Speditionsunternehmer Roland Rüdinger wiederholt auf die Wichtigkeit seiner Branche hingewiesen. Denn klar ist: Ohne unterschiedliche Formen der Logistik würde es in der Wirtschaft nicht funktionieren. Doch trotz der wichtigen Aufgabe stehen Spediteure wie Rüdinger vor großen Herausforderungen. Geschäftsführer Roland Rüdinger steht im FN-Interview Rede und Antwort.
Herr Rüdinger, bei Ihren Jahrespressekonferenzen haben Sie uns bislang immer solide Zahlen präsentiert. Der Logistiker hängt aber an der allgemeinen Wirtschaftslage, die momentan schwierig ist. Wie ist die aktuelle Situation?
Roland Rüdinger: Wir sind im Moment in einer Konsolidierungsphase. Wir haben jetzt eigentlich Nullwachstum. Personell investieren wir viel in Weiterbildung und in Planung, wie wir die nächsten Jahre erfolgreich gestalten. Im Moment hat Zukunftsplanung sehr viel mit Energieversorgung und neuen Antriebstechniken zu tun. Auf der Kundenseite ist es eher mau, im Prinzip haben wir einen Mengenrückgang. Wir haben im Moment einen konstanten Umsatz, da wir zum Jahreswechsel die Preise erhöht haben.
Aufgrund der gestiegenen Maut?
Rüdinger: Ja. Das macht bei uns ungefähr zehn Prozent Kostenerhöhung und dementsprechend haben wir die Preise erhöht. Jetzt haben wir den gleichen Umsatz wie letztes Jahr, also haben wir faktisch einen Mengenrückgang von etwa zehn Prozent. Durch die Maut fällt aber nicht ganz so auf, dass wir jetzt weniger Ware bewegen. Entsprechende Statistiken zeigen den Rückgang bei den Spediteuren aber klar auf. Wir sind in einem Umfeld, das „durchgrünt“. Deshalb steht die Industrie auf der Bremse.
Da klingt mal wieder eine gewisse Kritik an der Politik durch. Schon bei der Jahrespressekonferenz vor ein paar Monaten fanden Sie klare Worte, beispielsweise für Verkehrsminister Winfried Herrmann...
Rüdinger: Es ist halt so. Die Politik hat gedacht, wenn man mehr Vorschriften macht, wird die Welt besser. Umweltvorschriften, Sicherheitsvorschriften und sonst was. Am Ende des Tages wird alles teurer, komplizierter und der Überblick schwerer. Die Denkweise, dass Politik der Wirtschaft ständig zusätzliche Vorschriften macht, führt zu Konsequenzen.
Zu Ihrem Blick auf die Politik kommen wir noch, es stehen ja bald auch Wahlen an. Erstmal aber die Frage: Wie blicken Sie denn in die unmittelbare Zukunft bis zur nächsten Jahrespressekonferenz?
Rüdinger: Bis dahin wird unser Geschäft vor sich hin dümpeln. Erst nach der Bundestagswahl werden die Unternehmen wieder nach vorne blicken. Im Moment ist mein Eindruck, dass alle das Pulver trocken halten. Keiner investiert. Mit dem Ergebnis, dass die transportierte Menge sinkt. Wir sind ein auslastungsorientiertes Unternehmen. Deshalb ist eine sinkende Menge finanziell schwierig, zumal dann der Wettbewerb noch intensiver wird.
Sind Einschnitte wie Kurzarbeit bei Ihnen ein Thema?
Rüdinger: Bei uns ist es komplett stabil. Wir hatten in der letzten Zeit teilweise das Problem, dass wir nur schwierig an Fachkräfte kamen. Das Problem ist jetzt gelöst. Das ist der Vorteil an einer Rezession: Man kommt leichter an Mitarbeiter (lacht). Auf der Seite ist Entwarnung. Auf der anderen Seite ist natürlich wenig Entwicklung, wenig neue Dinge... es ist etwas langweilig.
Was bedeutet das für die Standorte Ihrer Spedition in der Region, in denen Sie auch Lagerfläche für Unternehmen vorhalten? Ist ein Höhepunkt erreicht? Werden sie vielleicht gar nicht mehr gebraucht?
Rüdinger: Wir haben konjunkturell natürliche Wellenbewegungen. Trotzdem glaube ich, dass der Lagerbedarf langfristig steigt, weil in unserer Industrie die Fertigungstiefe durch Automatisierung reduziert wird. Die Industrie geht immer mehr in Richtung Montagewirtschaft und wenn in der Montage das Material ausgeht, ist das schlecht. Also muss sichergestellt sein, dass Ware da ist. Deshalb wird der Lagerbedarf steigen. In der nächsten Hochkonjunktur wird es wieder zu eng werden. Da muss man dann mit Blick auf die Genehmigungsprozesse sagen: Man sollte den Bauantrag nicht erst stellen, wenn man die Halle braucht.
Neubauten waren in der Vergangenheit ein kritisches Thema, beispielsweise in Neunstetten oder in Waldenburg, wo der Gemeinderat die Genehmigung verzögerte...
Rüdinger: Waldenburg war schon immer schwierig. Das ist in Hohenlohe aber generell so. Da können Sie machen, was Sie wollen, es gibt einen riesen Aufschrei. In Künzelsau wollen Sie eine Kläranlage bauen. Das Ergebnis? Ein riesen Aufschrei.
Was bedeuten diese Dynamiken für das Projekt in Neunstetten?
Rüdinger: Wir bleiben in der Planung. Die Umschlaghalle in Altkrautheim ist weiter zu klein. So lange die Wirtschaft schwächelt, ist der Druck zum Bauen etwas schwächer. Aber man könnte effizienter arbeiten, wenn man mehr Platz hätte... Es ist spannend, dass hier drei Leute, die sich zum Protestieren treffen, wichtiger sind als Gemeinderatsentscheidungen.
Ich verstehe die Anspielung auf unseren ersten Bericht zur Bürgerinitiative gegen den Neubau in Neunstetten. Bei einer zweiten Veranstaltung in Windischbuch waren es jedoch weitaus mehr, das Gemeinschaftshaus war komplett gefüllt...
Rüdinger: In Windischbuch ist es eine andere Situation als in Neun-stetten. Dort haben sie Angst vor dem Verkehr. Ob ich aber die Ware hier oder in Neunstetten umlade, macht keinen Unterschied. Die Ironie ist, dass dort, wo das größte Industriegebiet weit und breit steht, Widerstand gegen Industrie im Nachbarort aufkommt. Sie selbst sind die größte Verkehrsquelle im ganzen Main-Tauber-Kreis und wollen der Nachbargemeinde die Entwicklung untersagen.
Von einem Projekt zum anderen: Entwicklung im Speditionsbereich bedeutet Elektrifizierung der Flotte. Sie betreiben bereits fünf E-Lkw. Lassen sich diese wirtschaftlich sinnvoll einsetzen?
Rüdinger: Mit einem Fahrzeug ist es uns gelungen. Durch die nicht anfallende Maut sparen wir 34 Cent pro Kilometer und gleichen Mehrkosten in der Anschaffung aus. Jetzt sind wir an einem spannenden Punkt: Ich habe drei weitere Fahrzeuge bestellt, musste die Auslieferung aber verzögern, weil ich den Strom nicht habe. Durch verschiedene Umbauten hier in Altkrautheim werden wir zeitnah die drei Maschinen in Betrieb nehmen können.
Insgesamt fahren dann wie viele Lkw Ihrer Flotte elektrisch?
Rüdinger: Mit den bestellten drei Stück sind es acht. Zwischenzeitlich waren wir mit dem Laden der Maschinen schneller als der Stromzufluss und haben unsere Sicherung zerschmolzen. Daraufhin mussten wir eine Ladesäule stilllegen. Bis in sechs Wochen sollte jedoch alles soweit realisiert sein, dass wir die acht Fahrzeuge im Regelbetrieb einsetzen können. Damit würde 16 Prozent unserer Nahverkehrsleistung (insgesamt sind 50 Fahrzeuge im Nahverkehr tätig) durch elektrisch betriebene Lkw transportiert werden.
Wobei der Nahverkehr nur einen Teil des Gesamtportfolios ausmacht...
Rüdinger: Wir müssen eben schauen, wo batterieelektrisch gefahren werden kann? Das ist überall da, wo wir mit der Ladung wieder auf unseren Hof kommen. Denn hier können wir laden. Es gibt unterwegs kein öffentliches Lkw-Ladenetz. Ich gehe davon aus, dass wir in drei Jahren ein rudimentäres Lkw-Ladenetz haben.
Welche Ziele stecken Sie sich hier?
Rüdinger: Bis 2030 möchte ich unseren Nahverkehr zu 100 Prozent elektrifiziert haben. Darauf arbeiten wir hin und ich glaube, dass es realistisch ist. Es gibt noch Stolpersteine wie die Bezahlbarkeit der Lkw oder den Strompreis. Darüber hinaus wird die nächsten zwei bis drei Jahre nichts passieren.
Also keine Planung für batterieelektrischen Fernverkehr?
Rüdinger: Nein. Das Lkw-Ladenetz liegt zehn Jahre hinter dem für Pkw. Wenn Sie sich überlegen, wie vor zehn Jahren batterieelektrisches Fahren mit dem Pkw möglich war... das war dünn. Erst, wenn wir für Lkw ein rudimentäres Netz haben, kann man anfangen zu planen.
Dann sehen wir hier auf den Strecken zwischen Krautheim, Bad Mergentheim und Weikersheim bald die E-Lkw von Rüdinger?
Rüdinger: Ja klar, das ist teilweise jetzt schon so. Aber eines ist klar: Wenn ich das Projekt in Neunstetten nicht realisiert bekomme, fällt auch das Ziel für den Nahverkehr.
Das hängt an nur einem Projekt?
Rüdinger: Ich kriege hier maximal einen Megawatt Strom und brauche 50 Kilowatt zum Laden eines Lkws, kann also 20 Fahrzeuge laden. Mehr Strom habe ich nicht und dann brauche ich eine neue Lösung. Neunstetten plane ich voll batterieelektrisch mit fünf Megawatt Stromzuleitung und wenn wir umziehen, kann ich Ladeinfrastruktur hier in Altkrautheim für den Fernverkehr nehmen und bin meiner Planung zwei Jahre voraus. Ohne Ladeinfrastruktur geht die Elektrifizierung nicht. Da muss ich viel planen. Ich könnte auch warten, wie es viele tun.
Sie sind in Berlin über den Branchenverband Spedition und Logistik gut vernetzt. Wo steht Rüdinger in Sachen Elektrifizierung innerhalb der Branche?
Rüdinger: Ich kenne drei bis vier Betriebe, die weiter sind. Wir sind bundesweit in der Speerspitze. Durch meine bundesweite Vortragstätigkeit kriege ich das ganz gut mit.
Ist das Fluch oder Segen? Immerhin kann man kann sich so nicht auf Erfahrungswerte verlassen.
Rüdinger: Das stimmt. Es ist arbeitsintensiv, aber ich glaube, wir können uns damit positiv im Markt positionieren. Wir werden bundesweit die ersten sein, die den Nahverkehr im Sammelgutbereich komplett elektrifiziert haben. Das sind kostenintensive Schritte und im Neubau in Neunstetten hätten wir die Möglichkeit, ein integriertes Laden des Lkws während des Be- und Entladevorganges sicherzustellen. Mit Photovoltaik-Strom und Speicheranlagen.
Haben E-Lkw mit eigenem Strom und Mautbefreiung schon einen Kostenvorteil gegenüber dem Verbrenner?
Rüdinger: Wenn die Stromkapazitäten mal angeschlossen sind, gibt es noch zwei Probleme: Das Wetter ist nicht immer gut für Photovoltaik und das System funktioniert dafür nicht optimal. Die Fahrzeuge im Nahverkehr kommen zwischen 16.30 und 17 Uhr auf den Hof, im Winter ist die Sonne da weg. Wir brauchen Speicherlösungen, die sind momentan zu teuer. Wenn wir die Speicherlösung hinkriegen, ist es genial. Stand heute löst die Photovoltaik uns nur einen Teil des Problems.
Wann sehen Sie den Zeitpunkt für mehrheitliche E-Mobilität mit Kostenvorteil gegenüber dem Verbrenner in der Region?
Rüdinger: Das hängt an der Speichertechnologie. Ich glaube, dass wir 2028 so weit sein werden. Ohne eigene Photovoltaik wird es aber überhaupt kein Geschäftsmodell.
Wir sprachen viel über Probleme. Als Unternehmer muss man aber auch Optimist sein, braucht einen Grund, positiv in die Zukunft zu blicken. Welche Gründe sind das bei Ihnen?
Rüdinger: Logistik wird immer wichtiger. Die Mobilitätsbedürfnisse werden nicht kleiner, sondern größer. Diese Mobilität ressourcenschonend zu organisieren, ist unser Job. Wir haben viele aktive Firmen mit guten Impulsen in der Region.
Es stehen die Bundestagswahl und die Landtagswahl in Baden-Württemberg an. Sie haben bestimmt eine Botschaft an die Politik aus Unternehmersicht.
Rüdinger: Wir brauchen wieder Politik für die Menschen, nicht nur für die Umwelt. Wir müssen den Menschen wieder mitdenken. Da gehört Migration, Wohnungsnot und ein funktionales Umweltrecht dazu. Man muss nicht jede Fledermaus oder Eidechse schützen. Das verstehen die Leute nicht mehr und halten es nicht für sinnvoll. Dann wählen sie alternativ. Diejenigen in Verantwortung müssen wieder Politik für die Menschen machen. Lösungen aus Berlin oder Stuttgart funktionieren nicht überall. Dieser Dirigismus nervt die Leute.
Bürokratie ist ein oft gehörtes Stichwort. Wo liegen konkret die Probleme?
Rüdinger: Es geht um das Umweltrecht. Über die Ziele sind wir uns wohl alle einig, aber es braucht Maß und Ziel. Die Nullflächenpolitik funktioniert nicht mehr. Wir brauchen auch wieder Infrastruktur, funktionierende Straßen. Zunehmende Berichtspflichten mit Zusatzkosten ohne Mehrwert belasten den Mittelstand. Das ist ein Ausdruck des Misstrauens der Politik gegenüber der Wirtschaft. Aktuell misstrauen sich beide gegenseitig. So kommen wir nicht nach vorne.
Sie betonten in der Vergangenheit öfter die Verbundenheit zu Krautheim und der Region. Auch wenn der Standort speziell in Altkrautheim mittlerweile zu klein ist: Steht das grundsätzliche Bekenntnis zur Kommune und der Region noch?
Rüdinger: Das hängt von den Entwicklungsmöglichkeiten hier ab.
Das ist kein klares Bekenntnis.
Rüdinger: Warum sollte ich ein klares Bekenntnis abgeben? In der Vergangenheit hatte ich ein Vertrauen darauf, dass die Gegend vernünftig ist. Daran zweifle ich gerade. Verschiedene Entwicklungen führen dazu, dass wir hier keine Infrastruktur mehr hinkriegen. Ganz klar: Entweder ich kann mich hier entwickeln oder ich kann mein Geschäftsfeld schließen. Wir leben nicht auf der Insel der Glückseligen. Wenn wir nichts tun, werden wir abgehängt.
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