Main-Tauber-Kreis. Etliche Orte im Landkreis wären zum Thema Wein beim 33. Tag der Heimatforschung im Main-Tauber-Kreis denkbar gewesen. Königheim aber war prädestiniert. Dortige Händlerfamilien gehörten nämlich zum Weinkartell des 18. Jahrhunderts.
Es ist nunmehr eine mehr als drei Jahrzehnte währende Tradition, dass der Main-Tauber-Kreis die vielen Ehrenamtlichen, die sich um die Geschichte ihrer Heimat und die Pflege des Brauchtums verdient machen, einmal pro Jahr zu einem Tag der Heimatforschung bittet. Kreisarchivarin und Kreisheimatpflegerin Claudia Wieland hatte den Tag gemeinsam mit der Leiterin des Staatsarchivs Wertheim, Dr. Monika Schaupp, und ihrem Team organisiert.
Taubertäler Identität
Auch Landrat Christoph Schauder ließ es sich nicht nehmen, den vielen Ehrenamtlichen zu danken, die sich für die Wahrung der „Taubertäler Identität“ einsetzten. Er würdigte den örtlichen Heimatverein Brehmbachtal für sein Engagement und den Rundgang durch den Weinort, bei dem auf Besonderheiten aufmerksam gemacht wurde.
Kreisheimatpflegerin Claudia Wieland berichtete von 40 000 Hektar fränkischem Weinanbaugebiet, von dem in der Literatur die Rede sei. Eine Abgrenzung Frankens werde bei dieser hohen Gebietszahl allerdings nicht vorgenommen. Sie verlasse sich deshalb lieber auf gesicherte statistische Daten aus dem 19. Jahrhundert, die 3460 Hektar für den Bezirk Tauberbischofsheim und 1600 Hektar für das Oberamt Mergentheim auswiesen. Heute, so Claudia Wieland, würden im Main-Tauber-Kreis rund 1000 Hektar mit Reben bewirtschaft.
Den Vortrag zum Thema „Die Vernetzung der fränkischen Weinhändler, dargestellt anhand der verwandtschaftlichen Verbindungen und der Konflikte mit der Stadt Frankfurt“ hielt Dr. Christian Naser von der Universität Würzburg. In den Beginn des 18. Jahrhunderts datierte er die Blüte des fränkischen Weinhandels.
Marktbeherrschende Stellung
In Folge des Pfälzer Erbfolgekriegs waren viele Ortschaften im süddeutschen Raum und auch die Weinberge zerstört worden, von deren Ertrag die Franzosen nicht profitieren sollten. 30 fränkische Familien, darunter 15 aus dem Raum Tauberbischofsheim, das damals noch Bischofsheim hieß, sollten sich eine marktbeherrschende Stellung auf dem wichtigsten deutschen Weinmarkt in Frankfurt sichern, so der Referent.
Wie sie das taten, ist eine dem Adel abgeschaute Gepflogenheit des Machterhalts: Sie heirateten untereinander, waren sich gegenseitig Trauzeugen und Taufpaten und bauten so das familiäre Geflecht von Vertrauen und Abhängigkeit aus. Anhand legendärer Doppelhochzeiten zwischen Zeller, Lengfurter, Bischofsheimer, Distelhäuser und Königheimer Weinhändlerfamilien zeigte Naser auf, wie sehr die Verflechtungen immer enger, der Reichtum und Einfluss immer größer wurden. Anhand von Eigentum an Frankfurter Bürgerhäusern in bester Lage an der Mainzer Gasse – der Hauptachse zur Messe – zeigte er Nachbarschaften und sich daraus ergebende Beziehungen, aus denen sich das „fränkische Weinmarktkartell“ rekrutierte, auf.
Internationale Verbandelungen
Doch nicht nur die Weinhändler heirateten untereinander, sondern sie verbandelten sich auch mit anderen Nachbarn, die in Frankfurt Handel trieben: mit Kaufleuten aus Norditalien. Das bedeutete eine Internationalisierung des Handels. Dr. Christian Naser vermutet zudem, dass es verwandtschaftliche Beziehungen in die Pfalz gab, weshalb fränkische Händler in Frankfurt Pfälzer Wein verkauften, was eigentlich verboten war. Die Stadt Frankfurt ahndete das.
Namen wie Specht, Faulhaber, Steinam, Vorgeitz, Walz oder Brotzler fielen ebenso wie Bauer oder Bögner. Naser präsentierte Bilder von herrschaftlichen Häusern, wie dem Böger-Haus in Tauberbischofsheim, das heute als Mackert-Haus bezeichnet wird, mittlerweile recht ramponierte ehemals schöne Anwesen in Lengfurt oder fantastisch renovierte Weinhandelshäuser in Königheim.
Eng geknüpftes Netz
Er berichtete von dem immer dichter geknüpften Netz aus familiären Banden in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts und den riesigen Mengen Wein, die von diesem gehandelt wurden: 1,2 Millionen Liter Rebensaft. 1718 gab es den ersten Konflikt mit der Stadt Frankfurt wegen des Verkaufs von Pfälzer Wein, 1722 verschärfte sich der Ton wegen der Dominanz der Franken auf dem Frankfurter Weinmarkt. Man drohte ihnen den Verweis an. Diesem Boykott stellten sich die Bischöfe von Würzburg und Mainz entgegen. Die Händler überlegten gar, wegen der Drohungen der Stadt Frankfurt, den Weinmarkt nach Hanau zu verlegen. Sie beschlossen dann aber, aufgrund der lukrativen Messe in der Mainmetropole, in Frankfurt zu bleiben.
Die Hoch-Zeit des fränkischen Weinhandels sollte allerdings nicht sehr lange dauern. Der dramatische Zusammenbruch des alten Reichs, durch den das Wirtschaftssystem kollabierte, führte in den Abgrund. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden nur noch 1,5 Prozent der fränkischen Weinmenge exportiert wie 100 Jahre zuvor.
Im Anschluss an den Vortrag von Dr. Christian Naser führten Lothar Achstetter, Vorsitzender des Heimatvereins Brehmbachtal, und Schriftführer Burkard Gassenbauer die Heimatforscher aus dem Main-Tauber-Kreis durch den Weinort Königheim und zeigten ihnen unter anderem einen Gewölbekeller in einem früheren Weinhändlerhaus. Der 34. Tag der Heimatforschung 2024 wird am 27. September stattfinden. Ort und Thema sind noch in der Abstimmung.
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