Binnen drei Monaten standen die Schilder / Ganz kurzes Genehmigungsverfahren / „Ein Segen für die Anwohner“

Tempo 30: So lief es bei den bayerischen Nachbarn in Eichenbühl

In Hardheim und vielen anderen Kommunen der Region wollen die Bürger „Tempo 30“ auf den Ortsdurchfahrten. In der bayerischen Nachbargemeinde Eichenbühl freut sich die Bevölkerung schon zwölfeinhalb Jahre über diese Annehmlichkeit.

Von 
Michael Fürst
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Knapp zwölfeinhalb Jahre gilt in Eichenbühls Ortsdurchfahrt (Bild) „Tempo 30“. Das, was die Hardheimer gerne hätten, würden die Churfranken nie mehr hergeben. © Fürst

Hardheim. Es ist tatsächlich deutlich leiser: Wenn man mal einige Zeit durch Eichenbühl schlendert, bemerkt man rasch, dass sich die allermeisten Verkehrsteilnehmer völlig korrekt an „Tempo 30“ auf der Staatsstraße 521 halten – ob Pkw oder Lkw. Und deshalb ist es in dem churfränkischen Örtchen wirklich deutlich ruhiger als in so manch badischer Gemeinde, in welcher der Verkehr noch mit „Fünfzig“ und mehr durchdonnert. Im benachbarten Hardheim ist das so. Und deshalb wünscht man sich dort auch „Tempo 30“.

Rückblende: In seiner Sitzung am 25. Oktober des vorigen Jahres beschloss der Hardheimer Gemeinderat, den Lärmaktionsplan an die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zu übermitteln, und der sieht hauptsächlich vor: „Tempo 30“ auf den Hauptdurchfahrtsstraßen der Gemeinde – der B 2 7, die L 508 Richtung Wertheim, die L 514 Richtung Bretzingen und die L 521 Richtung Eichenbühl; dazu in die Ortsdurchfahrten in Bretzingen, Erfeld und Gerichtstetten. Dadurch sollen die Bürger vor dem Lärm geschützt werden, der in den vergangenen Jahre aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens zugenommen hat.

Als führen sie durchs Wohnzimmer

Zurück ins angrenzende Bayern: In Eichenbühl ging das damals so schnell, dass man es heute kaum glauben kann. Bürgermeister Günther Winkler und Geschäftsleiter Lothar Eckstein haben sich für die FN Zeit genommen, um zu erklären, wie „ihre“ Gemeinde damals zu „Tempo 30“ kam. „Im Juni 2009 wurde die Verwaltung von Teilen der Einwohner aufgefordert, in dieser Sache aktiv zu werden“, erinnert sich Günther Winkler. Viele Häuser im Ortskern reichen bis zur Straße. Manchen Anwohnern kommt es deshalb so vor, als führen die Autos mitten durchs Wohnzimmer.

Wissenswertes rund um „Tempo 30“ in geschlossenen Ortschaften

Die Innenstadt von Buxtehude wurde am 14. November 1983 im Rahmen eines Modellversuchs zur ersten Tempo-30-Zone in Deutschland erklärt.

In Spanien hat die Regierung 2021 gesetzlich Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit für alle innerörtlichen Straßen mit weniger als zwei Richtungsfahrbahnen festgelegt.

Am 30. August 2021 wurde in Paris großflächig Tempo 30 eingeführt. In Frankreich haben – Stand 2021 – rund 200 Städte ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern.

Eine Tempo-30-Zone kann aus zweierlei Gründen eingerichtet werden: 1. Erhöhung der Verkehrssicherheit (insbesondere Schulwegsicherheit). 2. Verbesserung der Wohn- und Aufenthaltsqualität (zum Beispiel durch weniger Straßenverkehrslärm und Luftverschmutzung).

In Hardheim hat der Gemeinderat am 25. Oktober beschlossen, den Antrag des Lärmaktionsplan zur Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zu übermitteln.

Mit in einer Entscheidung wird im Laufe dieses Jahres gerechnet.

Etwa drei Millionen Fahrzeuge bewegen sich jährlich auf der B 27 durch den Hardheimer Ortskern.

Der Hardheimer Gemeinderat setzt sich überdies weiter für den Bau einer Ortsumgehungsstraße ein. mf

Einstimmig wurde der Antrag für „Tempo 30“ in der Ortsdurchfahrt damals vom Gemeinderat verabschiedet. Vertreter des Straßenbauamtes kamen und machten sich vor Ort ein Bild, fix wurden Berechnungen durchgeführt – und der Antrag genehmigt. Bereits im September des gleichen Jahres standen die „30-Schilder“. Binnen drei Monaten war „der Fall“ also erledigt. Zack!

Fluchen über die Blitzer

Eichenbühl profitierte damals allerdings auch von einer Änderung des Lärmschutzgesetzes in Bayern. „Die Grenzwerte wurden im Jahr 2009 nach unten gesetzt“, erklärt Lothar Eckstein. Ganz so einfach sei es dann aber auch nicht gewesen. Bürgermeister Winkler ergänzt: „Man muss da schon immer wieder nachhaken und bei den zuständigen Behörden vorstellig werden.“ Heute, weiß das Gemeindeoberhaupt, würde dieses Verfahren gewiss viel, viel länger dauern. Dazu müsse man sich auch bewusst sein, dass es Unterschiede zwischen bayerischem und badischem Genehmigungsverfahren gebe.

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2009 allerdings war Eichenbühl die erste Kommune im gesamten Landkreis Miltenberg, bei der „Tempo 30“ in der Ortsdurchfahrt galt. Das war damals auch für Bürgermeister Günther Winkler ein „Big Point“, wurde er 2008 doch erst gewählt. Nun konnte der neue Orts-Chef den Eichenbühlern gleich mal etwas bieten. Die Genehmigung galt zunächst für fünf Jahre, dann noch einmal für fünf, und seit 2019 ist klar: Die 30-Schilder werden unbefristet in Eichenbühl stehen bleiben. „Es ist ein Segen für die Anwohner“, sagt Lothar Eckstein.

Was die Hardheimer heute wollen, haben sie in den Anfangszeiten allerdings massiv verflucht: Immer wieder hörte man Bürger, die schimpften, weil sie in Eichenbühl geblitzt wurden. Günther Winkler lacht und sagt: „Ohne Überprüfung bringt diese Geschwindigkeitsbegrenzung nichts. Aber das hat sicher nicht jedem gefallen.“

Noch heute wird an 15 Stunden im Monat überwacht, ob Tempo 30 von den Verkehrsteilnehmern eingehalten wird, morgens, mittags, abends, nachts – an unterschiedlichen Messpunkten. Sanieren die Einnahmen durch diese „Blitzerei“ nicht die Finanzen der Kommune? Winkler antwortet im Stile eines Staatsdiplomaten: „Wir legen nicht drauf.“

Entscheidung bis 8. Mai?

Es ist sicher nicht das Hauptanliegen der Hardheimer, mit „Tempo 30“ den Gemeindesäckel zu füllen; vielmehr soll der Lärm reduziert werden. In diesem Jahr wird eine Entscheidung der LUBW erwartet. Vielleicht geschieht das ja noch vor dem 8. Mai; dann dürfte Bürgermeister Volker Rohm den „Tempo 30“-Erfolg noch für sich verbuchen…

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

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