Hardheim. „Wenn wir nichts tun, dann steht unser Krankenhaus in drei bis fünf Jahren vor dem Aus, weil uns schlicht und einfach die Ärzte fehlen“, sagte Bürgermeister Stefan Grimm, „deshalb sollten wir diesen Weg frohen Mutes und voller Überzeugung gehen.“ Gemeinsam mit Verwaltungsleiter Lothar Beger stellte der Vorsitzende des Krankenhausverbandes am Sonntagabend in der Mitgliederversammlung des Freundes- und Förderkreises „Unser Krankenhaus“ das Zukunftskonzept für das Haus vor, das unter anderem die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) vorsieht. Begers und Grimms Botschaft kam bei den Zuhörern an: Sie nahmen die neuen Perspektiven für das Krankenhaus wohlwollend und mit einem optimistischen Blick nach vorne zur Kenntnis.
„Das Krankenhaus hat schon immer um seinen Erhalt kämpfen müssen – aktuell vielleicht etwas mehr als sonst“, sagte Bürgermeister Grimm einleitend und stellte die besondere Struktur des Belegkrankenhauses vor. Das Zusammenspiel aus Krankenhaus und selbstständigen Akteuren wie Ärzten, DRK-Rettungswache oder Physiotherapeut habe sich bewährt. Allerdings sei es weder in der chirurgischen noch in der internistischen Praxis gelungen, die altersbedingt ausgeschiedenen Ärzte Dr. Herbert Schmid und Dr. Andreas Mövius zu ersetzen. „In beiden Praxen haben wir nur noch zwei Ärzte, die zudem dem Ruhestand näherkommen“, zeigte Grimm auf.
Krankenhaus Hardheim: Fallzahlen haben sich halbiert
„Die Fallzahlen haben sich seit 2017 halbiert“, sagte der Bürgermeister und nannte auch die Gründe: Corona, das Ausscheiden von Dr. Mövius und Dr. Schmid und eine zunehmende Ambulantisierung im Gesundheitswesen hätten dafür gesorgt, dass die Auslastung immer weiter zurückgehe. Die Folge: Seit mehr als einem Jahr betreibt das Krankenhaus nur noch eine statt zuvor zwei Bettenstationen.
„In ganz Deutschland fehlt es in Haus- und Facharztpraxen an Nachfolgern“, verdeutlichte Grimm. Trotz aufwendiger Suche – auch mithilfe von Headhuntern – sei es in Hardheim in den vergangenen Jahren nicht gelungen, neue Ärzte zu gewinnen: „Deshalb müssen wir neue Wege gehen.“
Da 70 Prozent des Medizinernachwuchses Frauen seien, gehe es darum, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen: Selbstständige Ärzte könnten von geregelten Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen nur träumen. In einem MVZ könnte man die Ärzte dagegen anstellen, so dass sie mehr Freizeit hätten und gleichzeitig weniger Verantwortung und Risiko.
Dass das Krankenhaus selbst die Ärzte anstellt, sei dagegen keine Option: Dann dürften die Mediziner nur stationär arbeiten und nicht in der angeschlossenen Praxis, und dafür sei das Krankenhaus zu klein.
In Deutschland gibt es immer mehr MVZ (Medizinische Versorgungszentren)
„Wir haben zwei Jahre an dem Konzept gearbeitet und es immer wieder an die sich ändernden politischen Rahmenbedingungen angepasst“, verdeutlichte Verwaltungsleiter Beger, der im zweiten Teil des Vortrags konkret auf die Bausteine des Zukunftskonzepts einging.
- Medizinisches Versorgungszentrum: Die Zahl der MVZ steige derzeit in Deutschland rasant an, was vor allem an den Vorteilen liege, die für die angestellten Ärzte einhergingen. So kümmere sich das MVZ um die komplette Organisation der Praxis, um Terminvereinbarungen oder Abrechnungen, so dass den Ärzten mehr Zeit für die Patienten bleibe. Arztsitze könnten auf mehrere Mediziner aufgeteilt werden, was bedeute, dass Ärzte auch in Teilzeit angestellt werden können. Als Träger des MVZ komme eine kommunale Genossenschaft in Frage, die von den fünf Verbandsgemeinden getragen wird. Bestehende Praxen könnten in das MVZ übernommen und neue angesiedelt werden. „Es gibt bereits entsprechende Interessensbekundungen“, erklärte Beger. „Das MVZ ist aber kein Muss“, die Praxen könnten weiterhin selbstständig betrieben werden.
- Ambulantes OP-Zentrum: Das Krankenhaus könnte mit dem Aufbau eines ambulanten OP-Zentrums den Trend zu immer mehr ambulanten Eingriffen für sich nutzen. Die Kapazitäten seien schon jetzt auf 2000 bis 3000 Fälle im Jahr ausgelegt. Nun gehe es darum, die entsprechenden Prozesse zu optimieren und die Kosten zu minimieren. Oberstes Ziel auch bei den ambulanten Eingriffen sei aber die Patientenzufriedenheit. Eine Stärkung des ambulanten Bereichs bedeute nicht, den stationären aufzugeben: Durch zusätzliche Ärzte erwarten die Verantwortlichen auch eine Trendumkehr bei den stationären Fallzahlen.
- Umbau Bettenstation: „Unser Ziel ist, beide Stationen in Betrieb zu haben“, verdeutlichte Beger. Eine Trennung der Stationen in die einzelnen Fachbereiche werde es nicht mehr geben. Stattdessen sind neue Strukturen angedacht wie Tagesklinik für den ambulanten Sektor, Angebote für Übergangs- und Kurzzeitpflege und Kooperationen mit größeren Kliniken, deren Patienten heimatnah in Hardheim eine Nachsorgebehandlung erhalten könnten.
- Weitere Ideen: Darüber hinaus gibt es weitere Überlegungen wie Kooperationen mit Kliniken in der Region, Erweiterung der Gesundheitsdienstleistungen, Sprechstunden externer Fachärzte oder eine erweiterte ambulante Versorgung. Dabei schließen sich mehrere Hausärzte zusammen, die ihre Patienten im Krankheitsfall für mehrere Nächte im Krankenhaus unterbringen lassen und sich die Visiten teilen. Dadurch werden in diesen Fällen Hausbesuche unnötig, was letztlich auch eine Entlastung der Hausärzte bedeute. Auch der Bau eines Ärztehauses sei eine Option für die Zukunft: Dort könnten dann beispielsweise auch die Kinderärztin oder eine Hausarztpraxis angesiedelt werden, so dass ein Gesundheitszentrum mit vielen Vorteilen für die Patienten entstehen würde. Die Gründung des MVZ sei für Anfang 2025 geplant, und bereits im Laufe des Jahres könnte es dann den Betrieb aufnehmen. Die Bürger sollen am 10. Dezember in einer Infoveranstaltung in der Erftalhalle über die geplanten Neuerungen informiert werden. Die Umsetzung der weiteren Bausteine hänge vom rechtlichen Rahmen und damit von der Krankenhausstrukturreform ab. Falls sich diese jedoch weiter verzögert, dann könnte sich der Krankenhausverband beim Land um Ausnahmegenehmigungen bemühen, sagte Beger. Das gesamte Konzept sollte bis 2028 umgesetzt sein. „Es wird zwar kein Selbstläufer, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit dem MVZ neue Ärzte finden werden – das zeigen auch Erfahrungswerte anderer Kliniken“, hob Lothar Beger am Ende heraus. Bürgermeister Grimm warb dafür, im Bekanntenkreis junge Mediziner oder Medizinstudenten, die aus Hardheim und der Region stammen, anzusprechen: „Vielleicht können sie sich eine berufliche Zukunft in der Heimat vorstellen.“ Die Erfahrung zeige eines: „Je mehr Ärzte da sind, desto mehr kommen hinzu!“
Als kleines Haus agiler
Als kleines Haus sei das Hardheimer Krankenhaus agiler als größere und könne Veränderungen leichter umsetzen. Was den Bürgermeister ebenfalls optimistisch stimmte: „Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern dem Patienten dienen.“ Sein hoffnungsvolles Fazit: „Im Idealfall stehen wir, was die Gesundheitsversorgung der Menschen in Hardheim und Umgebung angeht, in einigen Jahren sogar deutlich besser da als heute!“
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