Gesangverein Liedertafel

100 Jahre mit Höhen und Tiefen

Ursprünglich im Jahr 1922 als Männergesangverein aus der Taufe gehoben. Liederabend an diesem Samstag

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Der Gesangverein Liederkranz Grünsfeld feiert am 9. Juli seinen 100. Geburtstag mit einem Liderabend. Unser Bild zeigt den Chor im Jahr 1923. © Ulrich Feuerstein

Grünsfeld. Der Männergesangverein „Liedertafel“ feiert Geburtstag. Vor 100 Jahren gründeten sangesfreudige Männer einen Chor. Neue Quellenfunde ergänzen das bisherige Bild von der wechselvollen Geschichte des Vereins.

Es war der praktische Arzt Dr. Keller, der am 25. Januar 1922 zur Gründungsversammlung in das Gasthaus „Zum Bären“ einlud und mit „markigen Worten“ die Bedeutung des Liedes hervorhob.

Noch am selben Abend schritt man zur Gründung des Gesangvereins „Liedertafel“ und wählte den ersten Vorstand. Dazu gehörten Dr. Keller als Vorsitzender, Bäckermeister Emil Gengel als dessen Stellvertreter, Georg Feldle als Schriftführer, Andreas Zobel als Kassierer und Hauptlehrer Hans Rothengast als Dirigent.

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Mit interessanten Quellenfunden kann Wolfgang Paetow mehr Licht in die frühen Jahre der „Liedertafel“ bringen. Das Vorstandsmitglied des befreundeten Tauberbischofsheimer „Liederkranzes“ hat bei der Recherche herausgefunden, dass es offenbar schon gleich zu Beginn zu Unstimmigkeiten kam. In einem Schreiben des „Main-Taubergau des Bad. Sängerbundes“ vom 22. November 1922 steht, die Gesangvereine in Königheim und Grünsfeld wollen „unter keinen Umständen dem Bauländer Gau mehr angehören und haben sich bei unserem Gau endgi(!)ltig angemeldet.“

Im Jahresbericht 1923 „für die Mitgliederversammlung am Sonntag, den 17.II.1924 wird ausführlich berichtet über das „Gausängerfest verbunden mit der Fahnenweihe der „Liedertafel“ Grünsfeld am 1. Juli 1923“.

Erhellend auch der Eintrag im „Sitzungs-Buch“ des Tauberbischofsheimer „Liederkranzes“. Dort heißt es am 25. Mai 1923: „Der Einladung des Gesangvereins mit „Liedertafel“ in Grünsfeld zu dessen Fahnenweihe u. zugleich Sängerbundesfest des Main-Taubergauer Sängerbundes am 1. Juli wird Folge geleistet. Unser Verein übernimmt die Patenstelle.“

Nach Paragraph 1 der Statuten der „Liedertafel“ war Zweck des Vereins die „Pflege des deutschen Männergesangs sowie gesellige Unterhaltung“. Es wurde auch betont, dass der Verein „in politischer Beziehung vollständig neutral“ sei.

Die Politik warf dennoch immer wieder ihren Schatten auf den noch jungen Verein. Das Protokollbuch spiegelt getreulich den Verlauf der Inflation wieder. Am 6. November 1922 wurde der Beitrag der passiven Mitglieder auf zehn Mark festgelegt, am 21. Februar des folgenden Jahres auf 50 Mark erhöht, und zum Fest der Fahnenweihe im Sommer 1923 sollte jeder Festplatzbesucher 500 Mark Eintritt bezahlen. Nach der Währungsreform schließlich wurde der Vierteljahresbeitrag am 23. Januar 1924 auf eine halbe Rentenmark festgesetzt.

Strafenkatalog

Die Sitten waren damals ziemlich streng. Einstimmig wurde 1927 beschlossen, dass jeder, der während der Gesangsprobe den Raum verlässt, 50 Pfennig zu zahlen habe. 1930 heißt es im Protokoll: „Während des Singens hat nur der Dirigent das Recht zur Kritik. Zuwiederhandelnde werden mit 50 Pfg. bestraft.“ An dem im Juni 1931 in Wertheim stattfindenden Liedertag durften nur jene Sänger teilnehmen, die weniger als viermal die Singstunde versäumt hatten. Jedes unentschuldigte Fehlen kostete zehn Pfennig.

1932 feierte der Verein das zehnjährige Bestehen. 36 aktive Sänger und 40 passive Mitglieder zählte er zu diesem Zeitpunkt. Im November 1932 legte Dr. Keller, der seit 1928 wieder als Vorsitzender fungierte, sein Amt endgültig nieder. Nachfolger wurde Fritz Konrad.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkte sich auch auf den Männergesangverein aus. Das Protokollbuch berichtet von der gedrückten Stimmung, die bei der Generalversammlung am 15. März 1933 herrschte. Sechs Tage später beteiligten sich die Sänger an dem Fackelzug anlässlich des neugewählten Reichstages und der anschließenden „nationalen Feier“ im „Bären“. Mit der von der Satzung geforderten, politischen Neutralität war das eigentlich nicht zu vereinbaren, noch viel weniger die Beteiligung am Sonnwendfest auf dem Schalksberg am 24, Juni 1933. Immerhin nahm die „Liedertafel“ auch an allen kirchlichen Feiern teil.

Den neuen Kurs des Vereins machte die Reaktion auf ein Schreiben des Gaupräsidenten deutlich, das die Gleichschaltung aller Gesangvereine anmahnte. „Es herrschte allgemein die Ansicht“, vermerkt das Protokollbuch, „dass dieser Prozess sich in unserem Verein erübrigt, da den Bedingungen entsprochen sei.“

Der Vereinsvorsitzende nannte sich künftig „Führer“, auch wenn 1938 die alte Bezeichnung wieder eingeführt wurde. Im Mitgliederverzeichnis von 1936 fehlen die vier Jahre zuvor noch als passive Mitglieder aufgelisteten jüdischen Bürger Samson Rothschild, Hermann Rosenbaum und Alfred Rosenbaum.

Von 1939 bis 1946 ruhte das Vereinsleben.

Wiederbelebung 1946

Hauptlehrer Karl Günther, der 1938 den Dirigentenstab übernommen hatte, leitete im Januar 1946 wieder eine Probe. Recht schnell gewann der Verein wieder Zulauf und hatte bald mit 50 aktiven und 59 passiven Mitgliedern den Vorkriegsstand übertroffen.

Im Januar 1948 erfolgte die Gründung eines gemischten Chores, der dem Verein angeschlossen wurde. Er bestand bis Ende 1957. 208 aktive und passive Mitglieder bedeuteten damals einen absoluten Höchststand.

Mit einem dreitägigen Fest beging die „Liedertafel“ die Weihe der neuen Vereinsfahne im Juni 1966. Der Männergesangverein „Frohsinn“ Lauda stand als Pate zur Seite, Inge Götzinger war Fahnenbraut.

1969 wurde Bernhard Heimburger als Nachfolger von Albert v. Brunn neuer Dirigent des Männergesangvereins. Auf seine Initiative wurde zwei Jahre später ein Kinderchor gegründet, der bis 1980 bestand und zeitweilig mehr als 70 Mitglieder zählte.

Mit einem großen Festakt beging die „Liedertafel“ 1972 ihren 50. Geburtstag. Die Antwort, die Ehrenvorsitzender Fritz Konrad in der Festschrift auf die Frage, warum in einer technisierten Welt noch am Chorsingen festgehalten werde, gab, ist heute noch so aktuell wie damals: „Weil das eigene Singen und Mitwirken sowie das unmittelbare Zuhören einfach nicht zu ersetzen ist.“

Eigenes Vereinsheim seit 1985

Seit Juni 1985 besitzen die Sänger ein eigenes Vereinsheim in der Zehntscheune. Im selben Jahr nahm auch Michael Schlör die Dirigententätigkeit bei der „Liedertafel“ auf, die er fast 30 Jahre innehatte. 1989 übernahm Willi Zorn das Amt des Vorsitzenden. Unter seiner Ägide fand der Männerchor durch eine solide und kontinuierliche Arbeit zu neuer Leistungsstärke und Attraktivität. Das Fest zum 75-jährigen Bestehen machte das deutlich. Vier Tage feierten die Sänger 1997 den Geburtstag ihres Vereins. Zu den verschiedenen Freundschaftssingen kamen rund 40 Chöre aus der ganzen Region.

2007 wurde 85. Geburtstag des Vereins mit Johann Rackl an der Spitze begangen. Die vergangenen Jahre waren nicht einfach für die „Liedertafel“. Mit Andrea Müller-Köhler konnte eine neue, engagierte Chorleiterin gewonnen werden. Die staatlichen Beschränkungen während der Corona-Pandemie brachten das Vereinsleben zeitweise zum Erliegen.

Johann Rackl, mittlerweile wieder Vorsitzender, ist es ein Anliegen, den 100. Geburtstag allen Widrigkeiten zum Trotz festlich zu begehen: „Das sind wir unserer Geschichte und den Gründungsvätern schuldig.“

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