Großrinderfeld. Klimawandel und Energiewende sind von der Gesellschaft zu meistern. Problem ist allerdings nach wie vor mangelnde Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien oder fehlender Ideen. Großrinderfeld schickt sich mit einem umfangreichen, innovativen Konzept an, diese Akzeptanz aufzubauen. Grundidee ist, Lasten mit Nutzen zu verbinden.
Bürgern Vorteile bieten
Bürgermeister Johannes Leibold: „Wir können die Energiewende nur vorantreiben, wenn wir unseren Bürgern auch einen Vorteil daraus bieten.“ Deshalb hat er sich mit Gemeinderat und anderen Projektpartnern zusammengesetzt, um ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Dieses wurde nun der Bevölkerung vorgestellt.
In der Gemeinde hofft man nun darauf, dass die neue Konzeption positiv aufgenommen wird. Anders als in der Vergangenheit will man besonders auf einen starken Bürgerdialog achten. „Die meisten Bürger wissen noch gar nicht, welche Folgen die aktuelle Gesetzeslage für uns bedeutet“, hat der Bürgermeister bemerkt.
Eines der drängendsten Probleme sei die Klimaveränderung, einhergehend mit dem immer größer werdenden Energiehunger und den Bemühungen, diesen zu stillen, führte er aus. Wie kann man in Zukunft noch den eigenen Energiebedarf decken? Diese Frage stellte sich die Gemeinde und gründete mit anderen Beteiligten die Energiepartnerschaft „Energie Großrinderfeld“.
Einen möglichen Lösungsversuch für dieses Problem unternimmt die Bundesregierung mit dem Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land, dem Wind-an-Land-Gesetz, das am 1. Februar in Kraft trat. Die Landesregierung unternimmt einen vergleichbaren Vorstoß und regelt im Klimaschutzgesetz den Ausbau von Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Im Land sollen 1,8 Prozent der Fläche für Windkraft bereitgestellt werden. Dies sind umgerechnet auf die Gemeindefläche Großrinderfelds rund 101 Hektar.
Die Regionalverbände im Land müssen bis 2025 eine Planung zum Ausbau der Energieanlagen vorlegen. Wird dies nicht erreicht, kann folglich keine Planungshoheit mehr ausgeübt werden, Energieanlagen können theoretisch überall entstehen. Nur durch aktives Angehen des Themas bestehe die Möglichkeit, störende und ungünstige Standorte zu vermeiden, verdeutlichten alle vier Beteiligten. Dabei können Standorte ausgewählt werden, die die Bürger möglichst wenig beeinträchtigen.
Seit einem Jahr aktiv
Nachdem sich die Gemeinde Großrinderfeld nicht ohnmächtig dieser Tatsache ausliefern möchte, wird seit rund einem Jahr an der Steuerung der Energieanlagen gearbeitet. Bürgermeister, Gemeinderat und Verwaltung haben mit dem Regionalverband sowie einem Konsortium verschiedenster Beteiligter einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. Hierbei wurden Vorteile für die Bürger der Gesamtgemeinde gesichert. Diesem „Großrinderfeld Modell“ werden wohl viele andere Kommunen nachfolgen.
Die maßgeblichen Ziele des „Großrinderfelder Modells“ sind die gemeindliche Steuerung der Energieanlagen sowie das Ergreifen der in Zukunft schwindenden Chance auf Planungshoheit.
Weiterhin müssen die Bürger sowie ortsansässige Firmen von den Energieanlagen vor Ort profitieren, damit die Profite nicht woandershin abfließen. Ebenso sollen die Energieanlagen hauptsächlich auf gemeindlichen Flächen errichtet werden. Die entstehenden Pachteinnahmen kommen somit wieder allen Bürgern zugute.
Um diese Ziele umsetzen zu können, wurde eine Energiepartnerschaft gegründet. Die Beteiligten tragen alle für ihren Bereich zum Erreichen der Ziele bei. Neben der Gemeinde, die nicht nur 25 Prozent der Anteile hält, sondern auch weitgehende Vetorechte und den Vorsitz im Aufsichtsrat hat, sind der Energiepartnerschaft weitere Player beigetreten. Die regional stark vertretene Energie + Umwelt ermöglicht allen Bürgern eine Beteiligung durch Kauf von Genossenschaftsanteilen. Durch die Hinzuziehung der Stadtwerke Schwäbisch Hall kann ein eigener, vergünstigter Bürgerstromtarif für die Bürger Großrinderfeld sowie für Gewerbetreibende vor Ort auferlegt werden, der dauerhaft deutlich unter dem Preis des Grundversorgers liegt.
Noch keine Aussagen
Nachvollziehbar ist, dass die Verwaltung derzeit zu den konkret geplanten Standorten der Windkraftanlagen noch keine Aussage treffen kann. Zum einen müssten bereits laufende artenschutzrechtliche Untersuchungen abgewartet und anschließend die hieraus resultierenden Standorte mit den militärischen Belangen abgeglichen werden, da die Gemeinde Großrinderfeld von Tiefflugzonen und Radarflächen durchzogen ist.
Es gibt auch Nachteile
Natürlich bringe auch das „Großrinderfelder Modell“ Nachteile mit sich, gesteht der Bürgermeister ein. Sicherlich entsteht ein Flächenverbrauch bei Freiflächenphotovoltaik- oder Windenergieanlagen. Was ebenso nicht verschwiegen werden dürfe, ist, dass Windkraftanlagen auch in den Wald gebaut werden können.
Im gesamten Gemeindegebiet gibt es große Staatswälder.
Natürlich werden diese Anlagen in der Landschaft stören und es muss sich jeder selbst die Frage stellen, wie sehr. Jedoch sind diese beiden Punkte durch die gesetzlichen Grundlagen bereits festgelegt. Ferner soll vermieden werden, dass ein weiteres Mal ein Windrad „vor die Nase“ gesetzt wird und die Bürger davon keinen Profit haben.
Der Bürgermeister verdeutlicht auch die wesentlichen Vorteile des „Großrinderfelder Modells“. So schafft sich die Gemeinde die Chance auf Planungsmöglichkeit darüber, was wo gebaut wird und wird nicht durch andere ungefragt überplant. Für Großrinderfelder Bürger sowie ortsansässige Firmen wird ein eigener Strompool eingerichtet, der durch einen Teil der Stromerzeugungsmengen der Windenergieanlagen gespeist wird. Das heißt, dass Großrinderfeld durch die Windenergieanlagen und die Freiflächen-Photovoltaikanlagen einen dauerhaft stark vergünstigten Bürgerstromtarif erhält, durch die Platzierung der Windenergieanlagen und eines Großteils der Photovoltaikanlagen auf kommunalem Grund entstehen regelmäßige Einnahmen. Diese Pachteinnahmen kommen somit wieder den Bürgern zugute. Großrinderfeld beteiligt sich an der Energiewende und leistet mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien aktiv einen Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft für kommende Generationen.
Belastungen denkbar
Auch das Konzept der „Energie Großrinderfeld“ enthalte Belastungen, die nicht immer allen gefallen werden. Es scheine allerdings der „bestmögliche Kompromiss“, so sind sich die Projektbeteiligten sicher, wie Wendelin Geiger von der Energie und Umwelt betonte.
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