Kunststoffspezialist spürt Anpassungsdruck

Creglingen: Wirthwein baut weltweit rund 250 Stellen ab

Zwei Werke in Deutschland werden geschlossen. Betroffen sind Sasbach und Friedberg-Derching. Auch in China fällt ein Standort weg.

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Arno Boas
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Die Firma Wirthwein mit Sitz in Creglingen baut weltweit rund 250 Stellen und damit knapp zehn Prozent der Gesamtbeschäftigten ab. © Arno Boas

Creglingen. Der Kunststoffspezialist Wirthwein schließt zwei seiner neun Werke in Deutschland, einen seiner drei chinesischen Standorte und baut weltweit rund 250 Stellen in seinen über 20 Firmen ab. Dies teilte das Creglinger Unternehmen auf Anfrage der FN mit.

Am härtesten trifft die Maßnahme des Unternehmens die Standorte in Friedberg-Derching bei Ausgburg und Sasbach (Ortenaukreis). Diese beiden Werke sollen komplett geschlossen werden – Sasbach noch in diesem Jahr, Berching im kommenden Jahr. Um die „Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern“, müsse sich die Firmengruppe neu aufstellen, heißt es in der Pressemitteilung. Der Sprecher des Vorstands, Dr. Ralf Zander, erklärte, man habe im Rahmen eines Effizienzsteigerungsprogrammes „Optimierungspotenziale“ identifiziert. Wirthwein müsse seine Prozesse und Gewohnheiten ändern, so der Vorstandssprecher.

“Globale Nachfrageschwäche“: Zwei deutsche Wirthwein-Standorte müssen schließen

In den letzten Jahrzehnten hatte Wirthwein sein Portfolio stetig erweitert, auf zuletzt über 20 Unternehmen weltweit mit Standorten unter anderem in China, den USA, Polen und Spanien. „Aufgrund fortlaufender Nachfrageschwäche und der damit einhergehenden Unterauslastung entspricht die Standortstruktur nicht mehr den Marktgegebenheiten“, heißt es seitens der Firmenleitung. Daher sei es nötig, von den neun deutschen Unternehmen die Standorte Sasbach und Friedberg 2025 beziehungsweise 2026 zu schließen. Die globale Nachfrageschwäche macht auch vor Wirthwein nicht halt, so dass zusätzlich auch der Produktionsstandort im chinesischen Xi‘an im Lauf des Jahres 2025 geschlossen werden soll. Er war erst im Jahr 2022 gegründet worden. Vertriebsvorstand Thomas Kraus betonte, dass man weiter mit zwei Standorten auf dem wichtigen chinesischen Markt präsent bleiben werde.

Die Belegschaft in Derching drückt ihre Enttäuschung über die Betriebsschließung aus. © FN

In den verbleibenden Unternehmen sowie in der Zentrale in Creglingen werde an einer „deutlichen Verbesserung der Effizienz“ gearbeitet und „Personal angepasst“, wie es in der Presseerklärung weiter heißt. Wirthwein spricht von einer weltweiten Reduktion der bisher rund 3000-köpfigen Belegschaft um zirka 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Genauere Angaben, wie viele Mitarbeitende an welchen Standorten ihren Job verlieren werden, machte die Firmenleitung nicht. Einem Bericht der Friedberger Allgemeinen ist zu entnehmen, dass die Schließungen „so sozialverträglich wie möglich“ erfolgen sollen.

„Uns ist bewusst, dass diese Schritte für uns als Familienunternehmen einschneidend sind“, wird der Aufsichtsratsvorsitzende Marcus Wirthwein zitiert. Die Maßnahme sei in der aktuellen Marktsituation jedoch „ohne Alternative“. Bei einem Großteil der Maßnahmen soll laut Wirthwein „kurzfristig mit der Umsetzung“ begonnen werden. Man wolle die Transformation rasch meistern und die ganze Aufmerksamkeit auf die Zukunft legen, erklärte Marcus Wirthwein. Die Bembe-Gruppe mit Hauptsitz in Bad Mergentheim ist nach Firmenangaben nicht von den Maßnahmen betroffen.

Wirthwein baut Stellen ab

  • Die Wirthwein SE ist die Muttergesellschaft der Wirthwein-Gruppe. 1949 gegründet, stieg Wirthwein 1967 in die Kunststoffverarbeitung ein. Der Hauptsitz des Kunststoff-Spezialisten befindet sich in Creglingen. In über 20 Unternehmen beschäftigt die Gruppe rund 3.000 Mitarbeiter in Deutschland, Polen, Spanien, China, den USA und der Türkei.
  • Die Mitarbeiter sind in den Geschäftsfeldern Mobility, Rail Infrastructure, New Energy, Home Appliance, Medical und Interior Design bei der Wirthwein-Gruppe tätig.
  • Im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung am 20. Oktober 2022 hat die Inhaberfamilie Wirthwein über die Umwandlung der Wirthwein Aktiengesellschaft in die neue Rechtsform einer SE entschieden. Mit der Umwandlung in eine SE wurde nach Firmenangaben eine europaweit anerkannte Rechtsform für die in Deutschland ansässige Gruppen-Obergesellschaft als Basis für das weitere Wachstum geschaffen.
  • Der Senior des Familienunternehmens, Udo Wirthwein, zuletzt Vorsitzender des Aufsichtsrates, starb überraschend im April 2024. Mit Wirkung vom 1. Mai 2024 übernahm sein Sohn Marcus Wirthwein die Position als Vorsitzender des Aufsichtsrats.
  • Nachdem die Firmenhistorie lange Zeit von Expansion gekennzeichnet war, gab es in der jüngeren Vergangenheit bereits Standortschließungen. So wurde etwa die Wirthwein Eichenzell GmbH & Co. KG mit Wirkung zum 31.12.2020 geschlossen und die Gesellschaft aufgelöst.
  • Im März 2023 wurde die Formtechnik Osterode GmbH & Co. KG. stillgelegt. Den rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden Folgebeschäftigungen bei anderen Unternehmen der Wirthwein-Gruppe angeboten.

In dem seit 2009 zu Wirthwein gehörenden Werk in Derching sind nach Angaben der örtlichen IG Metall 119 Beschäftigte betroffen. Schon im vergangenen Herbst haben sie sich an die Gewerkschaft gewandt. Nach Aussage von Gewerkschaftssekretär Jonas Lang von der IG Metall Augsburg ist die Berchinger Belegschaft inzwischen „sehr gut gewerkschaftlich organisiert“. Auch die Gründung eines Betriebsrates steht kurz bevor. Da das Werk noch bis Mitte nächsten Jahres in Betrieb sei, um Aufträge abzuwickeln und bei der Verlagerung der Produktion an andere Wirthwein-Standorte mitzuwirken, liege eine transparente Informationspolitik im Eigeninteresse des Unternehmens, sagte der Gewerkschaftssekretär auf FN-Anfrage. Daran aber, so seine Einschätzung nach Gesprächen mit der Belegschaft, hapere es. Warum es gerade Berching treffe, sei vor rund vier Wochen bei einer Betriebsversammlung nicht transparent erläutert worden. Die Mitarbeitenden würden sich schlecht informiert und als „Bauernopfer“ fühlen.

Anfang Januar angekündigte Mitarbeitergespräche haben noch nicht stattgefunden

Die Gewerkschaft strebt in Verhandlungen mit der Unternehmensführung einen „sauberen Umgang“ mit den Beschäftigten an – nur so sei ein reibungsloser Produktionsablauf möglich, meint Jonas Lang. Es gelte, einen Ausgleich für die Nachteile der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen, weshalb man eine Kollektivvereinbarung anstrebe. Die IG Metall werde das Unternehmen zu Sozialtarifverhandlungen auffordern und hofft auf die Einsicht seitens des Arbeitgebers, um einen gemeinsamen Weg zu finden.

Die Anfang Januar angekündigten Gespräche mit den Mitarbeitenden hätten noch nicht stattgefunden, was zu einer großen Verunsicherung geführt habe, wie es aus Kreisen der Belegschaft hieß. Der Krankenstand sei stark gestiegen, was womöglich Folgen für die angestrebte Begleitung des Verlagerungsprozesses habe, wie befürchtet wird.

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