Neckar-Odenwald-Kreis. Um morgens viertel vor sechs scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Kernstadt von Buchen erwacht allmählich. Die Straßen nach Bödigheim, Seckach und bis hinter Zimmern sind frei. Erst auf der Umgehungsstraße von Adelsheim reihen sich Traktoren, Lkw und einzelnen Pkw. Doch die Fahrt geht mit 30 bis 50 Kilometer pro Stunde vergleichsweise zügig voran. Am „P+R-Platz“ an der Autobahnausfahrt Osterburken ist schon eine Versorgungsstation aufgebaut. Nach den Worten einer Protestteilnehmerin wird eine regionale Bäckerei Laugenbrezeln und ein Pflegedienst hundert Muffins spenden. Später soll es Grillwürste für die Protestierer geben. Allmählich füllt sich die Fahrbahn in Richtung Osterburken. Immer mehr Fahrzeuge tuckern vorbei.
Kaum ein Durchkommen
Gegen 7.30 Uhr ist an ein Durchkommen von Adelsheim nach Merchingen nicht zu denken. 40 Minuten braucht man von der Auffahrt am RIO bis zur Versorgungsstation. Nur der Gegenverkehr fließt kontinuierlich im Schritttempo. Ob sich auf dem Merchinger Schlossplatz der Verkehr staut? Dort müssen die Teilnehmer wenden um zurückzufahren. Ein Ordner nennt einen anderen Grund: Die Landwirte wollen in den „P+R-Platz“ einfahren, um sich an der Versorgungsstation zu stärken. Doch die Fahrer der entgegenkommenden Traktoren lassen diese nur selten passieren.
Die Stimmung unter den Teilnehmern ist gut. Je langsamer es vorangeht, umso besser scheint sie zu werden. Rockmusik ertönt, ab und zu hört man ein Hupen. Gegendemonstranten gibt es hier auf der Höhe, wo der Wind bei minus drei Grad scharf bläst, nicht.
„Es wird immer mehr vorgeschrieben“, erklärt Sven Ulrich aus Merchingen, warum er mit seinen drei Freunden (siehe Bild unten) an der Aktion teilnimmt. Er beklagt sich über zunehmenden Papierkram und ein Mehr an Bürokratie. „Wir wollen nicht mehr Geld wie die Arbeiter in der Industrie haben. Wir wollen nur das behalten, was wir bisher kriegen“, sagt er.
„Ein Landwirt verdient durchschnittlich 1000 bis 2000 Euro netto – und das bei hoher Arbeitsbelastung“, behauptet ein anderer Teilnehmer aus Merchingen. „Die Lebensmittelpreise steigen, und immer mehr Gelder werden ans Ausland verschenkt“, kritisiert ein anderer, der nicht in der Landwirtschaft tätig ist. „Und jetzt machen sie auch noch die Landwirtschaft kaputt.“
Auch auf den Plakaten kritisieren die Teilnehmer Maßnahmen, die hauptsächlich Landwirte betreffen, oder die Ampel-Regierung im Allgemeinen. „Wenn ihr nicht hungern wollt, wenn ihr nicht frieren wollt, wenn ihr nicht arbeitslos werden wollt, schließt euch an“, heißt es zum Beispiel auf einem Traktor. Ein anderer Teilnehmer stellt fest: „Ist der Bauer ruiniert, wird klimaschädlich importiert.“ Ein anderer fordert auf einem Plakat mit durchgestrichener Ampel: „Rettet unser Land.“
Gegen 10.30 Uhr ebbt der Verkehr auf der B 292 ab. Nur in Richtung Osterburken fließt er sehr zäh. Mancher Bauer wollte mit seinem Traktor nach Bad Mergentheim zur Kundgebung fahren. Doch mit einer so langsamen Geschwindigkeit ist das bis 12.30 Uhr nicht zu schaffen.
Auf den Schulbesuch an den Gymnasien in Buchen und Osterburken haben sich die Proteste nicht stark ausgewirkt. „Bei Heidersbach und Mudau ist jeweils ein Bus steckengeblieben“, sagt Sekretärin Merve Anik vom BGB auf Anfrage der FN. Die betroffenen Schüler seien später zum Unterricht gekommen. Ähnliches sei einem Lehrer aus Walldürn passiert.
Eine Mitarbeiterin vom Sekretariat des Ganztagsgymnasiums Osterburken (GTO) verglich die Auswirkungen der Proteste auf den Schulbetrieb mit starkem Schneefall. 25 bis 30 Schüler seien wegen der Verkehrslage dem Unterricht ferngeblieben. Die Lehrer hätten es gut geschafft, zur Schule zu kommen.
Behinderung auf der B 27
Eine kleinere Protestaktion der landwirtschaftlichen Betriebe rund um Buchen fand auf der B 27 zwischen Buchen-Nord und Buchen-Süd statt. Organisiert wurde sie von Frieder Blum von „Land schafft Verbindung“ (LSV). Rund 150 Teilnehmer versammelten sich mit ihren Fahrzeugen ab 5.30 Uhr im IGO in der Carl-Benz-Straße und fuhren von dort in Richtung B 27, wo sie bis 12 Uhr ihre Runden drehten. Auch sie führten Plakate mit sich, auf denen beispielsweise zu lesen war „Gibt es keine Bauern mehr, bleibt der Kühlschrank leer“. Um 12 Uhr ging es für einige Teilnehmer weiter nach Reichartshausen. Dort wollte man sich einer Sternfahrt nach Heidelberg anschließen.
Frieder Blum zeigt sich im Gespräch mit den FN am Montagnachmittag zufrieden: „Ich bin sehr glücklich, dass sich so viele Teilnehmer in Buchen, aber auch zu den anderen Protestaktionen, beispielsweise bei Osterburken oder Mosbach, versammelt haben. Ich schätze, dass von rund 90 Prozent der Betriebe im Umkreis Mitarbeiter dabei waren.“ Sollten die Forderungen der Landwirte nicht erhört werden, warnt Blum: „Wir kommen wieder!“ Für Donnerstag sei schon eine Fahrt von Hardheim nach Sinsheim geplant.
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