Neckar-Odenwald-Kreis. Mit einem Gruß an alle interessierten Teilnehmer eröffnete Karl Heinz Neser, der langjährige Herausgeber von „Unser Land“ die Vorstellung der 39. Ausgabe des Heimatkalenders in der Aula der Obrigheimer Realschule.
Im Jubiläumsjahr „50 Jahre Landkreis“ und „1250 Jahre Obrigheim“ hätten auch diese Geburtstage Thema sein können, eröffnete Karl Heinz Neser seinen Festvortrag. Doch angesichts des bedeutsamen Datums wolle er sich dem Jubiläum „175 Jahre Badische Revolution“ und „Zeitungsgeschichte in unserer Region“ widmen. Lange habe die Wissenschaft geglaubt, die Revolution habe nur in Groß- und Universitätsstädten stattgefunden. So habe er selbst vor über 40 Jahren als Erster über die Revolution im ländlichen Raum geforscht, sagte der Historiker einführend. Schon im Vorfeld habe es in der Region angesichts von Missernten, Verschuldung der Bauern und Bevölkerungswachstum gegärt. Im Frühjahr 1847 sei in der Region bereits ein Flugblatt verteilt worden, dass zur Revolution aufrief und die Vertreibung des Adels forderte. Im März 1848 kam es zu Agrarunruhen.
Breite Basis auf dem Land
Mit der Aufhebung der Zensur sei die Presse politischer geworden und habe sich dem revolutionären Geist angeschlossen. Zeitungen wurden auch in der Region abonniert, gelesen und viel diskutiert. Auf fruchtbaren Boden fiel das neue Gedankengut unter anderem in Walldürn bei den Blumenmachern und Hausierern. Im Dezember 1848 veröffentlichte die Nationalversammlung die Grundrechte des deutschen Volkes. In den Ortschaften entstanden Volksvereine – im Gebiet des heutigen Landkreises waren es 47 Vereine in 118 Ortschaften, so Neser. „Das sind beeindruckende Zahlen für die kleinen Dörfer und unterstreicht die breite Basis der Revolution auf dem Land.“ Gestandene Kaufleute, Lehrer, Ärzte und Pfarrer forderten politische und soziale Bildung für das Volk. Doch ab dem Frühjahr 1849 spitzte sich die Situation zu. Die alten Kräfte erstarkten, so Neser. Die Revolutionäre wurden militärisch bekämpft, und so war bereits im Herbst 1849 „der Traum von der Demokratie ausgeträumt“. Das mindere jedoch nicht den Einsatz für Freiheit, Demokratie und nationale Einheit, betonte Neser.
Die erstarkten Zeitungen waren auf das Insertionsprivileg angewiesen, also darauf, Amtsblatt der Kommunen zu sein. Wo dieses entzogen wurde, schwand die Finanzierungsgrundlage. Der Odenwälder Bote, gegründet am 1. Januar 1849 in Mosbach, rang dem republikanischen Neckarboten aus Heidelberg das Insertionsprivileg ab und ging so als Gewinner aus der Revolution hervor. Doch er konnte dann nicht mehr politisch berichten. Im März 1865 wurde der Buchener Anzeiger gegründet, der bald darauf Amtsblatt wurde, schloss Neser seinen Kurzvortrag.
304 Seiten mit 84 Beiträgen von 75 Autoren umfasst der Heimatkalender 2024, berichtete Mitherausgeber Gerhard Layer. Die Summe ihres Schaffens mache das Werk „zu einem Lesebuch zur Geschichte der Region mit fundierten Aufsätzen, Histörchen und Gedichten und dem gewohnt breiten Themenspektrum“, so Layer. Immer wieder sei er überrascht, in welch verborgene Winkel der Vergangenheit die Autoren des bunten Heimatkalenders für Neckartal, Odenwald, Bauland und Kraichgau blickten, welche markanten Persönlichkeiten sie vorstellten und wie sie in Versen Beobachtungen und Empfindungen vermittelten. Ihnen galt deshalb sein erster Dank, denn sie „geben dem Kalender Leben und Farbe.“ Ihr ehrenamtliches Engagement trage „Unser Land“, betonte Layer.
Der Schriftleiter gab dann einen Überblick über den Inhalt des reich bebilderten Bandes. So konnte man natürlich an Obrigheim und seinem Jubiläum nicht vorbeigehen: Beleuchtet werden unter anderem der Bau der Odenwaldeisenbahn von Heidelberg nach Mosbach und der Bahnhof Finkenhof, wie überhaupt Bahngeschichte eine große Rolle spielt. So gelten Beiträge der Eröffnung der Strecke Amorbach-Walldürn vor 125 Jahren sowie der 1973 stillgelegten Nebenbahn Mudau- Mosbach. Einen festen Platz im Kalender haben Berichte über ältere, fast vergessene Kleindenkmale wie Steinkreuze, Bildstöcke, Kapellen, Grenzsteine, Stundensteine und Stege, dieses Mal unter anderem im Jagsttal, am „Laudebercher Brickle“ und bei Mudau. Man erfährt, dass Schloßau fast 100 Jahre lang ein Wallfahrtsort war, lernt den ersten katholischen Mosbacher Schultheißen nach der Reformation sowie den Mudauer Maler und Bildhauer Nikolaus Hooff kennen. Erinnert wird aber auch an Dorfmärkte und Fastnachtstraditionen, an „Große Wäsche um die Jahrhundertwende“, an „Ehrsame Tafelrunden“ in Adelsheimer Honoratiorenkreisen und an das Dorfleben in Eberstadt aus der Sicht der Schriftstellerin Juliana von Stockhausen (1899-1998). Nicht fehlen darf ein Ausblick auf das Jubiläum „1250 Jahre Hettingen“.
„All diese Beiträge haben in der Summe das Ziel, Heimat und Herkunft erfahrbar zu machen, Brücken zu schlagen vom Gestern zum Heute und das Geschichtsbewusstsein zu stärken“, schloss Layer seinen Überblick. Sein Dank galt seinen Mitherausgebern Dr. Karl Wilhelm Beichert und Karl Heinz Neser für das gut Miteinander sowie Verlegerin Inge Höltzcke und Chefredakteur Dr. Klaus Welzel von der Rhein-Neckar-Zeitung für die Förderung des Gemeinschaftswerkes und allen an der Herstellung Beteiligten. Für seine schon Jahrzehnte währende Verbundenheit dankte Layer Landrat Dr. Achim Brötel, der gerne seine Sympathie für das kreisübergreifende Geschichtsbuch zum Ausdruck bringe.
Heimat portionsweise aufbereitet
Der so Gewürdigte revanchierte sich mit einem Loblied auf den Heimatkalender, den er gerade wegen seiner portionsweisen Aufbereitung interessanter Themen aus der Heimat genieße. „Jeder und jede wird etwas finden in ‚Unser Land’“, so Brötel. Auch Klaus Welzel würdigte das Gemeinschaftswerk. Es biete gute recherchierte Einblicke und sei so lesenswert wie liebevoll gemacht. Motor und gute Seele des Kalenders sei Gerhard Layer, den er ermunterte, noch mehr Frauen als Autorinnen zu gewinnen.
Ein Grußwort hatte auch Bürgermeister Achim Walter gesprochen. „Hier wird Geschichte lebendig“ lobte er das Werk und dankte allen Beteiligten. Er freute sich, dass Obrigheim im Jubiläumsjahr des Landkreises und der Gemeinde Gastgeber der Kalendervorstellung sein durfte.
Das Schlusswort sprach Mitherausgeber Karl Wilhelm Beichert mit Gedanken zum Kalenderblatt zum 10. Oktober. Dieser Jahrestag ist Viktor und seinen Gefährten gewidmet, die Beichert als römische Soldaten christlichen Glauben und Märtyrer vorstellte. Sein Dank galt allen Autoren, den Verlegern, dem Stammleser Achim Brötel, dem Gastgeber sowie den Mitherausgeber Karl Heinz Neser und besonders Gerhard Layer, der die Beiträge zusammengetragen und redigiert hatte.
Schon traditionell eröffnen ein Kalendarium und ein Bericht über den „Vogel des Jahres“ den Kalender. Er schließt mit Nachrufen, dem Autorenverzeichnis und einem Spruch zum Jahreswechsel.
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