Kreistag

Neckar-Odenwald-Kliniken sollen gesundschrumpfen

Gutachten zur Krankenhausreform empfiehlt klare Standortpriorität für Buchen.

Von 
Dieter Schwab
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Der Klinik-Standort Mosbach wird erheblich an Bedeutung verlieren, wenn Kreistag und Aufsichtsrat der Empfehlung eines Wirtschaftsgutachtens folgen. © Dieter Schwab

Neckar-Odenwald-Kreis. Noch ist nichts entschieden, doch alleine die Gutachter-Empfehlung einer Reform mit Standortvorteilen für Buchen trieb die Diskussionen im Kreistag Neckar-Odenwald an und etwa 150 Zuhörer in den Saal der Odenwaldhalle Lohrbach.

Jetzt soll aber erst einmal das Land Baden-Württemberg zu den Vorschlägen des im Sektor Krankenhäuser führenden Beratungsunternehmens Lohnert & Lohnert Stellung nehmen. Denn letzten Endes hat Stuttgart die Planungs- und Entscheidungshoheit im Gesundheitswesen.

Nur eines steht längst fest: So kann es unmöglich weiter gehen. Der Zuschussbedarf der Neckar-Odenwald-Kliniken erhöhte sich im Jahr 2024 auf fast 10,5 Millionen Euro mit nach wie vor steigender Tendenz. So blutet nicht nur der Kreis, sondern vor allem die Kommunen aus, die mit ihrer Kreisumlage die Finanzen zur Verfügung stellen.

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Martin Bernhard
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Mittlerweile ist man mit dem Defizit wieder auf dem Niveau des Jahres 2013. Damals holte man sich die Sanierer von Pricewaterhouse Coopers ins Haus – der damalige Kliniken-Geschäftsführer musste gehen. PwC versprach dem Neckar-Odenwald-Kreis mittelfristig eine ausgeglichene Bilanz. Die Krankenhäuser wurden auf Gutachtenempfehlung umstrukturiert und die Fachbereiche zwischen Mosbach und Buchen aufgeteilt.

Die Reform ließ durch deutlich bessere – wenn auch nie ausgeglichene – Ergebnisse Hoffnung schöpfen, doch spätestens 2015 war es mit der Herrlichkeit vorbei. Fünf Millionen betrug das Defizit damals. Und um diesen Wert herum schwankte es auch in den Folgejahren; sieht man einmal ab vom Negativrekord im Jahr 2019 (knapp minus 14 Millionen Euro) und den durch Corona-Sonderzahlungen geschönten Wert von 2023 (2,7 Millionen).

Der finanzielle Handlungsdruck steigt weiter, wie die Prognosen für die nächsten Jahre befürchten lassen. Zusätzlich verlangt die Krankenhausreform des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach speziell den kleinen Häusern auf dem Land schnelle Lösungen ab. Die soll ein vom Aufsichtsrat der Neckar-Odenwald-Kliniken gGmbH in Auftrag gegebenes Gutachten von Lohfert & Lohfert liefern (wir berichteten).

Landrat Dr. Achim Brötel weiß, dass die Frage, wie es mit den Kliniken weitergeht „die Menschen im gesamten Kreisgebiet zweifelsohne massiv aufwühlt. So tiefgreifende strukturelle Diskussionen um unsere Krankenhäuser hat sich mit Sicherheit niemand von uns gewünscht. Die Rahmenbedingungen lassen uns aber leider keine andere Wahl. Neben den schlechten Zahlen, die wir uns so auf Dauer schlicht nicht mehr leisten können, macht uns aber auch die anhaltend schwache Belegung zu schaffen. Unsere Krankenhäuser werden einfach von zu wenigen Menschen im Neckar-Odenwald-Kreis genutzt.“

Zu dieser Situation hat auch die zurückliegende Reform beigetragen. Seit einige Fachbereiche in Mosbach oder Buchen und nicht mehr in Mosbach und Buchen angesiedelt sind, zeigt sich eine verstärkte Wanderbewegung in angrenzende Kreise.

Nur 50 Prozent der Kinder des Neckar-Odenwald-Kreises sind in Buchen geboren. Die Buchener Quoten der Gynäkologie (42,9 Prozent) oder aus den Bereichen Bauch (42,8) und Wirbelsäule (47,5) sind noch schlechter, obwohl sie zu den besten Fachbereichen zählen. Ähnlich sieht es mit Trauma/Verletzungen (42,7) und Bewegungsapparat (38,0) in Mosbach aus. Nur Mosbachs geriatrischer Schwerpunkt glänzt mit 80 Prozent.

Die Kreisrätinnen und Kreisräte müssen sich jetzt durch einen Gutachten-Berg von über 300 Seiten arbeiten. Einen ersten Vorgeschmack davon, was auf die Mandatsträger zukommt, erlebten sie am Mittwoch in ihrer Sitzung in Lohrbach. Philipp Letzgus von Lohnert & Lohnert beließ es zwar bei 35 Powerpoint-Folien. Aber dessen Präsentation nebst zahlreichen Zwischenfragen, dauerte bereits fast zwei Stunden. Sicher deutlich länger wird der Entscheidungsprozess in Anspruch nehmen, denn das Gutachten enthält politischen Sprengstoff. Die Empfehlung: Mosbach soll zu einem in Lauterbachs Klinikwelt „Standortübergreifenden Versorger“ geschrumpft werden. Im schlimmsten Fall bedeutet dies, dass dort nur ein ambulanter Schwerpunkt und eine allgemein internistische Station mit 20 bis 30 Betten bei Öffnungszeiten von 7 bis 22 Uhr übrigbleiben. Für die Notfallversorgung wäre man auf die Kooperation mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten von Privatpraxen oder Medizinischen Versorgungszentren angewiesen. Im besten Fall könnte zusätzlich eine Altersmedizin-Fachklinik angegliedert werden, wodurch von den aktuell 120 Bedarfsbetten immerhin 60 bis 80 übrigblieben.

Das medizinische Zentrum des Kreises wäre künftig Buchen. Dort sieht das Gutachten einen „Schwerpunktversorger“ mit Fokus auf die Innere Medizin. Dieser Fachbereich mit Gastroenterologie, Kardiologie (keine Herzoperationen, aber Katheter-Untersuchungen) und Telemedizin bei Schlaganfällen würde unter anderem ergänzt durch zwei chirurgische Abteilungen, eine Orthopädie und den Fachbereich Gynäkologie/Geburtshilfe. Der Bettenbedarf steigt so von aktuell 110 auf 175.

Das Gutachten hat diese Variante als die für die Versorgung im ganzen Kreis sinnvollste und wirtschaftlichste ermittelt. Ein schlagendes Argument für Buchen ist die Festlegung des Landes, dass dieser Standort für die Notfallversorgung in Baden-Württemberg unverzichtbar sei. Mit seiner Bedeutung für die umliegende Region gehöre das Krankenhaus dort zu den wichtigsten in der Landesplanung, behauptet Philipp Letzgus sogar.

Das Team von Lohnert & Lohnert hat über Monate den Status quo analysiert und in einer Vielzahl von Gesprächen vor Ort oder per Videokonferenz nach einer Lösung gesucht. Bei den vorhandenen Bedingungen und den zu erwartenden Vorgaben des Landes soll die beste Versorgung bei der höchsten Wirtschaftlichkeit erreicht werden.

Dabei wurden verschiedene andere Möglichkeiten betrachtet: 1. Die Fortführung in den vorhandenen Strukturen, 2. Mosbach als Schwerpunkt und Buchen als standortübergreifender Versorger, 3. Mosbach schließen und Buchen fortführen, 4. Neubau in zentraler Lage. „In der Summe“ aber habe sich die Variante mit Buchen als Schwerpunkt und Mosbach als standortübergreifender Versorger „als deutlich überlegen“ erwiesen, fasste Letzgus das Ergebnis zusammen.

Die Gesetze für Ex-Minister Lauterbachs Reform sind zwar noch von der Ampel-Koalition verabschiedet worden, doch es fehlen noch die konkreten Gesundheitspläne des Landes, wo welche Fachbereiche angesiedelt werden sollen. Die Reform sieht vor, dass nur die großen Kliniken (zum Teil Uni-Kliniken) Vollversorger sein dürfen. Auf dem Land wird nur eine Grundversorgung bleiben, die durch bestimmte Fachbereiche ergänzt wird. Wer einen solchen Bereich anbieten will, muss beim Personal und der Technik Standards erfüllen. Eine „Vorhaltevergütung“ deckt dann 60 Prozent des Budgets, aber nur sobald man die vorgeschriebenen Fallzahlen erreicht. Da diese Hürde hoch angesetzt sei, müsse man gut planen, welche Fachbereiche wirtschaftlich angeboten werden könnten, betonte Letzgus.

Amelie Pfeiffer (Grüne) machte sich Sorgen, ob eine Konzentration von Fachbereichen nur auf Buchen nicht dazu führen könne, dass Patientinnen und Patienten sich lieber außerhalb des Kreises behandeln lassen. Nach der Verlegung der Geburtshilfeabteilung nach Buchen sei es nicht gelungen, dort die gesamten Geburten des Kreises zu halten.

Maren Fütterer (Grüne) hat Zweifel, ob der Status des „standortübergreifenden Versorgers“ die Notfallversorgung in Mosbach gewährleisten könne. Letzgus meinte, dass Notfälle zwar behandelt werden könnten, aber nicht auf dem von der Berufsgenossenschaft verlangten Niveau. Denn dafür würden die Chirurgie und eine Intensivstation verlangt. Solche Fälle müssten nach Buchen gebracht werden.

Manfred Beuchert (CDU) fragte mit Blick auf die ausstehende Gesundheitsplanung des Landes: „Wie kann man eine eindeutige Bewertung abgeben, wenn man die Rahmenbedingungen nicht kennt?“ Roland Burger (CDU) hätte gerne gewusst, wann das Land bekanntgebe, welches Leistungsspektrum dem Neckar-Odenwald-Kreis zugewiesen werde. Landrat Dr. Brötel antwortete, dass das Stuttgarter Gesundheitsministerium bis 31. Oktober 2026 Zeit habe, die einzelnen Krankenhäuser in das für sie vorgesehene Leistungsspektrum einzuteilen. Letzgus versprach dem Kreis, er habe extrem gute Chancen, mit einem früh eingereichten und schlüssigen Gutachten bei der Verteilung der Mittel aus dem Transformationsfond berücksichtigt zu werden.

Julian Stipp (SPD) trat hingegen auf die Bremse: „Am Ende des Tages“ sei es „eine politische Entscheidung“. „Wir müssen uns die Zeit für eine Diskussion nehmen, mit welchem Vorschlag wir auf das Land zugehen.“ „Das Land hat doch das Gutachten schon“, widersprach Dr. Norbert Rippberger (CDU). „Deshalb wäre es für uns wichtig zu wissen, was das Land entscheidet.“ Aber nur in der Frage der Vorgehensweise gab es unterschiedliche Auffassungen. Sich erst Zeit für interne Diskussionen zu lassen, wollten zehn Kreisräte. Die Mehrheit beauftrage die Verwaltung, das Land um eine möglichst zeitnahe Bewertung der Vorschläge zu bitten. Diese soll dann Grundlage für die Meinungsbildung im Kreistag und im Aufsichtsrat der Kliniken gGmbH sein.

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