Prozess

Landgericht Mosbach: Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung

Vor dem Landgericht endete ein außergewöhnlicher Prozess: Ein 49-Jähriger wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, wurde jedoch wegen Bedrohung und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Von 
Martin Bernhard
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Das Landgericht Mosbach hat einen 49-jährigen Buchener vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. © Martin Bernhard

Buchen/Mosbach. Es war ein außergewöhnlicher Prozess, der sich über vier Verhandlungstage erstreckte. Die Erste Große Strafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Dr. Barbara Scheuble sprach am Donnerstag den 49-jährigen Buchener B. vom Vorwurf der dreifachen Vergewaltigung frei. Wegen Bedrohung und Körperverletzung verhängte sie eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung. Davon werden dem Verurteilten drei Monate erlassen, weil sich das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Florian Kienle hatte zwei Jahre Haft auf Bewährung, Verteidiger Simón Barrera González Freispruch gefordert.

Angeklagter soll frühere Lebensgefährtin geschlagen haben

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte mit marokkanischen Wurzeln bei einem Streit im August 2021 vor dem Krankenhaus in Buchen seine frühere Lebensgefährtin Z. geschlagen habe. Zudem wertete es das Versenden eines pornografischen Gewaltvideos über einen Messengerdienst an die ehemalige Lebensgefährtin als Bedrohung. Dagegen konnte man die angebliche dreifache Vergewaltigung und viele andere Vorwürfe nicht beweisen. Hier stand Aussage gegen Aussage. Eine psychologische Gutachterin hatte festgestellt, dass die Aussagen der 43-Jährigen nicht hinreichend glaubwürdig und deshalb in dem Verfahren nicht zu verwenden seien. Dass der Angeklagte einschlägig vorbestraft sei, habe sich auf das Strafmaß ausgewirkt.

Der vierte und letzte Verhandlungstag war wie die vorherigen von Vorwürfen des Verteidigers gegenüber dem Staatsanwalt und die Richterin geprägt. So hatte der Staatsanwalt, wie dieser gegenüber den FN sagte, in seinem Plädoyer am Ende des dritten Verhandlungstags dem Verteidiger „Selbstinszenierung“ und „mangelnde juristische Kompetenz“ vorgeworfen. Schlechte Verteidigung dürfe nicht zulasten des Angeklagten gehen. Eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ließ er fallen. Dagegen forderte er zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen Sachbeschädigung eines Mobiltelefons, Nötigung und Körperverletzung. Außerdem kritisierte Kienle das Erscheinungsbild des Rechtsanwalts, der unter seiner Robe ohne Krawatte und in Turnschuhen aufgetreten sei.

Rechtsanwalt moniert Verhalten des Leitenden Oberstaatsanwalts

Dies veranlasste Rechtsanwalt Barrera González, das „Gebahren des Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt“ zu monieren: „Er hat sich aufgespielt, als wäre er der Vorsitzende Richter.“ Er habe sein Wort direkt an den Verteidiger gerichtet, statt einen entsprechenden Antrag an die Kammer zu stellen. Dadurch habe er „das Recht auf effektive Verteidigung beschnitten.“ Die Kritik an seiner Kleidung wertete der Verteidiger als „Arroganz der Macht“. Der Oberstaatsanwalt habe sich „im Sinne eines Modeberaters über den anderen“ erhoben. Nicht jeder wolle – wie der Oberstaatsanwalt – „eine Hochwasserhose mit bunten Socken und italienische Lederschuhe“ tragen.

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Der Verteidiger stellte die Art und Weise des Verfahrens insgesamt infrage. So war der jetzigen Hauptverhandlung im Frühjahr 2022 ein Verfahren vorangegangen. Dieses war wegen Befangenheit eines Schöffen abgebrochen worden. Zu diesem Verfahren sei eine zweistellige Anzahl an Zeugen geladen gewesen. „Warum wurden diese nicht auch zu dieser Hauptversammlung geladen?“, fragte der Rechtsanwalt. Außerdem hatte es nach den Ausführungen von Barrera González schon im August 2021, wenige Tage nach dem Streit des Angeklagten mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin Z., Hinweise dafür gegeben, dass Z. die Unwahrheit gesagt hat. Einen Antrag des Verteidigers, ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellen zu lassen, habe die Richterin Scheuble damals abgelehnt. Außerdem sei die Hauptbelastungszeugin Z. von der Verhandlung ausgeladen worden, nachdem der Anwalt der Richterin angekündigt hatte, dass er sie länger als die geplanten drei Stunden befragen wolle. „Die verschiedenen Aussagen von Z. enthalten Auslassungen und Widersprüche. Warum wurde sie von der Hauptverhandlung ausgeladen?“, fragte Barrera González.

Vor dem Hintergrund, dass die behauptete Vergewaltigung wahrscheinlich nicht zu beweisen war, versteht es der Verteidiger nicht, warum die Kammer die Untersuchungshaft von B. nicht aufgehoben habe. Erst nach einer Beschwerde beim Oberlandesgericht wurde der Beschuldigte B. aus der Haft entlassen.

Dem Leitenden Oberstaatsanwalt warf Barrera González vor, „gravierende Fehler“ bei den Ermittlungen begangen zu haben. „Eine unhaltbare Allianz von Staatsanwaltschaft und Gericht“ habe zu einer „unhaltbaren Anklage“ geführt. Er sprach von einer „einseitigen Vorverurteilung des Beschuldigten“ sowie von „strukturellem Rassismus“ bei Staatsanwaltschaft und Polizei und einem „Justizskandal“.

Redaktion

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