FN-Interview

Buchen: Wie sich die Gaspreise voraussichtlich entwickeln werden

Die Stadtwerke-Geschäftsführer Andreas Stein und Matthias Gruber gehen davon aus, dass die Zahl der Gaskunden abnehmen wird. An eine Stilllegung des Gasnetzes denkt man derzeit nicht

Von 
Martin Bernhard
Lesedauer: 
Die Geschäftsführer (von rechts) Mattias Gruber (Stadtwerke Buchen) und Andreas Stein (Stadtwerke Buchen und Walldürn) im Gespräch über die Entwicklung auf dem Strom- und Gasmarkt mit FN-Redakteur Martin Bernhard. © Rainer Schulz

Buchen/Walldürn. Was kommt auf die Verbraucher bei den Strom- und Gaspreisen zu? Und wird man bald überhaupt noch mit Erdgas heizen können? Denn die Mannheimer „MVV Energie“ (MVV), die einen rund 25-prozentigen Anteil an den Stadtwerken Buchen (SWB) halten, wollen bis 2035 ihr Gasnetz stilllegen. Wir haben mit Andreas Stein, Geschäftsführer der SWB und der Stadtwerke Walldürn (SWW) sowie mit Matthias Gruber, Geschäftsführer der SWB, gesprochen.

Herr Stein, Herr Gruber, wie wird sich der Strompreis bei den SWB und SWW entwickeln?

Matthias Gruber: Die Stadtwerke beschaffen ihren Strom für die Tarifkunden im Regelfall über drei Jahre. In der Energiekrise, als Preise durch die Decke gingen, konnten wir die Kunden noch mit günstiger Energie beliefern. Viele Billiganbieter haben ihren Kunden gekündigt. Wir als Grundversorger mussten diese Kunden mitversorgen.

Andreas Stein: Obwohl die Strompreise aktuell an der Börse wieder anziehen, wurden und werden in Walldürn und in Buchen Preise in vielen Tarife gesenkt.

Wie entwickeln sich die Wasserpreise in Buchen und Walldürn im nächsten Jahr?

Stein: Die Wasserversorgung im ländlichen Odenwald mit vielen Hochbehältern in den Ortsteilen ist sehr kostenintensiv. Das meiste Wasser wird in Buchen und Walldürn von der Bodenseewasserversorgung geliefert. Die Bezugspreise steigen auch dort, denn aufgrund des Witterungsverlaufes waren die Mengen rückläufig. Deshalb sind 2025 Preiserhöhungen nötig.

Matthias Gruber ist Geschäftsführer der Stadtwerke Buchen. © Rainer Schulz

Gruber: Es ist keinem geholfen, wenn der Wasserpreis durch unterlassene Instandhaltung künstlich niedrig gehalten wird. Die Preise im Hoch- und Tiefbau sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Der „Wassergraben“ ist tiefer und breiter als bei den anderen Sparten. Daher ist die Wassersparte von der Kostensteigerung im Tiefbau am stärksten betroffen.

Und wie sieht es beim Gas aus?

Stein: In der Gasversorgung ist die Situation mit der Energiebeschaffung wie beim Strom. Im Buchen haben wir die Gastarife im Oktober 2024 gesenkt und werden das in Walldürn zum 1. Januar tun. Die Gasspeicher sind zwar voll, aber die Krise in der Gasversorgung ist noch nicht endgültig vom Tisch.

Gruber: In den vergangenen sechs Wochen sind die Gaspreise um etwa 1,2 Cent pro Kilowattstunde gestiegen – also nachdem wir unsere Preissenkung kalkuliert haben. Für diese Heizperiode können wir aber Entwarnung geben. Sollte die Entwicklung anhalten, könnte jedoch im Laufe des nächsten Jahres eine Erhöhung notwendig werden.

Bei einem Online-Preisvergleich von Strom- und Gastarifen sind Mitbewerber um mehr als 30 Prozent günstiger als die SWB. Woran liegt das? Welche Vorteile bieten die SWB?

Gruber: Diesen Preisvergleich können wir nicht bestätigen. Mit den Gaspreisen bei den SWB zum 1. Oktober liegen wir – wenn man die Wechselprämien unberücksichtigt lässt – sogar an erster Stelle. Zugegeben, im Sommer – bevor die aktuellen Großhandelspreise wieder anzogen – lagen wir nicht ganz so gut. Die Wettbewerber orientieren sich stark an den Tagespreisen und haben aktuell deutlich angehoben, während wir mit unserer langfristigen Beschaffung senken konnten. Wichtig ist uns Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit für unsere Kunden. Mit unserer langfristigen Beschaffungsstrategie schwanken die Preise sehr viel weniger als bei unseren Wettbewerbern. Auf lange Sicht brauchen wir keinen Vergleich zu scheuen, wie man aktuell sehr deutlich sehen kann. Auch beim Strom müssen wir uns nicht verstecken. Der Fünftplatzierte ist nahezu preisgleich. Wir schauen daher weniger auf den aktuellen Tagespreisvergleich, sondern haben das langfristige Mittel im Blick. Das ist das, was uns – neben dem persönlichen Service – unterscheidet. Sehr deutlich hat man das zu Beginn der Energiepreiskrise zum Jahreswechsel 2020/2021 gesehen. Als die Großhandelspreise durch die Decke gingen, haben viele neue Anbieter Insolvenz angemeldet oder die Belieferung ihrer Kunden eingestellt, weil sie die hohen Preise nicht bezahlen konnten oder wollten. Wir haben die Kunden in unserem Netzgebiet dann natürlich aufgenommen und zu fairen Preisen beliefert. Aber wir mussten dabei Geld drauflegen, denn die Mengen für diese Kunden hatten wir natürlich nicht vorausschauend und langfristig einkaufen können. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Aber wir wollen nicht klagen, unsere Kunden honorieren das. Unser Marktanteil in Buchen liegt bei 80 Prozent, und auch im Umland haben wir steigende Kundenzahlen zu verzeichnen.

Wie wirken sich steigende Netzentgelte und höhere CO2-Kosten auf die Preisentwicklung aus?

Gruber: Der CO2-Preis steigt zum 1. Januar von 45 auf 55 Euro pro Tonne. Das bedeutet einen Kostenblock von einem Cent pro Kilowattstunde netto ab dem 1. Januar für die Gaslieferung. Der CO2-Preis soll nach gesetzlicher Regelung 2026 auf maximal 65 Euro je Tonne steigen. Ab 2027 wird sich der CO2-Preis als Marktpreis bilden. Hier gibt es Szenarien, die den CO2-Preis langfristig bei mehreren hundert Euro je Tonne sehen. Die Kosten für das Gasnetz sind nahezu unabhängig von der Gasabgabemenge. Auch wenn nur noch wenig Kunden am Netz wären, muss das Netz sicher betrieben werden, was entsprechende Kosten für Unterhalt und Sanierungsmaßnahmen bedeutet. Heute kostet das Gasnetz in Buchen etwas über zwei Cent pro Kilowattstunde. Hätten wir nur noch ein Zehntel der Kunden bei gleicher Netzgröße, wären es 20 Cent pro Kilowattstunde. Derzeit gehen wir nicht davon aus, dass der Staat hier mit Steuermitteln einspringt. Die Netzkosten für den einzelnen Kunden hängen also massiv davon ab, wie viele Kunden noch an unser Gasnetz angeschlossen sind. Mittelfristig wird der Gaspreis steigen, unabhängig von der Großhandelspreisentwicklung und der Versorgungslage. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung können wir derzeit nicht vorhersagen.

Die MVV legen ab 2035 in Mannheim das Gasnetz still. Ist das auch für Buchen und Walldürn geplant?

Gruber: Nein, so konkret ist das im Odenwald nicht geplant. Wie die Betrachtung der Netzentgelte deutlich macht, kann ein Gasnetz bei sinkender Kundenzahl jedoch nicht beliebig weiterbetrieben werden. Der letzte Kunde kann ja nicht zwei Mio. Euro pro Jahr bezahlen. Genauso wenig wird die Allgemeinheit der nicht ans Gasnetz angeschlossenen Haushalte diese Kosten tragen wollen. Wie schnell sich unsere heutigen Gasabnehmer entschließen, auf andere Technologien umzustellen, wissen wir nicht. Genauso wenig können wir vorhersehen, ob das Gasnetz mit CO2-freien Gasen weitergenutzt werden kann. Daher müssen wir auch im Odenwald davon ausgehen, dass die Zukunft unserer Gasnetze begrenzt sein wird. Natürlich wäre es uns lieber, wenn wir unseren Kunden einen konkreteren Fahrplan nennen könnten. Leider können wir die relevanten Einflussfaktoren nicht beeinflussen –mit Ausnahme des Aufbaus von Wärmenetzen als Alternative zur Gasversorgung. Aber auch hier müssten wir derzeit noch in die Glaskugel schauen. Wir prüfen aber derzeit durch technisch-wirtschaftliche Analysen die Zukunft von Wärmenetzen in unserem Versorgunggebiet auf Machbarkeit.

Andreas Stein ist Geschäftsführer der Stadtwerke Buchen und Walldürn. © Rainer Schulz

Stein: Das Gasnetz unserer Stadtwerke ist nicht mit dem Netz in Mannheim verbunden. Die Anbindung erfolgt über das Bundesland Bayern über die Ferngasnetzgesellschaft. Wegen der Netzanbindung über die Landesgrenze schreiben wir unser Verteilnetze linear bis zum Jahr 2045 ab. Da wir noch keine Wärmenetze und keine planbare Anbindung an das Wasserstoffkernnetz haben, bewegen wir uns auf einer anderen Zeitlinie als Mannheim.

Müssen auch die Stadtwerke Buchen und Walldürn Stilllegungspläne für ihre Gastnetze aufstellen?

Stein: Wir stellen in Buchen und Walldürn derzeit keine Stilllegungspläne auf. Wir müssen, wie alle Gasnetzbetreiber, Gasnetztransformationspläne erstellen. Da es nur eine Gastransportleitung in den Odenwald gibt, müssen alle acht Gasnetzbetreiber in Bayern und Baden-Württemberg, die an dieser Leitung angeschlossen sind, sich auf einen gemeinsamen Plan einigen, und die Städte und Gemeinde müssen ihre Wärmepläne verbindlich beschlossen haben. Dies wird nach heutiger Rechtslage Mitte 2028 erwartet.

Wie könnten Hauseigentümer mit Gasheizung auf eine solche Entscheidung reagieren?

Gruber: Die Hausbesitzer sollten vor einem Heizungstausch einen Energieberater hinzuziehen. Die Kunden müssen sich darauf einstellen, dass Gas durch die CO2-Bepreisung und den rückläufigen Absatz aus unserem Netz perspektivisch teurer wird. Die staatlich gelenkte Entwicklung geht klar in eine Elektrifizierung des Wärmesektors, was sich aktuell an den Förderprogrammen für den Wärmepumpeneinbau zeigt. Insofern sind Wärmepumpen eine echte Alternative. Bei einem hohen Energieverbrauch und schlechten Dämmstandard sollte aber auch die energetische Sanierung des Hauses in Betracht gezogen werden.

Was erwarten Sie von der kommunalen Wärmeplanung der Stadt Buchen?

Stein: Die Stadtwerke haben hier die Aufgabe bekommen, ein Wärmenetz in der Kernstadt unter Nutzung der Abwärme aus dem Blockheizkraftwerk Buchen auf Sansenhecken bei der AWN zu untersuchen. Die Vorstudien wurden beauftragt und sind in der Bearbeitung. Für die Ortsteile wird als Pilotprojekt ein Wärmenetz in Götzingen untersucht. Die Projektskizze wurde erstellt und ein Förderantrag für eine Machbarkeitsstudie wurde gestellt. Es ist geplant, im Januar die Hausbesitzer anzuschreiben, um die Datenqualität zu verbessern und die Interessenslage abzufragen. Es werden drei Szenarien geprüft: Ein Kernnetz, ein erweitertes Kernnetz und ein Gesamtnetz. Bei der Investition in Wärmenetze ist mit Summen im dreistelligen Millionenbereich zu rechnen. Hierbei sind die Finanzierung und die Akzeptanz bei potenziellen Anschlussnehmern die offenen Fragen. Auf Grund der Bebauungsstruktur in Buchen und Walldürn ist nicht damit zu rechnen, dass wir zu flächendeckenden Wärmenetzen kommen werden, wie das in weiten Teilen von Mannheim der Fall ist. Daher ist die Situation der Gasnetze in Mannheim auch nicht mit der Situation in Buchen und Walldürn vergleichbar.

Welche Pläne haben SWB und SWW in Bezug auf erneuerbare Energien?

Stein: Beide Stadtwerke halten Beteiligungen an Wind- und Solaranlagen. Bei wirtschaftlichen Projektangeboten sind weitere Investitionen in der Region zielführend. Derzeit wird das Gemeinschaftsprojekt beider Stadtwerke, die Agri-PV-Anlage in Neusaß, gebaut und soll Anfang 2025 in Betrieb gehen.

Welche Grenzen gibt es bei der Einspeisung durch PV-Anlagen in Buchen und Walldürn?

Stein: Beide Stadtwerke arbeiten an einer Zielnetzplanung, indem der Ausbau an Ladestationen, PV-Anlagen und der Wärmepumpenzubau mit Szenarien simuliert werden. Punktuelle Netzengpässe treten jetzt schon auf und werden in der Regel durch Netzverstärkungen behoben. Größere Sorgen bereiten die Kapazitäten der vorgelagerten Netzebenen in den Umspannwerken (UW). Der Neubau eines Umspannwerkes dauert mit Planung drei bis fünf Jahre. Deshalb prüfen wir in Buchen auch die Entwicklung eines Großspeichers am UW Hettingen.

Mehr zum Thema

Stadtwerk Tauberfranken

Bad Mergentheim: Strom-/Gaspreise sinken, Wärmebedarf wächst

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren
Windkraftanlagen

Küsheimer Gemeinderat hält an Ablehnung fest

Veröffentlicht
Mehr erfahren
Energiewirtschaft

Stadtwerke Wertheim installieren vier PV-Anlagen

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Planen die SWB und SWW einen Ausbau von Stromtankstellen für Autos und E-Bikes?

Stein: Das Energiewirtschaftsgesetz verbietet den Stadtwerken, Ladestationen zu bauen und zu betreiben. Die SWB hat ihre Station in der Eberstadter Straße an den Eigenbetrieb übertragen. Die SWW verkauft ihre beiden Stationen hinter dem Schloss und am Golfplatz an die MVV.

Gruber: Das ist schon eine ziemlich absurde gesetzliche Beschränkung. Derzeit sehen wir allerdings genug Akteure, die in öffentliche Ladeinfrastruktur investieren, so dass wir uns auf die Wärmeversorgung und den Ausbau der Stromnetze fokussieren können.

Wie läuft die Zusammenarbeit von SWB und SWW?

Stein: Die Zusammenarbeit läuft gut und wird weiter ausgebaut. Derzeit wird der gesetzlich vorgeschriebene digitalisierte Antrag für PV-Anlagen in Walldürn mit E-Pilot eingeführt. Dann folgt das digitale Hausanschlussbegehren.

Gruber: Beides läuft schon in Buchen und wurde 2024 erfolgreich umgesetzt. Für die Installateure ist die Bedienung somit bei allen Stadtwerken gleich.

Wie sehen die Zukunftsaussichten für kleinere Stadtwerke aus?

Gruber: Unsere Branche muss über 15 000 Rechtsnormen umsetzen. Die Regelungstiefe geht an vielen Stellen sehr weit. So soll zum Beispiel im nächsten Jahr der Lieferantenwechsel für Stromversorger innerhalb von 24 Stunden möglich werden. Heute kann die Branche den Lieferantenwechsel innerhalb von drei Werktagen umsetzen.

Die Verkürzung macht eine kostspielige Automatisierung der Prüfvorgänge notwendig. Das steht in keinem Verhältnis, und wir stellen infrage, wo hier der Mehrwert für den Kunden oder der volkswirtschaftliche Mehrwert liegen soll.

Stein: Wir wünschen uns dringend eine Atempause, denn weniger kann mehr sein.

Viele Gesetze mit der folgenden Bürokratie behindern eine volkswirtschaftliche Energiewende. Die Regierung sollte sich realistische Ziele setzen und diese auch umsetzen, denn das ständige Nachjustieren ist nicht immer zielführend. Unsere Branche braucht, genauso wie die Kunden, vor allem verlässliche Rahmenbedingungen, damit es mit der Energiewende vernünftig vorangehen kann.

Redaktion

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke