Stadtwerk Tauberfranken

Bad Mergentheim: Strom-/Gaspreise sinken, Wärmebedarf wächst

Die Strom- und Gaspreise, der Ausbau der Netze und die Wärmeversorgung in der Region sowie die Pläne für einen Elektrolyseur in Bad Mergentheim waren Themen im Interview mit der Geschäftsführung des Stadtwerks Tauberfranken.

Von 
Sascha Bickel
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Das Stromnetz muss ausgebaut werden, um die Erneuerbaren Energien einspeisen und weitertransportieren zu können. © Stadtwerk Tauberfranken

Bad Mergentheim. Paul Gehrig und Dr. Norbert Schön, die beiden Geschäftsführer des Stadtwerks Tauberfranken, standen den Fränkischen Nachrichten für ein Gespräch zur Verfügung. Strom, Gas und Wärme kamen unter anderem zur Sprache.

Blicken wir zuerst auf die Entwicklung der Preise im Strom- und Gasmarkt. Was tut sich in diesem Bereich beim Stadtwerk?

Paul Gehrig: Wir haben wie alle Versorger mit steigenden Netzentgelten bei Strom und Gas zu rechnen, aber wir haben auch die günstigeren Preise an den Energie-Handelsmärkten bei unseren Einkäufen nutzen können, so dass wir in Summe unsere Preise für die Endverbraucher senken können. Geplant ist dies zum 1. Januar. Nach ereignisreichen Jahren ist die Kostensenkung eine gute Nachricht für unsere Kunden.

Dr. Norbert Schön (links) und Paul Gehrig erklärten den FN die Pläne des Stadtwerks. © Michael Pogoda/Stadtwerk Tauberf

Die großen Stromtrassen im Land werden massiv ausgebaut, um den Stromtransport von den riesigen Windparks im hohen Norden nach Süddeutschland leisten zu können. Gleichzeitig gibt es auch immer mehr kleinere Stromerzeuger in unserer Region: Freiflächen-Photovoltaikanlagen, Windparks und mehr. Auch dieser Strom muss abtransportiert werden. Wo liegen die Probleme und wie steht das Netz in der Region da?

Gehrig: Wir müssen zwischen den Verteilnetzen unterscheiden. Wir müssen unser Verteilnetz so fit machen, dass wir all den Strom auch von kleinen Solaranlagen auf Privathäusern einspeisen können. Das läuft auf Hochtouren. Da haben wir inzwischen das Dreifache an Investitionen in die Ertüchtigung des Stromnetzes.

Der zweite Teil ist das vorgelagerte Stromnetz von Netze BW. Das fängt draußen vor der Stadt am Umspannwerk an. Das kommt an seine Grenzen und da besteht Handlungsbedarf, um die erzeugte Energie gerade von lokalen Windparks oder großen Freiflächen-Photovoltaikanlagen auch wegschaffen zu können.

Man muss sich klar machen, dass wir über 100 Jahre andere Bedarfe an das Stromnetz hatten, welches auch entsprechend gewachsen ist. Es gab zentrale Stromerzeugungsanlagen, Kohle- und Atomkraftwerke, von dort gingen dicke Leitungen weg, die ins flache Land hinaus immer dünner wurden.

Heute wird die Energie auf dem Land erzeugt, dort wo bis dato noch die dünnen Leitungen waren und zum Teil sind. Jetzt müssen von dort aus auch die dicken Leitungen weggehen in die urbanen Gebiete, dorthin wo der Strom benötigt wird. Dieser Umbau ist eine enorme Herausforderung und auch nicht in wenigen Jahren zu stemmen. Er wird zudem Milliarden in Deutschland verschlingen. Wir stecken mitten in der Transformation!

Immer wieder ist vom Stromstau im Netz die Rede. Wie stehen wir in Bad Mergentheim und der Umgebung da? Und was sollten private Investoren beachten?

Gehrig: In das Verteilnetz des Stadtwerks kann jeder einspeisen, wenn wir vorab informiert sind. Nur ein Beispiel: Wenn jemand auf seinem Haus eine Photovoltaikanlage plant, werden wir angehört und nach wenigen Wochen gibt es eine Rückmeldung, zumeist mit der Nachricht, die Einspeisung ist möglich. Wenn man natürlich baut, bevor man sich eine Einspeisezusage geholt hat, dann ist es das persönliche Risiko.

Wo investiert das Stadtwerk aktuell?

Dr. Norbert Schön: In einigen Stadtteilen haben wir noch Freileitungen von Haus zu Haus und deshalb geringere Kapazitäten. Deshalb investieren wir als Stadtwerk in diesem Bereich jetzt intensiver und nehmen eine Erdverkabelung mit mehr Kapazitäten vor. Zuletzt haben wir das in Edelfingen gemacht und sind aktuell in Wachbach aktiv. In den nächsten Jahren wollen wir die Freileitungen sukzessive in den Ortschaften erdverkabeln

Zu den großen Freiflächen-Photovoltaikanlagen möchte ich noch sagen, dass wir deren Leistung nicht mehr in das 20 000 Volt-Lokalnetz hineinbekommen. Das ist wie mit einem Gartenschlauch, da kann man auch nicht beliebig viel Druck draufgeben und ein Großfeuer löschen. Also müssen wir den Strom auf die Hochspannungsebene mit 110 000 Volt transformieren und diese Netze ebenfalls ertüchtigen.

Wir brauchen also größere Umspannwerke. Die Herausforderung hierbei ist die Lieferzeit, die hier inzwischen zwei bis drei Jahre beträgt.

Gehrig: Der Umbau unseres Stromnetzes ist in vollem Gange, trotzdem brauchen wir noch zehn bis 15 Jahre um diesen bundesweit zu bewältigen. Das Stromnetz muss fit für die Energiewende gemacht werden.

Stand heute werden aus unserem Stromnetz etwa 17 Megawatt Strom gezogen. Zirka zehn Megawatt speisen die Kunden über ihre Erneuerbare Energieanlagen ein. Das haben wir hochgerechnet bis zum Jahr 2040: Dann werden voraussichtlich 40 Megawatt aus dem Netz gezogen werden und wohl bis zu 80 Megawatt eingespeist, also das Achtfache dessen, was wir heute haben – da wird die Dimension sehr deutlich, welchen Netzumbau wir hier allein in unserer Region brauchen und vor uns haben!

Das heißt, um beim Bild mit dem Gartenschlauch und den zu geringen Leitungskapazitäten zu bleiben, dass es an vielen Stellen Baumaßnahmen und Investitionen ins Stromnetz geben muss?

Gehrig: Ja, das ist so. Deshalb sorgen wir auch dafür, dass wir unser Gasnetz werthaltig halten und wir werden weiter ins Stromnetz investieren, denn wir sind überzeugt, Strom- und Gasnetz in der Kombination mit dem Einsatz Erneuerbarer Energien wird perspektivisch günstigster für die Kunden – und sicherer.

Spürt das Stadtwerk einen Druck im hiesigen Gasmarkt, weil viele Hauseigentümer auf Wärmepumpen umsteigen? Und wie entwickeln sich hier die Preise?

Gehrig: Die Gaspreise entwickeln sich für unsere Kunden positiv. Wir hatten in 2024 ein zweijähriges Produkt angeboten, bei dem die Kunden schon von dem niedrigeren Durchschnittspreis profitiert haben. Jetzt werden auch die neuen Produkte günstiger. Allerdings werden perspektivisch die Gasnetzentgelte durch die politischen Vorgaben weiter steigen.

Dr. Schön: Wir sehen schon, dass viele Menschen auf Wärmepumpen umsteigen, wir sehen aber auch den gegenläufigen Effekt, dass Gewerbe- und Industriekunden, die bislang noch mit Öl und Kohle geheizt haben, eben jetzt auf Erdgas umstellen. Die vorhandene Infrastruktur bietet viel Potenzial für eine zukunftsweisende Transformation: Durch gezielte Maßnahmen kann das bestehende Gasnetz klimaneutral weiterentwickelt werden.

Gehrig: Das ist ein Thema der kommunalen Wärmeplanung. Diese ist für die Stadt Bad Mergentheim erstellt worden. Wir sind als Gasnetz-Betreiber jetzt gefordert einen so genannten Gasnetzgebiets-Transformationsplan (GTP) zu erstellen.

Was steckt dahinter?

Gehrig: Wir müssen die nächsten eineinhalb Jahre klären, welche Teile unseres Gasnetzes wir für zukunftsfähig – über 2040 hinaus – erachten. Dabei gilt es zu beachten, dass wir ab 2029 insgesamt 15 Prozent Neue Gase verwenden, ab 2035 schon 30 Prozent. Das kann aufbereitetes Bioerdgas sein, das kann CO2-freies Erdgas sein, das kann auch Wasserstoff sein.

Wenn also unser Transformationsplan vorliegt, kann sich jeder Gaskunde zurücklehnen, denn er weiß dann, dass wir die CO2-Vorgaben für ihn erfüllen werden.

Die Öl-Kunden, die an der Strecke liegen, können sich ebenfalls ans Gasnetz anschließen und haben ihr Problem gelöst. Wir gehen also davon aus, dass wir hier nochmal eine neue Welle an Anschlüssen ans Gasnetz haben werden.

Biogas wird hier erzeugt. © dpa

Das heißt, die Kunden müssen nicht auf Teufel komm raus der Gasversorgung entfliehen, um der CO2-Steuer zu entkommen?

Gehrig: Nein, das kann auch über die Gasversorgung gelöst werden. Gerade in den Innenstädten, wo unter anderem auch denkmalgeschützte Gebäude existieren, wie zum Beispiel in Bad Mergentheim oder auch in Lauda und Tauberbischofsheim ist es ja nicht so einfach, eine Wärmepumpe vors Haus zu stellen und den Altbestand zu sanieren. Da bietet die Gasversorgung mit den Neuen Gasen eine Alternative. Das CO2-Problem wird für die Kunden gelöst.

Schauen wir noch auf die Fernwärmeversorgung. Was passiert in Bad Mergentheim und der Region?

Gehrig: Die Nachfrage nach Fernwärme aus dem Naturwärmekraftwerk in Bad Mergentheim ist enorm. Das haben wir jetzt wieder am Gänsmarkt und in der Nonnengasse gesehen, als es um den Anschluss neuer Kunden ging. Es gibt weitere Anfragen auch großer Kunden. Das läuft auf Hochtouren.

Wir werden das Netz erweitern, wo die Nachfrage am größten ist. Und wir sind in der Überlegung, wie wir unsere Kapazitäten noch ausbauen können. Das Naturwärmekraftwerk konnten wir zuletzt nochmal erweitern, dort sind wir aber jetzt am Anschlag, auch von der Leitungsdimension hinunter in die Stadt. Wir überlegen bereits heute, wo wir eine zusätzliche Wärmeerzeugungsanlage realisieren können.

Die Idee ist ein Elektrolyseur – mit seiner Hilfe kann Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden. Dafür braucht es viel Strom. So eine Anlage könnte im Umfeld der Kläranlage zwischen Bad Mergentheim und Edelfingen aufgestellt werden.

Bei der Produktion von Wasserstoff fallen ungefähr 40 Prozent Wärme an, diese wollen wir nutzen und im Umfeld ein weiteres Wärmenetz aufbauen. Vielleicht ergänzt durch eine Abwasser-Wärmepumpe an der Kläranlage und eine Wärmeerzeugungsanlage, welcher Art auch immer, die die Spitzenlast abfängt. Das Gebiet, das sich dafür eignen würde, ist die Freifläche zwischen der Wilhelm-Frank-Straße und der Bahnstrecke, gegenüber der Kläranlage.

Wann fallen hier die Entscheidungen? Die Bürger wollen ja wissen, wo was passiert, um Planungssicherheit zu bekommen.

Gehrig: Der Ausbau des Wärmenetzes läuft kontinuierlich weiter. Für die zusätzliche Wärmeerzeugung sind wir mitten drin in den Überlegungen. Wir müssen auch einen Wärmenetz-Transformationsplan erstellen. Auch dieser Plan soll Ende 2025 vorliegen. Bis dahin wissen wir auch, was wir noch aufbauen wollen, können und werden. – Die Anfragen für den Anschluss ans Wärmenetz können wir alle bedienen, sofern unsere Leitungen in der Nähe liegen, also in der Kernstadt, im Weberdorf und im Kurbereich.

Was ist beispielsweise mit dem Eisenberg?

Gehrig: Hier sind viele Ein- und Zweifamilienhäuser, diese sind prädestiniert für Wärmepumpen-Lösungen. Es kann nicht überall ein Wärmenetz entstehen. Genauso schauen wir, was beim Strom- und Gasnetz Sinn macht und ausgebaut wird. Die Ausweitung des Wärmenetzes macht im hochverdichteten Bereich am meisten Sinn.

Was geschieht in Sachen Nahwärme außerhalb der Kurstadt?

Gehrig: Wärmenetz-Erweiterungen gibt es auch in Tauberbischofsheim auf dem Laurentiusberg. Und wir haben kleinere Konzepte in der Region erstellt für Wärmenetze in Quartieren: zum Beispiel in Künzelsau. Die Stadt überlegt, ob sie Teile der Innenstadt mit Wärme erschließen will. Da sind wir mit im Boot.

Wo wird es nach der Nonnengasse mit dem Wärmenetz in Bad Mergentheim weitergehen?

Gehrig: Wir werden den Badweg entlang der Bahnlinie machen. Das ist herausfordernd aufgrund der Enge des Weges und der vielen Anlieger. In der Innenstadt prüfen wir aktuell die Frommengasse sowie eine Erweiterung im Kurbereich in Richtung Löffelstelzer Straße.

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Und was ist mit neuen Wärmenetzen in den Stadtteilen? In Wertheim-Höhefeld scheinen die dortigen Träume gerade mangels Teilnehmern zu platzen?

Gehrig: In den Stadtteilen in denen wir mit Gas vertreten sind, müssen wir zunächst abwarten was der Gasnetzgebiets-Transformationsplan an Erkenntnissen bringt und wo wir mit den bestehenden Netzen das Thema lösen können. Ein paralleler Aufbau eines Wärmenetzes ist dort für uns aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu realisieren.

Lösungen kann es aber auch geben, wenn es in einer Ortschaft eine Biogasanlage gibt, bei der auch Wärme anfällt und diese für den Ort genutzt werden kann. In Külsheim-Steinfurt gibt es das zum Beispiel. Aber es müssen möglichst viele mitmachen, damit es sich lohnt. Es werden also immer punktuelle Lösungen am Ende sein.

Dr. Schön: In den Stadtteilen gibt es auch meist keine größeren Abnehmer, deshalb wird sich dort vieles mit Wärmepumpen direkt an den Häusern lösen lassen.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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