Ärgernis

Westfrankenbahn raubt Anwohnern in Bad Mergentheim den Schlaf

Westfrankenbahn lässt ihre Dieselzüge in Bad Mergentheim eine halbe Stunde und länger warmlaufen. Über 100 Protest-Unterschriften gesammelt

Von 
Klaus T. Mende
Lesedauer: 
Die warm laufenden Dieselzüge der Westfrankenbahn reißen viele Anrainer im Wohngebiet Stifterstraße in Bad Mergentheim bereits um 3.30 Uhr aus dem Schlaf – sehr zu deren Ärger. © Klaus T. Mende

Bad Mergentheim. „Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung“, hat einst schon Heinrich Heine erkannt. Und Kurt Tucholsky meinte: „Gebt den Leuten mehr Schlaf – sie werden wacher sein, wenn sie wach sind.“ Beide Weisheiten mögen viele für sich in Anspruch nehmen, nicht aber die Anwohner der Bad Mergentheimer Stifterstraße. Für sie ist diesbezüglich – zumindest derzeit – der Wunsch Vater des Gedankens. Denn sie werden allmorgendlich bereits gegen 3.30 Uhr aus den kühnsten Träumen gerissen – aber nicht etwa von den Weckern, die aus Versehen kollektiv zu früh klingeln. Grund für den Ärger ist die Westfrankenbahn, die ihre mit Diesel betriebenen Züge, welche im Bereich des Bad Mergentheimer Bahnhofs nachts „geparkt“ werden, zu dieser frühen Uhrzeit warmlaufen lässt.

Über 70 Haushalte

Thomas Gillig und seine Mitstreiter, das Wohngebiet umfasst mehr als 70 Haushalte, wollen sich den Ist-Zustand nicht mehr länger bieten lassen. Sie handeln, haben bis einschließlich Sonntag 102 Unterschriften gesammelt (trotz Ferienzeit beteiligten sich 50 Prozent aller betroffenen Haushalte im Bereich Stifterstraße), die zeitnah an Oberbürgermeister Udo Glatthaar übergeben werden sollen – in der Hoffnung, dass eine Lösung gefunden wird, die bald wieder für einen besseren Schlaf der Anrainer sorgt.

Bis zu 70 Dezibel

„Wir wollen nicht in jeder Nacht Lärm und Gestank in unserem Wohngebiet“, fordert Thomas Gillig im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Wenn die Züge angelassen werden, reiche die Lautstärke von 42 Dezibel am westlichen Ende der Stifterstraße bis hin zu 70 Dezibel direkt an der Bahnlinie. „Erlaubt sind in reinen Wohngebieten nachts aber nur 35 Dezibel.“

Mehr zum Thema

Dr. Ellen Gillig

Feinstaub als das Problem

Veröffentlicht
Von
Klaus T. Mende
Mehr erfahren
Kommunal- und Kreispolitik

Bad Mergentheim: „Nein“ zum geplanten neuen Recyclinghof?

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren

Hinzu geselle sich eine gesundheitsgefährdende Ruß- und Feinstaubbelastung, weil die Dieselmotoren der Züge nicht mit Rußfiltern ausgerüstet seien, meint der Sprecher. Feinstaub sei Mitverursacher von Krebs- sowie Lungenerkrankungen und vor allem für Kinder nicht ungefährlich. Dieser Feinstaub breite sich im Umkreis von bis zu 300 Metern über dem Wohngebiet aus und werde eingeatmet.

„Zwar steht in unseren Grundbüchern, dass wir Immissionen – ,besonders Funkenflug und Lärm’ – aus dem Bahnbetrieb zu dulden haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir diese Form der nächtlichen Ruhestörung und Gesundheitsgefährdung akzeptieren müssen“, erklärt Thomas Gillig weiter.

Lärm und Ruß werden verursacht

Wie ihm ein Bahnmitarbeiter mitgeteilt habe, bräuchten die Züge mindestens eine halbe Stunde „Warmlaufphase“. „Tatsächlich habe ich aber schon beobachtet, dass ein Zug bereits nach wenigen Minuten fahrbereit war, und in der Realität laufen die Züge meistens über eine Stunde ,warm’.“

Die Westfrankenbahn verursache hier ohne zeitliche Rücksichtnahme auf Anwohner Lärm und Ruß. „Bis vor drei Jahren fanden diese Warmlaufphasen außerhalb des Wohngebiets statt.“

Bis einschließlich Sonntag hatten alle Anrainer die Möglichkeit, das Ansinnen mit ihrer Signatur zu unterstützen. „Insgesamt sind 102 Unterschriften zusammengekommen, die wir an OB Udo Glatthaar überreichen werden“, so der Initiator der Aktion gegenüber unserer Zeitung.

Und was sagt die Deutsche Bahn dazu? „Unser Anspruch ist, keine Emissionen zu erzeugen, die vermeidbar wären, und die Emissionen, die nicht abzustellen sind, so gering wie möglich zu halten“, beantwortet eine Sprecherin in Stuttgart eine Anfrage unserer Zeitung. „Unsere Fahrzeuge sind zugelassen, werden ordnungsgemäß gewartet und bestimmungsgemäß betrieben, so dass es in der Regel nicht zu erhöhten Emissionen kommen kann.“

Aggregate im Einsatz

Zum Einsatz eines Regionalzugs gehöre der Betrieb bestimmter Aggregate während der Fahrzeugabstellung. Das betreffe besonders die Vorbereitung zur Fahrt, wenn Druckluft für die Bremsen erzeugt werden müsse, sowie zum Technikschutz unter anderem von Lüfter, Heizung und Klimaanlage, ist weiter zu erfahren.

Dieser Betrieb unterschiedlicher Aggregate während der Fahrzeugabstellung sei bei den Fahrzeugen weitestgehend automatisiert und finde bundesweit einheitlich am Bedarf orientiert statt.

Vorübergehende Verlegung

„Aufgrund von aktuell laufenden Bauarbeiten am Bahnhof Bad Mergentheim mussten die Abstellplätze der Fahrzeuge vorübergehend auf Gleis eins verlegt werden“, sagt die Sprecherin. „Nach Beendigung der Baumaßnahmen können wieder die regulären Abstellplätze genutzt werden. Wir bedauern die aktuelle Situation und bitten die Anwohner um Verständnis“, stellt sie die Sicht der DB dar.

Aus Sicht der Anrainer bleibt indes zu hoffen, dass ein tragfähiger Kompromiss gefunden wird, der ihnen nachts wieder einen gesunden Schlaf ermöglicht – ganz im Sinne von Arthur Schoppenhauer, der einmal sagte: „Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr.“

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten