Bad Mergentheim. „Wirtschaftsingenieurwesen ermöglicht das Verstehen zweier Welten und vermittelt zwischen ihnen“, erklärt Prof. Sven Seidenstricker, einer der Studiengangsleiter am Campus Bad Mergentheim der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, der in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag feiert. Seidenstricker geht mit seiner Aussage auf den vermeintlichen Widerspruch im Namen „Wirtschaftsingenieur“ ein und meint: „die betriebswirtschaftliche und die technische Welt“.
So beantworte „der Wirtschaftsingenieur“ zum Beispiel Fragen in Bezug auf eine „Supply Chain“, das Lieferkettenmanagement: „Welches Material ist sinnvoll bei einem Produkt, aber gleichzeitig auch kaufmännisch vertretbar?“
Mit-Studiengangsleiter Prof. Simon Möhringer schließt an: „Das Abteilungsdenken wird im Wirtschaftsingenieurwesen aufgebrochen und schließt sogar noch den Managementaspekt mit ein. Mit dem Studienabschluss in ‚unserem’ DHBW-Studiengang stehen den Absolventinnen und Absolventen deshalb zahlreiche Karrieremöglichkeiten und Stellen offen.“ Beachtlich finden die beiden vor allem, wie viele Frauen „ihren“ Technik-Studiengang in Bad Mergentheim für ihr Studium wählen und dass der Anteil bei durchschnittlich rund 40 Prozent liege: „Uns freut sehr, wenn wir sehen, dass inzwischen bereits viele unserer Absolventinnen in Führungspositionen großer Unternehmen tätig sind“, berichtet Simon Möhringer.
Innerhalb des Studiengangs „Wirtschaftsingenieurwesen“ entscheiden sich die Studierenden zum Studienbeginn für einen der drei Schwerpunkte Internationales Technisches Vertriebsmanagement, Service Engineering oder Innovations- und Produktmanagement.
Für alle diese Schwerpunkte gilt, dass den Professoren der Bezug zur Praxis wichtig ist: „So sind beispielsweise für die Vorlesung zum Thema Unternehmensführung wirklich Geschäftsführer bei uns. Menschen, die täglich in einer Führungsverantwortung gegenüber Hunderten Mitarbeitenden stehen. Dadurch gelingt uns eine authentische Wissensvermittlung.“ Eine Wissensvermittlung, in der zunehmend die Analyse neuer digitaler Arbeitsformen eine bedeutende Rolle spielt.
„Bei vielen Unternehmen stellt man fest, wie die Mitarbeitenden mehr und mehr virtuell zusammenarbeiten. Für uns ist spannend, zu untersuchen, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussieht. Was passiert beispielsweise, wenn die E-Mail als Kommunikationsform wegfällt? Und welche weiteren Herausforderungen gibt es bei einer Zusammenarbeit über größere Distanz?“, fragt Simon Möhringer. Das beträfe in erster Linie nicht Unternehmen mit Produktion, aber Firmen, die digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten. „Wir wollen unsere Studierenden auf den allerneuesten Stand bringen, ihnen aufzeigen, welche Methoden und Werkzeuge es gibt und geben könnte, um Kunden und Kundenprobleme zu erfassen und Lösungen zu ermitteln. Zu erforschen, welche Geschäftsmodelle sind es, die sich ‚morgen’ durchsetzen werden?“, so Sven Seidenstricker.
Dabei sei die Kreativität des Menschen immer noch das Entscheidende. Sie sei dafür verantwortlich, wie jemand die Idee zu einem Produkt oder einer Dienstleistung komme. Diese Kreativität wird an der DHBW durch Praxisnähe gefördert: „Vom ersten Semester an sind die Studenten in den Laboren unterwegs und an Fallstudien beteiligt“, zeigt er auf.
Derzeit laufe zum Beispiel ein Projekt mit der bekannten Hochschule in Linz, wobei sich die Beteiligten damit auseinandersetzen, wie ein anderes Lernen an Schulen bei Schülerinnen und Schülern im Alter von zwölf bis 16 Jahren aussehen kann und welche neuen digitalen Möglichkeiten entstehen werden. „Wir waren auch in einer Forschungsgruppe beim MIT, Massachusetts Institute of Technology, in den USA dabei und haben uns an einem wissenschaftlichen Vergleich zu der Frage beteiligt, wie sieht das Duale Modell in Deutschland im Gegensatz zu dem in den USA aus?“
In die WIW-Lehre integriert sei auch der Bereich Customer Success Management: „Allein auf LinkedIn erscheinen rund 320 000 Jobangebote weltweit bei der Suche, doch ein Studienangebot dazu gibt fast nicht. Wir haben kürzlich den Bildungsverlag Springer zu diesem Thema angefragt und die interessieren sich für Publikationen von uns“, erzählt Sven Seidenstricker.
Wie werden eigentlich Studierende bei der Umsetzung eigener neuer Produkte und Geschäftsideen von der DHBW unterstützt? „Studierende müssen in höheren Semestern die Grundlagen, die sie erlernt haben, in so genannten Innovationsprojekten anwenden. Dabei kommen technische, kaufmännische, rechtliche, logistische Fragestellungen auf sie zu. In Teams entwickeln sie neue Produkte mit kommerziellem Wert, die auch patentierfähig sein sollten“, beschreibt Simon Möhringer: „Und sollte die Innovation tatsächlich so ausgereift und vielversprechend sein, haben wir die Studierenden schon dahin begleitet, das Patent oder Gebrauchsmuster beim Patent- und Markenamt anzumelden. Unterstützung erfahren sie also am Campus, aber auch durch einen lokalen Patentanwalt. Geht es über die Entwicklung des Prototyps hinaus, fördern wir sie zusammen mit den Unternehmen oder durch Zugang zu Fördermitteln.“
Sven Seidenstricker erläutert weiter: „Intrapreneurship, das Unternehmertum im Unternehmen, wird auch vielen Firmen der Region gefördert.“ Die Innovationspotenziale würden sich dabei nicht nur auf Produkte beschränken, sondern seien in gesamten Prozessen und Abläufen vorhanden: „Unser Schwerpunkt Produkt- und Innovationsmanagement ist hervorragend geeignet, diese Entwicklungen voranzutreiben.“
Übrigens: Neben den Studiengangsleitern gibt es im Studiengang WIW noch einen in Vollzeit lehrenden Professor und zwei Assistentinnen sowie einen Laboringenieur und einen akademischen Mitarbeiter.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-verstehen-und-vermitteln-zwischen-welten-_arid,1983006.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html