Tauber-Odenwald/Bad Mergentheim. Der fachübergreifende Ärzteverband „Medi“ ruft ab sofort und noch bis Ende Juni zu bundesweiten Protesten gegen die Ersatzkassen auf, weil diese die Wertschätzung für die ärztlichen Tätigkeiten vermissen ließen.
Nach FN-Informationen beteiligen sich auch verschiedene Fach- und Hausarztpraxen in der Region: Dazu zählen unter anderem Urovitalis (Drs. Brix/Löser/Gampl) in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim, Dr. Rensch in der Kurstadt, Dr. Hennig in Bad Mergentheim und ebenso Drs. Köber/Zahn/Knödler, Prof. Dr. Remmel/Dr. Remmel-Richarz sowie Drs. Koonari/Weber, Dr. Michel in Weikersheim und auch die Praxis von Dr. Gerstenkorn in Königheim – sowie weitere Praxen.
Zum Hintergrund sollte man wissen, dass der Verband der Ersatzkassen, kurz vdek, die Interessenvertretung und der Dienstleister aller sechs Ersatzkassen ist, die zusammen rund 28 Millionen Menschen in Deutschland versichern: Techniker Krankenkasse (TK), Barmer, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk (Handelskrankenkasse) und HEK (Hanseatische Krankenkasse).
Der Ärzteverband Medi beklagt nun aktuell, dass der Verband der Ersatzkassen (vdek) Forderungen für mehr und schnellere Termine in der vertragsärztlichen Versorgung öffentlich gemacht hat. Der vdek habe sich unter anderem gegen eine Entbudgetierung bei den niedergelassenen Ärzten ausgesprochen und für eine Erhöhung der Mindestsprechstundenzeit sowie eine stärkere Überprüfung der Einhaltung der Versorgungsaufträge durch die Kassenärztlichen Vereinigungen.
Mit einer großen Protestaktion und einem offenen Brief an den vdek weist Medi auf den Unmut in der niedergelassenen Ärzteschaft hin. Jill Sayer, eine Sprecherin des Medi-Verbunds, teilte den FN auf Nachfrage mit, dass seit 1. April wichtige Informationen zur Protestaktion auf der Webseite „vdek-Protestaktion 2024 – aerzteproteste.de“ verfügbar seien.
"Immense Belastungen"
Seitens Medi heißt es öffentlich: „Statt Verständnis für die immensen Belastungen in unseren Arztpraxen aufzubringen und endlich die längst überfällige Entbudgetierung umzusetzen, verlangt der Verband der Ersatzkassen eine Ausweitung unserer Sprechzeiten – nach dem Motto: Die Ärzteschaft arbeitet viel zu wenig.“
Außerdem fordere der vdek jetzt noch die Patienten auf, an ein Online-Hinweisportal „Auffälligkeiten“ zu kritischen Ereignissen in der Medizin zu melden. Hier werde bewusst eine Misstrauenskultur gegen die niedergelassene Ärzteschaft vorangetrieben. „Gegen diesen erneuten Beweis mangelnder Wertschätzung müssen wir uns wehren“, meinen der Medi-Verbund und viele Ärzte.
Vom 1. April bis 30. Juni werde man durch zwei große Maßnahmen den vdek-Mitgliedskassen den Unmut deutlich signalisieren: Zum einen wolle man die Bearbeitung von Anfragen zurückstellen. Und man wolle Hinweise an die Patienten zum möglichen Kassenwechsel geben. Durch die jüngsten vdek-Äußerungen sei das Vertrauensverhältnis unter einigen an der Gesundheitsversorgung beteiligten Partnern massiv gestört, so der Medi-Verbund.
„Zeigen wir mit dieser Aktion alle solidarisch, dass es reicht. Dass wir Niedergelassenen uns diese Gängelung nicht weiter gefallen lassen und dass es Konsequenzen für die Ersatzkassen hat, die die Wertschätzung für unsere ärztliche Tätigkeit vermissen lassen“, so Medi.
Patienten-Ansturm
Dr. David Brix, Facharzt für Urologie, Andrologie, medikamentöse Tumortherapie und Kinderurologie in Bad Mergentheim, betont gegenüber den FN, dass er sich am Protest beteiligen werde: „Mir ist aber auch wichtig festzustellen, dass die aktuelle Versorgung der Patienten, die über eine der Ersatzkassen versichert sind, nicht beeinträchtigt ist.“
Allerdings, so beklagt Dr. Brix, sei der Ansturm an Patienten, „den wir aktuell hier vor Ort erleben nicht mehr zu bewältigen“. So würden inzwischen beispielsweise von der Terminservicestelle Patienten aus Würzburg, Stuttgart und sogar Calw ins Taubertal geschickt. Das könne nicht sein! Viele Praxen könnten kaum noch Neupatienten aufnehmen. Dr. Brix meint: „Wenn sich die Ersatzkassen mit ihren Ideen durchsetzen sollten, werden noch mehr Ärzte ihren Kassensitz aufgeben. Konkret haben beispielsweise eine gynäkologische Praxis in Bad Mergentheim und ein urologischer Kollege in Buchen den Anfang gemacht.“
Zur Kritik seitens der Vertreter ärztlicher Organisationen erklärte Ulrike Elsner, die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, schon vor einigen Wochen öffentlich: „In den Reaktionen der Vertreter der Ärzteschaft zu den Vorschlägen des vdek bleibt das adressierte Problem unwidersprochen. Nach wie vor ist der Zugang für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu Ärztinnen und Ärzten bestimmter Fachrichtungen nicht zufriedenstellend.“
Es gebe laut Elsner „viele Praxen, die gut erreichbar sind und viele Sprechstunden und Videokonsultationen anbieten“. Bei anderen würden Patienten zum Teil mehrere Monate auf einen Termin warten. Gleichzeitig sei das ärztliche Honorar jährlich gestiegen – „2024 werden die Versicherten und Arbeitgeber von ihren GKV-Beiträgen 50 Milliarden Euro für die ärztliche Versorgung ausgeben“.
Die Ersatzkassen würden ihren Vorstoß für mehr und schnellere Termine als konstruktiven Vorschlag ansehen, mit konkreten Maßnahmen Abhilfe zu schaffen.
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