Soziales und Gesellschaft

Tafeln im Main-Tauber-Kreis werden immer gefragter

378 Erwachsene und 276 Kinder versorgt allein der Tafelladen Bad Mergentheim aktuell – Rekord! Genauso gefragt sind die anderen Tafeln im Landkreis.

Von 
Sascha Bickel
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Im Bad Mergentheimer Tafelladen wird gemeinsam angepackt: Das Bild zeigt (von links) die Vorsitzende des Fördervereins, Veronika Kluge, und daneben Bärbel Marczinski und rechts Annemarie Scheckenbach – beide gehören dem Leitungsteam vor Ort an. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim/Main-Tauber-Kreis. Der Zustrom an Flüchtlingen nach Deutschland ist ungebrochen. Die Landkreise und Kommunen merken das an hohen Zuweisungen und den Schwierigkeiten genügend Unterkünfte zu organisieren. Die Tafeln sehen es an den langen Schlangen vor ihrer Lebensmittel-Ausgabe.

Teams in den Tafeln bestehen aus ehrenamtlich engagierten Menschen

Ziel der Tafeln ist es, qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden können, kostengünstig gegen Vorlage einer Kundenkarte an Menschen mit geringem Einkommen weiterzugeben. Regionale Bäckereien, Supermarktketten, Lebensmitteleinzelhändler und Wochenmärkte geben Woche für Woche Lebensmittel, die sie aussondern, an die Tafeln ab. Durch das Engagement von ehrenamtlichen Helfern ist es laut Diakonischem Werk möglich, diese Lebensmittel einzusammeln und in den Tafeln an Bedürftige weiterzugeben.

Katrin Beuschlein, die Leiterin der Tafelarbeit beim Diakonischen Werk im Main-Tauber-Kreis, geht gegenüber unserer Zeitung auf die veränderte die Situation bei den gespendeten Lebensmitteln näher ein. Sie berichtet: „Der Hauptanteil der den Tafeln zur Verfügung stehenden Lebensmittel wird durch die lokalen Supermärkte gespendet. Doch auch hier lassen sich die Krisen gut abbilden. Es werden insgesamt weniger Lebensmittel an die Tafeln abgegeben. Zum einen dadurch bedingt, dass die unterschiedlichen Supermärkte selbst eigene Konzepte entwickelt haben, um Lebensmittel die nahe am Mindesthaltbarkeitsdatum sind oder Obst/Gemüse, dass nicht mehr ganz frisch ist, durch Reduzierungen selbst zu verkaufen. Auf der anderen Seite wird durch die Supermärkte auch berichtet, dass dort selbst weniger Ware ankommt, sei es durch andere Einkaufsstrategien/Kommissionierung oder durch Lieferengpässe.“

„Unsere Teams in den Tafeln, alles ehrenamtlich engagierte Personen, leisten Unglaubliches, um auch weiterhin so vielen Kunden wie nur möglich helfen zu können“, betont Katrin Beuschlein und fügt an: „Auch die Ehrenamtlichen sind durch die Krisen sehr belastet. Als Träger könnten wir ohne dieses Engagement unsere Tafelarbeit nicht aufrechterhalten. Um die Ehrenamtlichen zu entlasten sind wir immer wieder auf der Suche nach weiteren Personen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Gerade im Bereich der Fahrer und Beifahrer sind wir stetig auf der Suche. Hierfür benötigen die Personen eine gewisse körperliche Fitness, um die Waren an den Supermärkten abzuholen, also das Fahrzeug zu beladen und dann an der Tafel wieder abzuladen. Zudem sollte man eine gewisse Offenheit mitbringen, da man sowohl in der Tafel als auch bei den Supermärkten mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt kommt. Gerne können Interessierte in die Tafelarbeit einfach mal reinschnuppern und dabei sehen ob dies zu Ihnen passt.“ sabix

Vier Tafeln gibt es im Landkreis und allein um drei (Bad Mergentheim, Lauda-Königshofen und Wertheim) kümmert sich das Diakonische Werk Main-Tauber-Kreis in Zusammenarbeit mit den Initiativen vor Ort und eigens dafür gegründeten Fördervereinen. Die Tauberbischofsheimer Tafel wird vom Caritasverband im Tauberkreis getragen.

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Katrin Beuschlein, die Leiterin „Tafelarbeit“ beim Diakonischen Werk, berichtet, dass an den wöchentlich insgesamt neun Öffnungstagen (zweimal Tafel Bad Mergentheim, zweimal Tafel Lauda-Königshofen und dreimal Tafel Wertheim) jeweils zwischen 50 und 60 Haushalten in Lauda-Königshofen, zwischen 80 und 90 Haushalten in Bad Mergentheim und zwischen 90 und 100 Haushalten in Wertheim versorgt würden.

Doppelte Kundenzahlen

In der Corona Pandemie habe man die Anzahl der Kunden in den Läden beschränkt, wodurch sich die Einkaufszeit und damit auch die Wartezeit für die Kunden verlängerte. Verschärft habe sich die Situation dann noch einmal, als sich durch den Ukraine-Krieg die Kundenzahlen an allen Standorten nahezu verdoppelten – dies sei seit dem vergangenen Frühjahr/Sommer der Fall.

Aktuell steigt die Anzahl der berechtigen Kunden „an allen Standorten stetig weiter an“, teilt Katrin Beuschlein noch mit. Durch die Energiekrise sei zudem damit zu rechnen, „dass es einen weiteren, noch nicht abschätzbaren Ansturm an Neukunden geben wird“.

Wie ist aktuell die Lage in der Tafel Bad Mergentheim? Annemarie Scheckenbach vom ehrenamtlichen Leitungsteam vor Ort weiß es: „Wir haben sehr viele Flüchtlinge und Bedürftige auf unserem Zettel, die Zahlen bewegen sich auf Rekordniveau mit 378 Erwachsenen und 276 Kindern, aber das Angebot ist bei uns zum Glück noch sehr groß, dadurch dass wir vor Weihnachten sehr viele private Sach-, aber auch Schüler- und Firmenspenden bekommen haben. Unsere Lager sind also noch gefüllt.“

In den ersten Monaten des neuen Jahres flaue das Spendenaufkommen meist etwas ab und daher freue man sich, wenn die Unterstützung weitergehe. Im Bereich der Lebensmittel-Märkte könne man sich dagegen nach wie vor auf Lidl, Aldi, Rewe, Netto, Norma, Edeka und Nahkauf in der Kurstadt, aber auch in Weikersheim und Assamstadt verlassen. Diese fährt der Tafelladen-Transporter regelmäßig an, um Produkte einzusammeln.

Eine kleine Bilanz zu 2022 zieht auf Nachfrage Veronika Kluge. Sie ist die Vorsitzende des Fördervereins des Tafelladens Bad Mergentheim und sagt: „Wir waren total überrascht, dass wir vergangenes Jahr so viel Unterstützung von Bürgern und auch Unternehmen erhalten haben, Spenden von 20 bis zu 10 000 Euro haben uns erreicht. Dafür kaufen wir fleißig wichtige Lebensmittel dazu, als Ergänzung zu den eingesammelten Produkten in den Supermärkten und Bäckereien. Aber zum ersten Mal seit 2006, also seit über 16 Jahren, können wir auch einmal an die Renovierung unserer Räume in der Krummen Gasse 20 denken. Nie war dafür Geld übrig, jetzt ist die Gelegenheit einige sinnvolle Maßnahmen in den nächsten Monaten umzusetzen und die Arbeitsabläufe durch bessere Regale zum Beispiel zu optimieren.“

Zu den gestiegenen Energiekosten meint Kluge, dass diese natürlich auch die Tafel belasten, man aber auch hier noch von der großen Spendenbereitschaft in 2022 zehre.

Während der Förderverein konstant 100 Mitglieder hat, sind rund um den Tafelladen der Kurstadt etwa 30 Helfer wechselweise engagiert.

Veronika Kluge lobt alle Helfer und dankt gleichzeitig der Bevölkerung für ihre „unglaubliche Hilfsbereitschaft und Anteilnahme an unserer Arbeit“. Sie freut sich auch, dass bald Ausbildende von Bad Mergentheimer Firmen im Rahmen von Sozialprojekten die Arbeit im Tafelladen aktiv unterstützen werden: „Die jungen Leute sind Multiplikatoren und erzählen dann zu Hause was sie erlebt haben – das ist gut.“

Rund die Hälfte der derzeitigen Bedürftigen ist übrigens vor dem Krieg in der Ukraine geflohen, erzählen Annemarie Scheckenbach und ihre Kollegin Bärbel Marczinski vom Leitungsteam abschließend. Sie berichten von der großen Dankbarkeit der meisten Flüchtlinge, die wiederum den Tafel-Mitarbeitern zum Beispiel Kuchen schenken.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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